„Er war die Ehre seiner Ahnen“ -
Der Große Kurfürst wacht auf dem Schleusenplatz
in Rathenow



Ein Meisterwerk barocker Bildhauerkunst ist das Rathenower Kurfürstendenkmal. (Foto: Caspar)

Brandenburg-Preußen hat dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (reg. 1640-1688) viel zu verdanken. Er bestieg 1640, noch mitten im Dreißigjährigen Krieg, den Thron und übernahm ein marodes Land, dem unendlich viele Bewohner weggestorben waren. Als der Herrscher 1688 starb, war Kurbrandenburg wirtschaftlich weitgehend gesundet und nach kriegerischen Auseinandersetzungen mit Schweden militärisch gestärkt und territorial vergrößert. Neben Mars kamen nun auch die Musen unter dem Zepter des Kurfürsten zu ihrem Recht. Durch eine großzügige Einwanderungspolitik kamen viele Niederländer und Franzosen ins Land und halfen bei seiner Kultivierung. Ein vom Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., seinem Enkel, gestiftetes Denkmal auf dem Schleusenplatz in Rathenow erinnert an den Herrscher.

Friedrich Wilhelms Sohn und Nachfolger Friedrich III. erfüllte sich 1701 einen Traum und setzte sich als Friedrich I. in Königsberg die Krone eines Königs „in“ Preußen aufs Haupt. Der Sohn dieses ersten Königs aus dem Hause Hohenzollern, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., war ein Mann von echtem Schrot und Korn, ein ganz und gar auf das Praktische, auf „Sparen und Plusmachen“ ausgerichteter Herrscher, dessen größte Freude seine in Potsdam stationierten „Langen Kerls“ waren.

Dieser sonst sehr sparsame Monarch ließ 1738, zwei Jahre vor seinem Tod, in Rathenow ein überaus aufwändig gestaltetes Denkmal zur Erinnerung an seinen Großvater Friedrich Wilhelm errichten. Das Sandsteinmonument auf dem Schleusenplatz schwelgt geradezu in den Formen des Hochbarock, ist üppig bedeckt mit Reliefs und ruhmvollen Inschriften. Das Monument ist ein Werk des Bildhauers Johann Georg Glume des Älteren, der einen Entwurf seines Kollegen Bartholomé Damart verwandte. Mit der Signatur „Joh. Ge. Glume fecit 1736“ hat sich der Bildhauer als Schöpfer des Denkmals verewigt.

Das von einem niedrigen Gitter eingezäunte Denkmal zeigt den Kurfürsten mit einem Lorbeerkranz im gelockten Haar stehend in der Pose eines römischen Kaisers. Die rechte hand präsentiert den Feldherrnstab, die linke hand ist beim Schwert in die Hüfte gestemmt. Der über dem römischen Harnisch geworfene Hermelinmantel und der mit Federn geschmückte Helm zeigt Friedrich Wilhelm als großen Militär fürstlicher Abstammung und Profession. Unter dem Kurhut prangt das vergoldete Monogramm FWC (Friedrich Wilhelm Kurfürst), um das das Band des ihm verliehenen englischen Hosenbandordens gelegt ist. Die Widmung hat folgenden Wortlaut: „FRIEDRICH WILHELM der Große, vor welchem Seine mächtigen Feinde nicht gestanden, steht hier auf Seinem Sieges-Platze. In dem Auchenblicke, da sie Ihn sahen, wurden sie geschreckt, getroffen und geschlagen. Sein Heldenbild zeigt dieser Stein, Seinen Geist sucht in Seinem Ihm ähnlichen Enkel“. Friedrich Wilhelm I. hat sich als Stifter des Monuments zwar nicht namentlich zu erkennen gegeben, aber die Inschrift macht deutlich, dass er seinem Großvater nacheifert und sich ihm wesensverwandt fühlt.

Vier figurenreiche Reliefs und ebenso viele Inschriften schmücken den Sockel und erzählen von den Siegen des Großen Kurfürsten. Da ist vom polnischen Joch und von der Gewalt der Schweden die Rede und dass der Herrscher sie alle „unter seine Füße“ getreten hat. Hervorgehoben wird auch, dass Friedrich Wilhelm die verjagten Glaubensgenossen, also Hugenotten, in seine Tore führte. „Gefahr und Flammen bewegten ihn niemals, die Nothleidenden allezeit. Er vermehrte seine Länder mit neuen Provinzen, und diese mit neuen Unterthanen“. An anderer Stelle dieser barock-weitschweifigen und nach 265 Jahren immer noch gut lesbaren Elogen steht, in dem brandenburgischen Kurfürsten „vereinigten sich die Tugenden Seines Stammes. Er war die Ehre seiner Ahnen und ein Vorbild Seiner Nachfolger…, ein Muster eines so vollkommenen Fürsten als Helden im Leben wahrhaftig groß und nach dem Tode unsterblich“. Und auch diese Aussage fehlt nicht: „Er bezwang so leicht durch Seine Tapferkeit Festungen, als durch Seine Großmuth Herzen“. Das Denkmal dieses Herrschers offenbar ohne Fehl und Tadel erinnert an die Vertreibung der Schweden durch kurbrandenburgische Soldaten aus Rathenow im Jahre 1675 nach der Schlacht von Fehrbellin. Mit ihr wurde der Feind aus der Kurmark vertrieben, und der Weg war frei zur Entwicklung des brandenburg-preußischen Staates in eine Macht von europäischem Gewicht.

Der Aufbau Monuments auf dem Schleusenplatz erinnert an Andreas Schlüters bekanntes Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten, das ursprünglich auf der Langen Brücke unweit des Berliner Stadtschlosses stand und jetzt den Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg schmückt. Eine Kopie dieses Reitermonuments steht in der Großen Kuppelhalle des Bodemuseums auf der Berliner Museumsinsel. Beim Charlottenburger Kurfürstendenkmal und dem in Rathenow sind unten am Sockel vier Sklaven als Zeichen des Sieges über die Feinde angekettet. Flehentlich kehren sie ihre Gesichter nach oben zu ihrem Bezwinger. Auf einer zweiten Ebene darüber berichten vier Reliefs, flankiert von Fahnen, Rüstungen und Wappenkartuschen, von militärischen Siegen des Kurfürsten im Jahr 1675. Geschildert werden das Massaker in Rathenow, die Schlacht bei Fehrbellin, die Eroberung der Festung Stralsund und die Bataille bei Warschau. Jedesmal ist der Große Kurfürst zur Stelle - als unerschrockener Reiter im Schlachtengetümmel oder bei der Entgegennahme der Schlüssel einer eroberten Stadt. Auf einer dieser Reliefs sieht man auch, wie wehrlose Männer, Frauen und Kinder von bärtigen Bewaffneten, die alle das gleiche Gesicht haben und wohl polnische Soldaten darstellen sollen, mit Messern regelrecht massakriert werden. Das von Glume aus weichem Sandstein gefertigte und daher für Umwelteinflüsse wie Regen, Schnee, Frost und Mikroorganismen höchst anfällige Denkmal ist ein ständiger Pflegefall. Vor 20 Jahren wurde das Monument zum letzten Mal durchgreifend restauriert und von schädlichen Ablagerungen befreit. Doch wie eine Inspektion vor Ort zeigt, sind neue denkmalpflegerische Maßnahmen durchaus nötig.

Helmut Caspar

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