Die Jagd nach dem verlorenen Bilderschatz -
Preußische Schlösserstiftung legt Katalog ihrer geraubten oder zerstörten Gemälde vor



Manches von dem, was Friedrich der Große in seiner Bildergalerie im Park von Sanssouci aufbewahrte, ging in Kriegs- und Nachkriegs-
zeiten verloren. Die Preußische Schlösserstiftung hofft nun, mit Hilfe des neuen Verlustkatalogs das eine oder andere Bild wieder zurückzubekommen. (Foto: Caspar)

Die Schlösser der Hohenzollern waren regelrecht voll gestopft mit Gemälden. Ganze Heerscharen von Aufkäufern schafften schon im 18. Jahrhundert Bilder aus Italien, Frankreich, den Niederlanden und anderen Ländern nach Berlin und Potsdam, und als sich ein beachtlicher Schatz angesammelt hatte, ließ Friedrich der Große im Park von Sanssouci eine Galerie bauen, die, ungewöhnlich für das 18. Jahrhundert, auch für das gemeine Publikum geöffnet wurde, wenn der König nicht da war.

Vieles von dem, was einst die Galerie und einzelne Königsschlösser schmückte, ist nach dem Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee als Kunstbeute in die damalige Sowjetunion geschafft oder schlicht von Soldaten oder Privatleuten gestohlen worden. Das Neue Palais im Park Sanssouci wurde in ein riesiges Kunstdepot verwandelt, von dem aus die Transporte nach Moskau und Leningrad, das heutige Sankt Petersburg, gingen. In den fünfziger Jahren kam ein Teil der Beute, als Freundschaftsgeschenk an die DDR deklariert, zurück. Doch war das bei weitem nicht alles. Rund 3000 Staffelei-, Wand- und Deckenbilder fehlen immer noch der Preußischen Schlösserstiftung, etwa die Hälfte ihres Vorkriegsbestands. Ein Teil dürfte bei Kriegshandlungen und Bombenangriffen zerstört worden sein, wenigstens tausend Gemälde aber werden in Russland und anderen Staaten der früheren Sowjetunion vermutet.

In jahrelanger Recherchearbeit haben die Potsdamer Kunsthistoriker Gerd Bartoschek und Christoph Martin Vogtherr sowie weitere Spezialisten einen Katalog der Gemäldeverluste erarbeitet. Als Grundlage dienten den „Jägern nach dem verlorenen Bilderschatz“ ältere Bestandsverzeichnisse sowie Publikationen über die Preußenschlösser und Transportlisten aus der Kriegs- und Nachkriegszeit. Hilfreich waren auch alte Hängepläne und Ansichten von Schlossräumen, auf denen man manche Bilder schemenhaft erkennen kann. Überdies enthält das Fotoarchiv der Schlösserstiftung wichtige Informationen, und nicht zuletzt wurden bei der Recherche Erinnerungen an die „Stunde Null“, also die Zeit der Besetzung der Schlösser durch die Rote Armee nach dem Ende des Deutschen Reiches, genutzt.

Die lange erwartete Dokumentation erschien im Eigenverlag der Schlösserstiftung, ein Monumentalwerk von 728 Seiten mit zahlreichen Abbildungen zum Preis von 49 Euro, das sowohl als wissenschaftlicher Katalog als auch als Suchliste gute Dienste tun wird, wie der Generaldirektor der Schlösserstiftung Hartmut Dorgerloh bei der Buchvorstellung im Schloss Charlottenhof erklärte. „Der neue Verlustkatalog wird eine gute Handhabe sein, um auf dem internationalen Kunstmarkt gezielt nach Bildern aus königlich-preußischen Schlössern zu fahnden. Bestimmt für Museen, Kunst- und Antiquitätensammler, die Justiz, die Medien und andere Interessenten, bekräftigt der Verlustkatalog nicht nur unsere Ansprüche, sondern soll auch dem Versickern der gesuchten Objekte in den grauen Kunstmarkt einen Riegel vorschieben. Wollen wir hoffen, dass das eine oder andere Bild wieder auftaucht und eine zweite Auflage dann schon weniger umfangreich ist“, erklärte Dorgerloh. Er beschrieb das Erscheinen des Buches als freudiges, aber zugleich auch ernüchterndes und deprimierendes Ereignis angesichts der hohen Verluste, die allein im Bereich der Gemälde zu verzeichnen sind.

Mit dem Katalog liege nun ein wichtiges Grundlagenwerk für Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation beziehungsweise den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion und mit Polen vor, unterstrich gestern die brandenburgische Kulturministerin Johanna Wanka. Sie hofft auf eine „Welle der Wiederauffindung“ und erwartet das gleiche von weiteren Publikationen dieser Art. Angekündigt ist ein Band über die Verluste bei den Pastellen und Miniaturen, und schon 2005 will die Schlösserstiftung eine umfangreiche Publikation über die Kriegs- und Nachkriegsverluste im Bereich des Kunsthandwerks, beim Porzellan, den Silbersachen und Möbeln heraus bringen.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Berlin und das Land Brandenburg"