Berlin und seine Bauten -
Neues Buch über Architektur an der Spree 1861-1918



Aus der Kaiserzeit hat sich im ehemaligen Regierungsviertel das Preußische Herrenhaus in die heutige Zeit gerettet. Seit einigen Jahren tagt in dem hundert Jahre alten Palast der Deutsche Bundesrat. (Foto: Caspar)

Berlin und seine Bauten – das ist eine lange Erfolgsgeschichte und ein unendliches Trauerspiel. Großartige Architektur entstand und verschwand nach kurzer Zeit; was erhalten blieb, ist ein schwacher Abglanz einstiger Pracht. Erfasst ist dieses wertvolle Erbe in einer Baugeschichte Berlins, die der frühere Landeskonservator Helmut Engel jetzt in drei Bänden veröffentlicht. Als erstes ist jetzt der zweite Teil erschienen. Darin wird die Zeit von 1861 bis 1918 analysiert, also die Ära von König beziehungsweise Kaiser Wilhelm I. bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918, als Kaiser Wilhelm II. abdanken musste. Ende dieses Jahres wird der dritte Band erwartet, der die Zeit von 1918 bis heute behandelt, gefolgt vom ersten Band über die Bauten des Barock und des Klassizismus vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm bis zum „Romantiker auf dem Thron“, Friedrich Wilhelm IV., der 1861 starb. Nach einer Pause von hundert Jahren liegt damit eine umfassende Darstellung Berliner Baugeschichte von den Anfängen bis zur unmittelbaren Gegenwart vor, ein Kompendium, das auch die vielen Bausünden auflistet, die sich die Stadt leistete, die ständig ihr Gesicht wechselte und auch heute nicht vollendet ist.

In den knapp 60 Jahren kaiserzeitlicher Baukultur, die Engel im jetzt vorliegenden Band erfasst, erlebte die erst preußische, dann deutsche Hauptstadt den Sprung zur Millionenmetropole. Der Zuzug von Arbeitssuchenden aus allen Himmelsrichtungen war riesig und das sich auch im Bauwesen ausdrückende soziale Gefälle enorm. Zwischen den kaiserlichen Prunkbauten und den Villenvierteln der Eliten auf der einen Seite und den Elendsvierteln auf der anderen klafften tiefe Risse.

In Berlin war vor hundert Jahren alles, was Macht, Ansehen und Geld hatte, ansässig, und das spiegelte sich auch in den von Engel eingehend gewürdigten Bauten des Staates und des Hofes, der Banken und der Wirtschaft, der Wissenschaft und Kultur wider. Untermauert werden die sachkundigen Beschreibungen von Arbeiten bekannter Architekten und Stadtplaner durch zahlreiche Fotos, Aufrisse und Lagepläne. Sie zeigen, wie sehr man sich bemühte, Größe und Bedeutung auch durch bauliche Anleihen vor allem aus der Renaissance und dem Barock unterstreichen und ganz profanen Häusern Glanz und Größe zu verleihen.

Viele in Helmut Engels instruktiver Bau- und Kulturgeschichte erfasste Gebäude, Straßen und Plätze existieren nicht mehr. Im Zweiten Weltkrieg und bei Abrisswellen in West und Ost danach gingen unzählige Bauten unter - Ministerien und Mietskasernenviertel, Bahnhöfe und Banken, Kirchen und Kaufhäuser, Schulen, Theater und unzählige Wohnhäuser. Was aus dem Werk von Architekten wie Hermann Blankenstein, Paul Wallot, Martin Gropius, Ludwig Hoffmann, Ernst von Ihne, Alfred Messel oder Peter Behrens erhalten blieb, zeugt noch heute von Prachtentfaltung und großem baukünstlerischem Können. Bedeutende Bauten wie das Reichstagsgebäude, das Herrenhaus, das Rote Rathaus und das Alte Stadthaus, der Dom, die Museumsinsel, dazu Theater, Fabriken, Brücken und nicht zu vergessen die eng bebauten Wohnviertel und manche Villen in Randlage blieben erhalten oder wurden in reduzierter Form aufgebaut. Nach dem Ende der Monarchie in der Zeit der Moderne war dieses Erbe heftiger Kritik ausgesetzt, doch wie man mit ihm umging, wird Engel demnächst genauer darstellen.

Wer das Buch „Baugeschichte Berlin – Umbruch, Suche, Reformen 1861-1918“ (Jovis Verlag 2004, 416 S., über 800 Abbildungen, 68 Euro) anschaut, das im Wesentlichen das „alte“ Berlin in seinen Grenzen bis zu den Eingemeindungen von Spandau, Charlottenburg und Köpenick und einigen Dörfern im Jahr 1920 erfasst, und mit ihm arbeitet, erhält eine Ahnung davon, was Berlin besaß und verloren hat. Dass diese Hinterlassenschaft von Helmut Engel wieder aus dem Vergessen geholt wird, ist verdienstvoll und regt auch an, sich auf Spurensuche zu machen.

Helmut Caspar

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