Bald verteilt Fortuna ihre Gaben auf die Stadt Anfang September nimmt die Glücksgöttin ihren Platz auf dem Sitz der Berliner Innenverwaltung ein



Überlebensgroß krönt ab 2. September 2004 die kupferne Fortuna-Figur das Alte Stadthaus im Berliner Bezirk Mitte. (Foto: Caspar)

Irgendwie wirkt die Kuppel des Alten Stadthausturms im Berliner Klosterviertel bis heute nackt und bloß. Was ihr seit über 50 Jahren fehlt, kehrt in Kürze wieder auf den alten Platz zurück – die Glücksgöttin Fortuna. Von allen Seiten war die 3,25 Meter hohe Kupfertreibarbeit auf einer vergoldeten Kugel zu sehen, bis sie nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Platz in luftiger Höhe verlassen musste. Denn als das Magistratsgebäude in den Sitz des DDR-Ministerpräsidenten umfunktioniert wurde, war die prächtige Symbolfigur überflüssig. An ihrer Stelle wurde ein Fahnenmast aufgepflanzt.

Als die Senatsinnenverwaltung in das Alte Stadthaus einzog, begann sie mit der Sanierung und Restaurierung des 1902 bis 1911 nach Plänen des Berliner Stadtbaurates Ludwig Hoffmann errichteten Gebäudes. Anstelle eines flachen Notdachs aus der Nachkriegszeit krönt bereits ein Teil des mächtigen Mansard-Daches das Gebäude. Hinter Plastikplanen haben Bauleute und Restauratoren in den vergangenen Jahren auch die Turmfassade ausgebessert und aufgefrischt. Am 2. September wird sie von der Glücksgöttin bekrönt. Die Wiederherstellung des kupfernen Turmschmucks wurde von dem Berliner Unternehmer Peter Dussmann mit 125 000 Euro finanziert.

Letztmalig ist die Existenz der originalen Treibarbeit für das Jahr 1962 bezeugt, danach verliert sich ihre Spur. Da das von dem Bildhauer Ignatius Taschner geschaffene Original verloren ist, wurde eine Nachbildung aus einem Millimeter dünnem Kupferblech in der Werkstatt des Adlershofer Restaurators Bernd-Michael Helmich gefertigt. Dazu stellte der Bildhauer Jost van der Velden nach einem kleinen Originalmodell ein 1:1-Modell aus Gips her. Nach ihm haben Helmich und seine Mitarbeiter in eineinhalbjähriger Arbeit zahllose gewölbte Kupferbleche geschaffen. Sie wurden so miteinander verschweißt, dass am Ende die eindrucksvolle Glücksfigur mit dem Füllhorn entstand. Die Dame wiegt etwa 250 Kilogramm und wird mit Hilfe einer Edelstahlkonstruktion fest in der Turmspitze verankert, so dass ihr Wind und Wetter nichts anhaben können.

Zum Figurenschmuck des Alten Stadthauses gehören weitere überlebensgroße Plastiken aus Muschelkalkstein. Sie waren 1976 wegen ihres schlechten Zustandes abgebaut und ins Depot verbannt worden. Bisher kehrten acht Steinvasen und zwei überlebensgroße Plastiken so genannter Bürgertugenden zurück. Ein Rechtstreit verhinderte bisher, dass auch die übrigen auf Kraft, Stärke, Mut und Bürgersinn deutenden Allegorien auf ihren Stammplätzen stehen. Die Innenverwaltung ist zuversichtlich, dass der Turmschmuck nach Abschluss eines Gerichtsverfahrens über kurz oder lang komplettiert wird.

Für die stadträumliche Wirkung des Alten Stadthauses sei die Wiederherstellung des Figurenkranzes von herausragender Bedeutung, sagt Peter Fleischmann, Grundsatzreferent des Innensenators und zuständig für die Arbeiten an dem Gebäude. „Ludwig Hoffmann ließ sich vor hundert Jahren von den Türmen des Deutschen und Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt inspirieren, die ähnlich gestaltet sind und von einer vergoldeten Figur bekrönt werden. Die Plastiken vereinen antike und christliche Themen und Tugenden, und wenn man sie genau anschaut, erkennt man in ihnen auch die Aufforderung zu Humanität und Toleranz“, beschreibt Fleischmann das in Kürze durch die Aufstellung der kupfernen Fortuna vervollständigte und in repräsentativen Stadthaussälen durch weitere Allegorien und sinnige Sprüche vervollständigte Bildprogramm.

Das als Vierflügelanlage errichtete Bürogebäude war mit repräsentativen Festsälen ausgestattet. Prunkstücke sind noch heute die Große Festhalle, besser bekannt als Bärensaal, sowie die beiden Vestibüle an der Jüdenstraße und an der Klosterstraße. In DDR-Zeiten ging man mit diesen kostbar dekorierten Räumen wenig pfleglich um. Der Bärensaal war ein im Stil der fünfziger Jahre gestalteter öder Versammlungsraum des DDR-Ministerrates. Die edel dekorierten Wände und Decken waren hinter Verkleidungen und Einbauten verschwunden. Verloren gingen auch prunkvolle Kandelaber, bronzene Portalgitter und der Marmorfußboden, während ein von dem Bildhauer Georg Wrba geschaffener Bronze-Bär in den Tierpark Friedrichsfelde abgeschoben wurde. Erst 2001 kehrte das Berliner Wappentier wieder an seinen Stammplatz zurück.

Nach Beseitigung der Einbauten aus DDR-Zeiten und der Entfernung von Eisenträgern, Pappen und Spanplatten bei der von dem Architekten Gerhard Spangenberg geleiteten Generalsanierung des Stadthauses zeigte sich, dass die Gesimse und der plastische Schmuck beschädigt, aber nicht beseitigt waren. Sichtbar wurden auch die aus dem Alten Testament entnommenen Sprüche auf den Wandreliefs. Da zum Glück mehr verbrettert als vernichtet wurde, können Besucher wieder die ursprüngliche Feierlichkeit und Würde dieser Räume erleben und sich in Spruchweisheiten wie „Mancher ist arm bei großem Gut, und mancher ist reich bei seiner Armut“ oder „Es ist besser ein Gericht Kraut mit Liebe, denn ein gemästeter Ochse mit Hass“ vertiefen.

Helmut Caspar

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