Schinkel rettete Zisterzienserabtei -
Was Denkmalpflege in Preußen früher war und sie und heute bedeutet, zeigt eine neue Ausstellung in Chorin



Weitblickende Staats- und Baubeamten sorgten im frühen 19. Jahrhundert, dass das Kloster Chorin erhalten blieb. Es ist täglich von 9-18 Uhr geöffnet. (Foto: Caspar)

Am Anfang der Denkmalpflege in Preußen stand ein Beschwerdebrief. Karl Friedrich Schinkel, der oberste Baumeister der Monarchie, schrieb 1817 der Regierung empört nach der Besichtigung der Reste des mittelalterlichen zu den Perlen norddeutscher Backsteingotik zählenden Zisterzienserklosters Chorin im heutigen Landkreis Barnim, die Behörden möchten „gefälligst“ dem Pächter die Bewahrung der Ruine auferlegen. „Bei der Seltenheit solcher Denkmäler in dieser Provinz wird die Erhaltung eines solchen zur Pflicht. Auch könnten sich die Baumeister der Provinz dafür interessieren, damit das willkürliche Einreißen und Verbauen dieser Altertümer vermieden und auf dem Lande der schönste Schmuck solcher Denkmäler erhalten werde“.

Die Forderung nach respektvollem Umgang mit dem baulichen Erbe war schneller gesagt als getan, wie die neue Ausstellung „Zeitschichten – Denkmalpflege in Bandenburg“ im Kloster Chorin zeigt. Veranstaltet vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege und dem Archäologischen Landesmuseum, schildert sie, welche Widerstände und Vorbehalte überwunden werden mussten, bis erste Rettungsmaßnahmen an dem seit der Reformation (1539) als Steinbruch und Stall benutzten Bauwerk und manch anderen Zeugen der Vergangenheit beginnen konnten. Natürlich leistete der Choriner Pächter Widerstand. Die Umbau- und Entrümpelungskosten waren ihm zu teuer, andere Ställe waren nicht vorhanden. Ein Denkmalpflegegesetz, wie wir es heute kennen, gab es noch nicht, und staatliche Beihilfen und Steuererleichterungen waren unbekannt. Dennoch blieb Schinkels Appell nicht ungehört. Die Bauakten verzeichnen für die Jahre 1831 bis 1834 Reparaturarbeiten am Kloster und später erste Restaurierungsmaßnahmen. In der Ausstellung wird anhand von Zeichnungen und Bauplänen sowie Beschreibungen die schrittweise und noch lange nicht abgeschlossene Wiederherstellung der Anlage dokumentiert. Darüber hinaus wird gezeigt, wie sich der Architekt Ferdinand von Quast, der 1843 zu Preußens erstem Konservator der Denkmäler ernannt wurde, um das Bauwerk und viele andere gefährdete Zeugnisse der Architektur kümmerte.

Voraussetzung aller praktischen Unternehmungen war die Bestandsaufnahme, die vom Staatskanzler Karl August von Hardenberg auf Anraten von Schinkel in Auftrag gegeben wurde. Besucher erfahren in der Ausstellung nicht nur einiges von den ersten Ergebnissen dieser Inventarisation, sondern sehen auch, wie sich die archäologische Bauforschung und denkmalgerechte Restaurierung entwickelten und welcher Methoden sich heutige Bau- und Bodendenkmalpfleger bedienen. Das kann man unter anderem im Abt- oder Kapitelflügel sehen, der gerade entkernt und restauriert wird. Hier soll in den kommenden Jahren ein Museum entstehen, in dem auch Fundstücke von Ausgrabungen im Kloster und seiner Umgebung gezeigt werden.

Bei der Eröffnung der Zeitschichten-Ausstellung wies Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka darauf hin, dass Denkmalschutz und Denkmalpflege Aufgabe der ganzen Gesellschaft sind. Wer sich nicht um das Erbe kümmere, riskiere, um es mit Schinkels Worten aus dem Jahr 1815 zu sagen, „dass wir in kurzer Zeit unheimlich, nackt und kahl, wie eine neue Colonie in einem früher nicht bewohnten Lande dastehen“. Und Brandenburgs Landeskonservator mahnte, dem Kloster Chorin nicht durch Übernutzung zu schaden. 1200 Besucher pro Sommerkonzert seien die äußerste Grenze, und grillen sollte man woanders, nicht aber im Klostergarten.

In seinen Denkschriften hat Schinkel vor Unverstand, Kurzsichtigkeit und Böswilligkeit im Umgang mit historischen Baulichkeiten und Kunstwerken gewarnt. 1815 schrieb er König Friedrich Wilhelm III.: „Bisher waren diese Gegenstände als solche, die nicht unmittelbar dem Staate Nutzen schafften, keiner besonderen Behörde zur Verwaltung und Obhut zugeteilt, sondern es wurde von den Regierungen, von der Geistlichkeit, oder von den Magisträten und Gutsherren, je nachdem sich eine oder die andere Behörde das Recht darüber anmaßte, zufällig und meistentheils ohne weitere Rückfrage höheren Orts entschieden, und da es sich leider zu häufig fand, dass in diesen Behörden keine Stimme war, die durch das Gefühl für das Ehrwürdige dieser Gegenstände geleitet wurde und sich hinreichend ausgerüstet fühlte, die Vertheidigung desselben gegen die Stürmenden zu übernehmen, welche so nur durch einen eingebildeten augenblicklichen Vortheil auf den Untergang manches herrlichen Werks hinarbeiteten, so geschah es, dass unser Vaterland von seinem schönsten Schmuck so unendlich viel verlor, was wir bedauern müssen.“ Es sollten Behörden geschaffen werden, welchen das Wohl dieser „Gegenstände“, also der Bau- und Kunstdenkmale, anvertraut wird. Kein Schritt dürfe ohne genaue Anzeige und Rückfrage höheren Orts getan werden. 1832 bemerkte Schinkel über Instandsetzungen, sie seien „ein Gegenstand des allgemeinen Interesses und ein Gegenstand der Ehre des Staates, weil sich darin die beste Bildung unserer Zeit aussprechen kann...und eben dadurch werden diese Gegenstände auch eine Förderung der allgemeinen Verbreitung der höheren Bildungsstufe im ganzen Land“.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Berlin und das Land Brandenburg"