Herrenhaus wurde Bundesrat
Vor einhundert Jahren wurde das kaiserzeitliche Parlamentsgebäude an der Leipziger Straße eröffnet


Hinter einer kaiserzeitlichen Palastarchitektur tagt der Bundesrat.
(Foto: Caspar)


Wann immer der Deutsche Bundestag wichtige, so genannte zustimmungspflichtige Gesetze und Reformpakete beschließt – der Bundesrat muss seinen Segen dazu geben. Da jedoch in beiden Häusern die Mehrheitsverhältnisse unterschiedlich sind, gehen viele Vorlagen in den Vermittlungsausschuss – und werden nach kontroverser Diskussion irgendwann zumeist abgeändert und umformuliert im Gesetzblatt verkündet. Sitz der Vertretung der 16 Bundesländer ist das ehemalige Preußische Herrenhaus an der Leipziger Straße im Herzen Berlins. Die Dreiflügelanlage mit eindrucksvoller Schaufassade hinter einem hohen Metallgitter wurde 1892 bis 1904 nach Plänen des Architekten Friedrich Schulze-Colditz errichtet und war ursprünglich reich mit Gemälden und Skulpturen ausgestattet. Das Haus mit imposantem Ehrenhof erinnert an Adelspaläste aus dem 18. Jahrhundert, die früher an der Berliner Wilhelmstraße standen und bis zum Ende des zweiten Weltkriegs verschiedene Ministerien und Dienststellen der Reichsregierung beherbergten.

Das frühere Herrenhaus wurde vor einhundert Jahren, am 16. Januar 1904, offiziell seiner Bestimmung übergeben und gehört mit dem Berliner Abgeordnetenhaus an der Niederkirchnerstraße (bis 1951 Prinz-Albrecht-Straße) zu einem ausgedehnten Komplex preußischer Parlamentsbauten aus dem späten 19. Jahrhundert. Seit der Revolution von 1848/9 setzte sich der Preußische Landtag aus zwei Kammern zusammen. Zunächst gab es als Zweite Kammer das Abgeordnetenhaus. Es wurde nach dem berüchtigten Dreiklassenwahlrecht bestimmt, das keine wirkliche Volksbeteiligung an der Macht erlaubte und Frauen vom aktiven und passiven Wahlrecht ausschloss. Erste Kammer war das Herrenhaus, dessen Mitglieder Vertreter der Herrscherfamilie sowie solche aus dem Geburts-, Geld- und Geistesadel waren und vom König berufen wurden.

Das ehemalige Herrenhaus hatte wie durch ein Wunder die Bombardierungen Berlins im Zweiten Weltkrieg überstanden, war aber schwer beschädigt worden. In DDR-Zeiten wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zur Mauer nur schwer zugänglich, war ein Hereinkommen nur Mitarbeitern der hier untergebrachten Akademie der Wissenschaften beziehungsweise streng kontrollierten Besuchern möglich. Nach der Wiedervereinigung und dem Beschluss des Deutschen Bundestages sowie der Bundesregierung, nach Berlin umzuziehen, war es nur noch eine Frage der Zeit, dass auch der Bundesrat dem Beispiel folgt. Als Sitz der Länderkammer wurde das frühere Herrenhaus auserkoren. Doch da es Kriegsschäden aufwies und für die Zwecke des Bundesrates ganz ungeeignet war, wurde es für über 200 Millionen DM unter Beachtung der Vorgaben des Denkmalschutzes saniert, restauriert, modernisiert und im September 2000 seiner jetzigen Bestimmung übergeben.

Mit der Generalsanierung des Herrenhauses wurde ein wichtiges Denkmal historischer Parlamentsarchitektur inmitten einer durch viele Kriegslücken geprägten „amtlichen Gegend“ zurück gewonnen. Die von Otto Lessing, einem Nachfahren des Dichters Gotthold Ephraim Lessing, geschaffenen Figuren im Giebeldreieck verherrlichen Recht, Milde und Treue und weisen auf die Bestimmung des Hauses als Erste Kammer der damals zweigeteilten Volksvertretung in Preußen hin. Die Entwürfe des Architekten Peter P. Schweger und seiner Partner sahen vor, die historische Struktur und Ausstattung, sofern überliefert, wiederherzustellen, aber auch neue Räume zu gewinnen. Während die denkmalgeschützte Außenfassade gereinigt und restauriert wurde, konnten viele in der Kriegs- und Nachkriegszeit vernichteten Skulpturen und Gemälde in den Innenräumen, die an Preußens Gloria erinnerten, nicht wiederhergestellt werden. An alte Pracht aus der Kaiserzeit erinnern noch die Wandelhalle im Eingangsbereich und das alte Treppenhaus. Nach Beseitigung von Einbauten und einer Zwischendecke aus der DDR-Zeit wurden die Stuckreste an Wänden und Decken sowie die farbigen Fußböden und Marmorsäulen restauriert und bilden so einen interessanten Kontrast zu den hellen Sitzungs- und Verwaltungsräumen im Design unserer Tage.

Helmut Caspar

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