„Dem deutschen Volke -“
Inschriften an Kirchen und öffentlichen Gebäuden in Berlin


Spottlustige Berliner übersetzten die Inschrift an der Kommode statt mit „Nahrung des Geistes“ mit „Sprit is ooch Nahrung“.

Öffentliche Gebäude und Gotteshäuser in Berlin trugen oder tragen auffällige Bauinschriften, bestehend aus Bibelstellen, Jahreszahlen und Hinweisen auf königliche Stifter. An der Hedwigskirche neben dem Opernhaus beispielsweise heißt es in der deutschen Übersetzung „Dieses Denkmal der Gnade König Friedrichs, der Heiligen Hedwig geweiht, hat Angelo Maria Quirini, Kardinal der Heiligen Römischen Kirche, auf eigene Kosten vollendet“. Eine andere Inschrift verkündet an der Westfront des Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt „Gott zur Ehre der Gemeinde zum Segen unter dem Schutze der Hohenzollern erbaut 1705 erneut (sic) 1905.“ Eine Textzeile in hebräischen Lettern schmückt die Fassade der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße und lautet übersetzt „Tuet auf die Pforten, dass einziehe das gerechte Volk, das bewahret die Treue“ (Jesaia 26,2).

Als Kaiser Wilhelm II. 1894 den Schlußstein für das Berliner Reichstagsgebäude legte, fehlte dem Wallotbau nur noch die Widmung über dem Portal. Öffentliche Gebäude von einigem Rang in Berlin prunkten, antiken Traditionen folgend, mit meist lateinischen Inschriften, um den Bauherren, Zweck des Hauses und seine Entstehungszeit zu feiern. Dem Monarchen gelang es, die Anbringung der Inschrift „Dem Deutschen Volke“ über 20 Jahre lang zu verhindern. „Unliebsame Erörterungen“ in Kauf nehmend, wie es am Hofe hieß, beharrte der Kaiser auf dem Motto „Der Deutschen Einigkeit“. Dem hielten Witzbolde die Variante „Dem deutschen Heere“ entgegen, weil bei der Eröffnung fast nur bunte Uniformen und blitzende Orden gesehen worden waren. Das Thema kam erst wieder im Ersten Weltkrieg (1914-1918) hoch, und jetzt zeigte sich der Kaiser, um Volksnähe bemüht, geneigt, die seinerzeit abgelehnte Inschrift gnädigst zu genehmigen. Generös stiftete der Kaiser zwei Bronzekanonen für den Guß der „jugendstiligen“ Buchstaben. Jeder Besucher des Reichstagsgebäudes, in dem der Deutsche Bundestag zusammenkommt, kann sich an dieser seinerzeit von Peter Behrens entworfenen schönen Bauinschrift erfreuen.


„Dem deutschen Volke“ ist das Reichstagsgebäude, der Sitz des Deutschen Bundestags, gewidmet.

Die längste Bauinschriften Berlins schmückt das Portal des Zeughauses Unter den Linden. Eine achtzeilige Widmung über dem vergoldeten Bildnis des Kurfürsten Friedrich III., ab 1701 König Friedrich „in“ Preußen, verkündet in deutscher Übersetzung: „Für die Gerechtigkeit durch Waffen, für die Abschreckung der Feinde, für den Schutz der eigenen Völker und der Verbündeten hat Friedrich I., König in Preußen, Vater des Vaterlandes, fromm, erhaben, unbesiegt, dieses Zeughaus, das mit aller Art Kriegsgerät sowie mit Kriegsbeute und Trophäen angefüllt ist, vom Fundament her erbauen lassen 1706“. Die ebenfalls – übersetzte - Prachtinschrift an Schinkels Altem Museum „Friedrich Wilhelm III. gründete das Museum für das Studium der Antike in all ihren Formen und der schönen Künste 1828“ nennt eine Jahreszahl, die mit ihren vielen römischen Zahlenbuchstaben zwar sehr dekorativ ausschaut, aber nur einen Zwischenzustand bezeichnet, denn der Säulenbau wurde erst am 3. August 1830, dem 60. Geburtstag des Königs, eröffnet.

Friedrich Wilhelm III. war oder ist auf mehreren Berliner Bauinschriften verewigt. So stand an der Fassade der Humboldt-Universität ursprünglich eine Widmung, die den königlichen Universitätsstifter und das Jahr 1809 nennt, obwohl der Lehrbetrieb erst 1810 aufgenommen wurde, was zur Aufgabe der Alma mater in Frankfurt an der Oder führte, und auch das Schauspielhaus auf dem Gendarmenmarkt lobt den Herrscher, der „das durch den Brand zerstörte Theater nebst seinem Konzertsaal zu würdiger Gestalt 1821 neu erstehen“ ließ. Das Neue Museum, in den nächsten zehn Jahren noch Baustelle, verkündet an der Fassade zum Kupfergraben „Nur der Unwissende haßt die Kunst“, während zur Nationalgalerie „Das vom seligsten Vater gegründete Museum hat der Sohn erweitert 1855“ geschrieben steht. Als Sohn ist König Friedrich Wilhelm IV. gemeint, der schräg gegenüber auf der Freitreppe der Nationalgalerie reitet. Deren Inschrift „Der deutschen Kunst MDCCCLXXI“ führt den Besucher in die Irre, denn in dem Kunsttempel sind natürlich auch zahlreiche Bilder und Skulpturen des 19. und 20. frühen zwanzigsten Jahrhunderts versammelt, die jenseits der Reichsgrenzen geschaffen wurden. Außerdem wurde der Bildertempel erst 1876 eingeweiht.

Die Inschrift „Nutrimentum spiritus“ (Nahrung für den Geist) an der ehemaligen Königlichen Bibliothek am Bebelplatz, wegen der geschwungenen Form auch Kommode genannt, ist gelegentlich von den Berlinern in „Sprit is ooch Nahrung“ verballhornt worden. Die Wiederkehr der Widmung „Fridericus Rex Apollini et Musis“ (König Friedrich Apoll und den Musen) in den achtziger Jahren an die Fassade der Staatsoper hatte politische Gründe, denn unter Honecker war „Preußen“ wieder hoffähig geworden, was auch durch die Aufstellung des Friedrich-Denkmals Unter den Linden kundgetan wurde. In eleganter Kursive liest man am heutigen Amtssitz des Bundespräsidenten BELLEVUE. Die Widmung an der Hochschule der Künste in der Hardenbergstraße läßt sich mit den Worten „Zur Erziehung der Jugend für die Künste“ übersetzen. Eine ebenfalls in Latein abgefaßte Schrift am Theater des Westens in der Kantstraße nennt ausnahmsweise den Architekten, wenn sie verkündet „Dieses Haus gründete für die Pflege der Kunst im Jahr 1896 Bernhard Sehring“.

Bei der ehemaligen Singakademie, dem heutigen Maxim Gorki Theater, muß man genau hinschauen, um eine recht ungewöhnliche Widmung zu finden, denn zwischen den Pilastern sind sechs vergoldete Buchstaben versteckt, die den Namen des Singakademie-Direktors ergeben.

Mit einigem Spürsinn wird man im Berliner Stadtbild weitere Bauinschriften an öffentlichen Gebäuden finden. Nur noch auf alten Fotos sind lange, auf die Ruhmestaten und Bauleistungen der Hohenzollern bezogene Elogen am 1950 abgerissenen Berliner Schloss zu erkennen. Ob sie und auch die vergoldete Schrift auf blauem Grund aus der Apostelgeschichte rund um die Kuppel aus dem 19. Jahrhundert über der Kapelle beim Wiederaufbau des Schlosses berücksichtigt werden, sollte der Hohenzollernbau je wieder erstehen, wird sich zeigen.


Justitia entscheidet ohne Ansehen der Person – Inschrift und Allegorie über dem Portal des Kriminalgerichts in der Turmstraße (Bezirk Tiergarten). Fotos: Caspar

Auch außerhalb Berlins findet man Widmungen, so in lateinischer Sprache am Rheinsberger Schloß „Für Friedrich, wenn er die Ruhe pflegt 1739“ und am Schloß Oranienburg „Diese von Louise, der Prinzessin von Oranien, der besten Mutter, erbaute und durch den Namen ihres Geschlechts ausgezeichnete Schloß hat Kurfürst Friedrich III. zum Gedächtnis der sehr frommem Mutter erweitert, geschmückt und vermehrt 1690“. Das Komma im Motto über Friedrichs Potsdamer Sommerschloß „SANS, SOUCI“ (Ohne Sorge) konnte bisher noch niemand schlüssig erklären.

Helmut Caspar

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