Wie die Berliner Gerichtslaube nach Babelsberg kam -
Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“ spürt auf die Wanderschaft geschickten Bauten nach



Von Berlin nach Babelsberg gewandert ist die mittelalterliche Gerichtslaube. (Foto: Caspar)

Die mittelalterliche Gerichtslaube im Babelsberger Park stand über Jahrhunderte im Herzen Berlins. Als man dort Mitte des 19. Jahrhunderts das zu klein gewordene alte Rathaus abbrach, um Platz für ein neues, das bekannte Rote Rathaus zu schaffen, wurde das Backsteingewölbe Stein für Stein demontiert und im Babelsberger Schlosspark neu aufgerichtet. Der preußische König und neue deutsche Kaiser Wilhelm I. nahm im April 1871 das steinerne Geschenk mit verbindlichem Dank entgegen.

Mit dem Neuaufbau der Gerichtslaube fanden jahrelange Querelen um ein bemerkenswertes Zeugnis Berliner Architektur- und Kulturgeschichte ein glückliches Ende, wie Uwe Michas in der neuesten Ausgabe der Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“ darlegt. In der Halle fanden im alten Berlin Gerichtsverhandlungen statt. Auf der Straße davor hat man Verbrecher hingerichtet, und an einer Ecke der Gerichtslaube wurden Bösewichter an den Pranger gestellt. Ein gräuliches Mischwesen aus Vogel und Mensch mit Eselsohren, der „Kaak“, bezeichnet die Stelle, wo die angeketteten Delinquenten öffentlichem Spott preisgegeben wurden.

Bis zum Abbruch des alten Berliner Rathauses Mitte des 19. Jahrhunderts, so ist weiter zu erfahren, bildete die Gerichtslaube mit diesem einen recht verschachtelten Gebäudekomplex. Es gab nicht wenige Leute, die sich für den Abriss des ziemlich herunter gekommenen Gerichtssaales aussprachen, während andere seinen Erhalt forderten. Wilhelm I., sonst eher als unromantischer Soldat bekannt, verhinderte die Vernichtung. Die nicht ganz historisch authentische Rekonstruktion der Gerichtslaube erfolgte nach Plänen des Architekten Johann Heinrich Strack. Wer heute durch das Berliner Nikolaiviertel geht, sieht eine Kopie der zur Restaurant umfunktionierten Gerichtslaube, selbstverständlich mit dem „Kaak“ an der Pranger-Ecke. Eine Nachbildung des Innenraums findet man überdies im Märkischen Museum am Köllnischen Park.

Dass Bauwerke gelegentlich abgetragen und an anderen Ort neu aufgebaut werden, kommt vor, und so hatten die Autoren der „Mark Brandenburg“ keine Mühe, weitere Beispiele zu finden. Fachwerkkirchen, Mühlen und selbst riesige Maschinen, die sich im Braunkohletagebau langsam fortbewegen, deuten die Bandbreite des Themas „Wandernde Bauten“ an.

Auf der Pfaueninsel zwischen Berlin und Potsdam erinnert das Danziger Haus an den Geschichtssinn der Hohenzollern und die Frühzeit der Denkmalpflege in Preußen. Als 1823 im damals preußischen Danzig ein Haus mit prächtiger gotischer Fassade abgerissen werden sollte, intervenierte der Oberpräsident Heinrich Theodor von Schön und bot an, die Fassade „aus großen Stein-Stücken“ zur Pfaueninsel transportieren zu lassen, wo sie wiederaufgebaut „einen schönen Eindruck“ machen würde. Gesagt, getan, das Gebäude wurde wieder aufgebaut und als Wohnhaus von Mitgliedern der Königsfamilie und Höflingen genutzt. Lange galt es wegen des ungewöhnlich hohen Turms als erstes Hochhaus Berlins. Als nach 1945 das zerstörte Danzig aufgebaut wurde, hat man dort eine Kopie nach dem Haus auf der Pfaueninsel errichtet, womit es gewissermaßen an den Ursprungsort zurück gewandert ist, wie Gregor Geismeier in seinem lesenswerten Bericht schreibt.

Die Mark Brandenburg Heft 53, 40 S., zahlr. Abb., Marika Großer Verlag, 4 Euro.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Berlin und das Land Brandenburg"