Begehrtes „Fer de Berlin“ -
Vor 200 Jahren wurde in Preußens Hauptstadt die Königliche Eisengießerei gegründet



Das nach Schinkels Entwürfen in der Königlichen Eisengießerei hergestellte Berliner Kreuzbergdenkmal wurde zum Schutz vor Korrosion mit grüner Farbe bestrichen. (Foto: Caspar)

Zweihundert Jahre ist es her, dass in der preußischen Hauptstadt die Königliche Eisengießerei Berlin gegründet wurde. Dieser Betrieb existierte genau 70 Jahre, von 1804 bis 1874. Er produzierte alles aus dem magnetisierbaren Metall, was gut, schön und nützlich war – Kanonen und Denkmäler, Gartenplastiken und Möbel, Geschirr, Schmuck und vieles andere. Verwendet wurde zunächst das aus Schlesien angelieferte Roheisen, mit den Jahren aber ging die Gießerei auch zur teureren Bronze und zum Zink über. Bedeutende Künstler wie Karl Friedrich Schinkel, Christian Daniel Rauch, Johann Gottfried Schadow, Wilhelm August Stilarsky, August Kiss oder Leonhard Posch entwarfen die Modelle für das „Fer de Berlin“, wie das Berliner Eisen alsbald genannt wurde. Wie die schon seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert produzierten Eisengüsse in Lauchhammer wurden die Erzeugnisse der Königlichen Eisengießerei und der beiden anderen königlich-preußischen Eisengießereien in Gleiwitz und Sayn in alle Himmelsrichtungen verkauft. Ansässig war die Berliner Eisengießerei am Rande Berlins „Vor dem Neuen Tor“ am Rande der Hauptstadt. Wegen der rauchenden Schlote erhielt das bei den Berlinern und ihren Gästen viel besuchte und bestaunte Areal den treffenden Namen „Feuerland“. In der Berliner Invalidenstraße wurde unlängst anlässlich des 200. Geburtstags der Königlichen Eisengießerei an einem Neubau des heutigen Bundesbauministeriums eine Gedenktafel enthüllt.

Künstlerische Eisengüsse sind keine Erfindung des 18. und 19. Jahrhunderts. Schon früher wurden verzierte Ofenplatten und andere formschön dekorierte Eisenerzeugnisse hergestellt und in „gehobenen“ Haushalten, ja auch in fürstlichen Schlössern verwendet. Richtig modisch wurde der Eisenkunstguss in der Wohnwelt von „Herrn und Frau Biedermeier“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zahlreiche Persönlichkeiten vom König und seiner Familie abwärts ließen sich auf Eisenmedaillons porträtieren. Aus den Wohnzimmern jener Zeit sind sie nicht weg zu denken.

Begünstigend für den Erfolg der Berliner Gießerei waren die politischen und militärischen Ereignisse des Jahres 1806 und der folgenden Zeit. Preußen geriet nach der Niederlage im Krieg gegen Frankreich in eine schwere Krise. Die Zeit der Stein-Hardenberg’schen Reformen begann. Zur Bezahlung der hohen Kontributionen an das siegreiche Frankreich wurden Geld- und Edelmetallsammlungen veranstaltet, und als in der Zeit der Befreiungskriege Freiwillige zum Kampf gegen Napoleons Truppen ausgerüstet werden mussten, wurde zur Aktion „Gold gab ich für Eisen“ aufgerufen. Angesprochen wurden Frauen, sich von „jeder entbehrlichen werthvollen Kleinigkeit“, also von Schmuck, zu trennen und diesen zur Rettung des Vaterlandes zu spenden. So kamen viele Ringe und Ketten in die Metallschmelze, und im Gegenzug erhielten die Spender als Quittung Schmuckstücke aus Eisen. Mit gutem Beispiel ging der königliche Hof voran. Er ließ große Bestände seines Tafelsilbers einschmelzen, und statt sich mit Hals-, Ohr-, Finger- und Armschmuck aus Gold oder Silber zu verzieren, tat man es nun aus filigranem Eisen. Aus dieser Zeit sind Stücke mit dem Motto der Aktion „Gold gab ich für Eisen“ oder „Umgetauscht zu den Vaterlands Wohl“ erhalten. Die Berliner Gießerei, die sich auf filigranen Eisenschmuck spezialisiert hatte, kam mit der Nachlieferung kaum nach.

Das bei ungenügender Pflege schnell rostende Metall avancierte in jenen Jahren zum patriotischen Stoff. Karl Friedrich Schinkel, Preußens oberster Baumeister, entwarf Denkmäler zur Erinnerung an die Helden der Befreiungskriege, die in Berlin aus Eisen gefertigt wurden. Um den empfindlichen Skulpturen ein langes Leben zu geben, wurden sie dunkelgrün angestrichen und partiell auch vergoldet.

Erwähnt sei, dass die französischen Besatzer, die es sich nach 1806 in Berlin und Preußen bequem gemacht hatten, Berliner Kunstgüsse requirierten, um nach ihnen in Paris selber produzieren zu können. Das geschah mit mäßigem Erfolg, denn die Betriebsgeheimnisse behielten die Arbeiter und Angestellten des Berliner Betriebs bei sich. Seine bedeutendste Zeit hatte der Berliner Betrieb nach den Befreiungskriegen, als sie unzählige Denkmäler und Grabkreuze häufig nach Schinkels Entwürfen herstellte, von denen noch viele erhalten sind.

Als im Revolutionsjahr 1848 ein Brand wesentliche Teile der Berliner Eisengießerei vernichtet hatte, ging es mit dem „Feuerland“ vor dem Neuen Tor bergab. Die Königliche Eisengießerei konnte die Verluste der Modelle und Entwurfszeichnungen nicht mehr wettmachen. Sie zehrte eine Zeitlang noch von vergangenem Ruhm, schuf aber kaum Neues. Zum Niedergang trug der Wandel im Geschmack des Publikums bei, denn jetzt wurden Skulpturen, Schmuck und Gerätschaften aus edleren Metallen, etwa Bronze oder Silber, verlangt. Die Aufgaben der Königlichen Eisengießerei übernahmen verschiedene Privatunternehmen, die das Land mit großartigen Denkmälern und allerlei Gerätschaften für Tisch und Kommode versorgten.

Seit seiner Gründung im Jahr 1874 hat das Märkische Museum Erzeugnisse der Berliner Eisengießerei gesammelt. Nachdem die Bestände des ehemals in West-Berlin ansässigen Berlin-Museums mit denen des Märkischen Museums zusammen gelegt wurden, verfügt die Stiftung Stadtmuseum nunmehr über rund 800 Exponate. Dazu zählen Tische und Stühle, Kandelaber und Lampen aus geschwärztem Eisen, des weiteren Taufbecken, Skulpturen, Reliefs, Gefäße, Schreibzeuge und andere reich dekorierte Gerätschaften. Hinzu kommt eine beachtliche Kollektion von Schmuckgegenständen, die im frühen 19. Jahrhundert modisch waren. Die Stiftung Stadtmuseum Berlin widmet dem „Fer de Berlin“ ab 18. November 2004 im Märkischen Museum eine mit vielen interessanten und seltenen Exponaten bestückte Ausstellung. Dort sind auch die berühmten Neujahrsplaketten zu sehen, die die Berliner Gießerei zwischen 1805 und 1849 produziert hat. Die flachen querformatigen Reliefs aus geschwärztem Eisen waren für den König, den Hof, führende Beamte in den Ministerien und Geschäftsfreunde bestimmt und machten Werbung für die Gießerei und ihre Produkte. Dargestellt sind Standbilder, Brückengeländer und Bauelemente, Maschinenteile, Grabkreuze, Kanonen, Munition und vieles andere. Man erkennt auf den etwa 65 mal 86 mm großen Täfelchen auch Berliner Gebäude, und auf einem Exemplar von 1816 ist bereits eine Dampfmaschine abgebildet. Auf einer anderen aus dem Jahr 1814 ist das 1813 von König Friedrich Wilhelm III. gestiftete Eiserne Kreuz zu sehen, das nach einem Entwurf von Schinkel in der Berliner Gießerei hergestellt wurde. Die Neujahrsplaketten waren so beliebt, dass man drei oder vier in extra Rähmchen zusammenfasste und sie als Wandschmuck verwendete. Viele auf ihnen dargestellte Monumente existieren nicht mehr, erhalten blieben nur die Miniaturen aus „Fer de Berlin“.

Helmut Caspar

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