Victoria regia ist der Star -
Botanischer Garten macht trotz extremer Sparzwänge weiter



In Sommernächten kann man die Blüten der Victoria regia im Botanischen Garten bestaunen. (Foto: Botanischer Garten)

Der Berliner Botanische Garten blickt auf eine lange Erfolgsgeschichte zurück. Angelegt nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) durch den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg zunächst im Berliner Lustgarten, wurde ihm bereits 1679 ein Gelände im heutigen Bezirk Schöneberg etwa im Bereich des Kleistparks zugewiesen. Aus dem kurfürstlichen Mustergarten entwickelte sich ein Areal mit vielen seltenen und exotischen Pflanzen, die im Winter in große Gewächshäuser kamen. Der Botanische Garten mauserte sich langsam zu einem beliebten Ausflugziel der Berliner. Da die Fläche allmählich zu klein wurde, war um 1900 ein Umzug an den damaligen Stadtrand, nach Dahlem, erforderlich. Seit hundert Jahren lädt hier der Botanische Garten mit seinen Tropen- und Gewächshäusern sowie Erlebnisbereichen zum Besuch. Neben dem Botanischen Garten ist auch das Botanische Museum nebenan einen Besuch wert. Hier findet bis zum 5.September die Ausstellung zum hundertjährigen Jubiläum des Standortes Dahlem „Victoria & Co.“ statt. Das Botanische Museum am Königin-Luise-Platz (Dahlem) ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, der Botanische Garten von 9 bis 18 Uhr. Es gibt zwei Eingänge, und zwar am Königin-Luise-Platz und Unter den Eichen. Anfragen zum Jubiläumsprogramm und zu Patenschaften unter 030/838 50 135 oder 030/838 50 1 sowie im Internet unter www.botanischer-garten-berlin.de.

Reise um den Globus

Die Hohenzollern waren große Gärtner. Jedes ihrer Schlösser hatte einen Park, überall gab es Orangerien zur Aufnahme von Pflanzen aus südlichen Regionen, die die Winterkälte nicht aushalten. Im Berliner Lustgarten, der Keimzelle des heutigen Botanischen Gartens, wuchsen Kräuter und Kartoffeln zur Versorgung der Hofküche, aber auch schon fremdländische Zier- und Nutzpflanzen wie Zitronen und Orangen. Brunnen und Marmorfiguren verliehen der Anlage in der Nähe des kurfürstlichen Schlosses barocke Pracht. Einen Abglanz jener Verbindung von Kunst und Natur kann man im Botanischen Garten draußen in Dahlem bewundern.

Die grüne Oase mitten im Großstadtgetümmel umfasst heute eine Fläche von über 43 Hektar und gehört damit zu den größten und bedeutendsten Botanischen Gärten der Welt. Hier werden rund 22.000 Pflanzenarten kultiviert. In der 13 Hektar großen Pflanzengeographischen Abteilung und den über 6000 Quadratmeter umfassenden Gewächshäusern können sich die Besucher auf eine botanische Reise rund um den Globus begeben. Darüber hinaus gibt es ein 14 Hektar großes Arboretum mit einer Vielzahl von Bäumen und Sträuchern. Diese artenreiche Lebendsammlungen stellen, so erfährt man beim Rundgang, stellen mit den Pflanzenpräparaten und der reichhaltigen Fachbibliothek im Botanischen Museum die Grundlage für Forschungen über die Artenvielfalt und die Lebensformen der Pflanzen dar. Nicht zu vergessen ist der Botanische Garten ein beliebter Erholungsplatz, und angemerkt sei, dass man hier sogar heiraten kann.

Kreativ den Mangel verwalten

Die Bandbreite des Angebots sieht sich sehr schön an – und lässt einen Moment vergessen, in welchen Schwierigkeiten der zur Freien Universität Berlin (FU) gehörende Botanische Garten steckt. Harte Auflagen des Berliner Senats zwingen die FU zu drastischen Mittelkürzungen, und diese treffen auch den Botanischen Garten mitten ins Herz, weil er seine Arbeit im Moment nur begrenzt ausführen kann. Erschwerend in der angespannten Situation kommt hinzu, dass bisher gewährte Lottomittel entfallen. So ist Sparen an allen Ecken und Enden angesagt. Beim wissenschaftlichen Personal werden durch Pensionierung frei werdende Stellen nicht mehr besetzt. Achtzehn Saisongärtner sowie etliche ABM-Kräfte, die bisher ab Frühling zur Pflege der Aussenbereiche und der Gewächshäuser zur Verfügung standen, sind gestrichen. Die verbliebenen Mitarbeiter müssen sich doppelt und dreifach anstrengen und schaffen das Pensum kaum, sagt Hans Walter Lack, der Direktor des Schaumuseums des Botanischen Gartens. „Wir müssen mit viel Kreativität den Mangel verwalten. Die Mittelkürzungen wirken sich auf alle Bereiche aus, auch auf die Pflege der Bausubstanz. So fehlt das Geld, um eine automatische Regelung der Temperatur und Feuchtigkeit in unseren Tropenhäusern zu gewährleisten. Das muss aufwändig per Hand gemacht werden. Auch die Wartung und Sanierung der Gebäude wird unter diesen Umständen herunter gefahren. Dabei wären Sanierungsarbeiten bei den hundert Jahre alten Glas-Stahl-Hallen dringend nötig“.

Hilfe aus der misslichen Lage, aber leider keine Erlösung verspricht sich der Professor von Pflanzenpatenschaften und Sponsoring aus der Wirtschaft. Wer will, kann für 250 bis 1000 Euro eine solche übernehmen oder auch Geld, natürlich gegen Quittung, spenden, um Wege in Stand zu setzen oder Baumaßnahmen zu unterstützen. Für den kleinen Geldbeutel gibt es schon Anteilsscheine zu zehn bis 30 Euro. Lack hofft, durch die Jubiläumsveranstaltungen in diesem Jahr viele Besucher und neue Freunde des Botanischen Gartens und natürlich Zusatzeinnahmen für dessen Erhalt zu gewinnen. Und er appelliert an die Politik, den traditionsreichen Botanischen Garten nicht allein und ausbluten zu lassen, sondern in ihm ein unveräußerliches Erbe zu sehen, auf das man auf keinen Fall verzichten darf.

Einst Hobby reicher Leute

Die eingangs erwähnte Jubiläumsausstellung „Victoria & Co.“ macht mit einer besonderen botanischen Attraktion des Berliner Botanischen Gartens bekannt. Gezeigt wird nicht nur die alljährlich abends und in der Nacht blühende tropische Riesenseerose, die nach der englischen Queen Victoria genannt wurde und schon im 19. Jahrhundert auch in Berlin Aufsehen erregte und seit 1852 – bis auf Ausnahmen im und nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig stark duftende rosa-weiße Blüten trägt. Besucher erfahren Einzelheiten darüber, dass das Züchten und Halten solcher Gewächse vor 150 Jahren ein Hobby reicher Leute war. Unter ihnen war der Unternehmer August Borsig, der seinen ganzen Ehrgeiz darein legte, dass seine Victoria früher blüht als die im Botanischen Garten – und Erfolg hatte. Die Wunderpflanzen können am großen Jubiläumsfest am 13. Juni bewundert werden. Bis dahin wachsen die Keimlinge schnell heran. Die kreisrunden Blätter der Riesenpflanze, deren Samen jedes Jahr neu ausgesät werden müssen, haben einen Durchmesser bis zu zwei Meter. Sie sind in der Lage, Kinder und sogar Erwachsene zu tragen. So zeigt ein Foto in der Ausstellung, wie ein Mann auf einem solchen Blatt steht. Die Ausstellung mit grafischen Darstellungen und interessanten Zeitzeugnissen, natürlich auch mit getrockneten Präparaten der berühmten Seerose und Erzeugnissen des Kunsthandwerks, auf denen sie dargestellt ist, findet trotz extremer Sparzwänge statt, denen der Botanische Garten derzeit unterworfen ist. Die Veranstalter wollen mit der Dokumentation im Botanischen Museum auch auf die Folgen dieses finanziellen Ausblutens aufmerksam machen und hoffen, dass viele Besucher kommen und sich auch Sponsoren findet, die Patenschaften über einzelne Pflanzenarten übernehmen.

Helmut Caspar

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