Das Haus am Neuen Markt -
Ein Jahr Dauerausstellung über brandenburgisch-preußische Geschichte



Über dem restaurierten Portal des Kutschstalles prescht eine königliche Kalesche hervor. (Foto: Caspar)

Im Dezember 2003, vor einem jahr, wurde im Potsdamer Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte die Dauerausstellung „Land und Leute – Geschichte aus Brandenburg-Preußen“ eröffnet. Die Dokumentation von 900 Jahren Landes- und Kulturgeschichte im Kutschstall Am Neuen Markt 9 findet großen Anklang. Die Hoffnung, 40 000 Besucher zu erreichen, wird zum Jahresende 2004 um etwa 5000 übertroffen. Unter den besuchern sind viele Schulklassen aus der brandenburgischen Landeshauptstadt und dem Umland, die hier einen realistischen Geschichtsunterricht erhalten.

Viele Leihgeber
Begonnen hatte das zweite Leben des königlichen Kutschstalls als Ausstellungshalle im Jahr 2001, als im restauriertem Gemäuer die Dokumentation „Marksteine – Eine Entdeckungsreise durch Brandenburg-Preußen“ anlässlich der Dreihundertjahrfeier der Erhebung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. zum König Friedrich I. „in“ Preußen gezeigt wurde. Da das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte kein Museum ist und auch keine eigene Sammlung besitzt, zeigt es Leihgaben, die das Potsdam-Museum, die Preußische Schlösserstiftung, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und andere Einrichtungen zu Verfügung stellen. Da verschiedene Stücke ab und zu ausgetauscht werden, lohnt es sich, die Ausstellung immer wieder einmal zu besuchen.

Es soll Potsdamer geben, die noch nie am Neuen Markt, ein paar Schritte vom Stadtkanal und nicht weit vom Alten Markt entfernt, gewesen sind. Sie haben einiges versäumt, denn der Neue Markt ist einer der wenigen Plätze in der Landeshauptstadt, der den Bombenangriff vom 14. April 1945 überstanden hat und sich in fast authentischer Form des 18. Jahrhunderts präsentiert. In Häusern an dem malerischen Platz mit der Ratswaage im Zentrum befinden sich verschiedene wissenschaftliche Einrichtungen, und hier hat sich im spätbarocken Kutschstall das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte etabliert, mittlerweile eine der interessantesten Adressen in der Museumslandschaft zwischen Elbe und Oder.

Wichtige Eckdaten
Die „Land und Leute“-Ausstellung bietet einen kompakten Überblick über das, was sich im Kernland von Brandenburg und Preußen zugetragen hat, wer die Reichtümer und die Schönheiten des Landes geschaffen, wer die großen kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen erbracht hat, wer die Herrscher waren. Besucher lernen wichtige Eckdaten kennen - die Belehnung der Hohenzollern mit der Kurwürde im Jahr 1415, die Königskrönung von 1701, verschiedene Kriege der vergangenen dreihundert Jahrhunderte, die Einwanderung der Hugenotten und anderer Glaubensflüchtlinge, die Urbarmachung der „Steusandbüchse“, Reformbestrebungen und Revolutionen, das Ende der Monarchie 1918, die Errichtung der NS-Diktatur, das Kriegsende und den Neuanfang 1945.

Gleich eingangs tritt der erste preußische König Friedrich I. den Besuchern, in Bronze gegossen, entgegen, ein Mann, der auch den Ruhm der heutigen Landeshauptstadt begründet hat. Er und andere Mitglieder des Hauses Hohenzollern sind mit exquisiten Exponaten vertreten, doch geht man fehl in der Annahme, dass die Ausstellung eine Hommage an ihre Adresse ist. Viele unbekannte, dennoch sehr verdienstvolle Brandenburger kommen ebenso zu ihrem Recht – jene Leute etwa, die großartige Zeugnisse der Backsteinarchitektur hinterlassen haben, oder die Bauern, die den kargen Boden kultiviert haben und dafür von ihren Grundherren wenig Dank erhielten. In gebotener Kürze werden Bildung und Kultur, etwa das Wirken der Landesuniversität Viadrina in Frankfurt an der Oder, oder auch Leistungen großer Baumeister und Maler gewürdigt. Skulpturen, Gemälde, Karten, Urkunden, Flugschriften, Waffen, Medaillen, Erzeugnisse der Alltagskultur, Kunsthandwerkliches, sogar ein Oldtimer als Hinweis auf frühen Automobilbau ziehen die Blicke auf sich.

Historie kompakt
Landesgeschichte auf engstem Raum verständlich und einprägsam darzubieten, ist nicht einfach, erfordert Mut zur Lücke. „Bei 900 Jahren, die wir zu dokumentieren haben, war nicht die Frage, was man in die 600 Quadratmeter große Ausstellung packt, sondern was man guten Gewissens weglassen kann“, beschreibt die Historikerin Antje Frank, Mitarbeiterin des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, das Problem, mehr zeigen zu wollen als es zu können. „Natürlich hätten wir viel mehr über die Zeit nach 1945 ausstellen können, aber die beengten Platzverhältnisse lassen es nicht zu. Wir müssen die Besucher bei diesem Abschnitt auf ein großes Modell von Potsdam und bei anderen Themen auf Multimediastationen, Monitore und Hörstationen verweisen, die historische- und Dokumentarfilme sowie Beschreibungen und Tondokumente übertragen und auf diese Weise die Informationen in der Ausstellung weiter vertiefen. Gut angenommen werden auch Führungen per Kopfhörer in deutscher und englischer Sprache sowie solche speziell für Kinder.“

Eine für 2005 geplante Publikation soll bei der Aufarbeitung geschichtlicher Daten helfen, und außerdem bietet das Haus ein reichhaltiges Vortragsprogramm zu einzelnen landesgeschichtlichen Themen an. Dass bei aller Konzentration auf das Wesentliche im letzten Abschnitt der Ausstellung „Land und Leute“ auch die Geschichte des Kutschstalls erwähnt und sogar als private Leihgabe ein aus dem kaiserlichen Marstall stammendes Pferd samt kostbarer Montur gezeigt wird, ist eine sympathische Zugabe.

Wie durch ein Wunder haben die meisten Gebäude rund um den Neuen Markt im Herzen von Potsdam den verheerenden Bombenangriff vom 14. April 1945 überstanden, bei dem große Teile der Innenstadt schwer getroffen, manches unwiederbringlich vernichtet wurden. So blieb uns eine städtebauliche Perle aus dem 18. Jahrhundert fast originalgetreu erhalten, ein einzigartiges Ensemble, das auf der Potsdamer Denkmalliste ganz obenan steht. Große Mühe wurde in den späten 1990er Jahren auf die Sanierung und Restaurierung verwandt. Nach dem Zweiten Weltkrieg als Lagerhalle für Gemüse und andere Erzeugnisse benutzt und in seinem historischen und künstlerischen Wert verkannt, boten das 1787 bis 1789 auf Befehl König Friedrich Wilhelms II. nach Plänen von Andreas Ludwig Krüger errichtete Haus und seine Umgebung Jahrzehnte lang ein Bild des Jammers.

Spätbarocke Quadriga
Die Bestimmung des säulenbestückten Gebäudes als Standort der Kutschen, Sänften und Schlitten des königlichen Hofes sowie als Pferdestall wird weithin durch die spätbarocke Quadriga aus Sandstein über dem Eingangsportal sichtbar. Auch der ursprünglich zum Schlosskomplex gehörende Marstall, das heutige Filmmuseum, besitzt einen solchen üppigen Figurenschmuck auf dem Dach. Die Figurengruppe über dem Eingangsportal des Kutschstalls besteht aus vier Pferden, die eine königliche Kalesche mit einem Kutscher auf dem Bock ziehen. Diese Quadriga wurde in den vergangenen Jahren sorgfältig restauriert und strahlt nun wieder in heller Steinfarbe. Figurengruppen zu beiden Seiten und Reliefs im Gemäuer symbolisieren die Arbeit derer, die sich um die Pflege der Pferde und ihres Zaumzeugs zu kümmern hatten.

Der Kutschstall Am Neuen Markt 9 in 14467 Potsdam ist Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet, am Mittwoch bis 20 Uhr. Der Eintritt kostet 4, ermäßigt 3 Euro. Telefon 0331/200 56355 und Internet www.hbpg.de.

Helmut Caspar

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