Der König und sein Architekt
Vor 250 starb Hans Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff

Dem Architekten Hans Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff war nicht an der Wiege gesungen worden, dass er einmal als „Surintendant aller Kgl. Schlösser, Häuser und Gärten wie auch Directeur en chef aller immediaten Bauten in denen sämtlichen Provinzen“ und Geheimer Finanz-, Kriegs- und Domänenrat enger Mitarbeiter eines preußischen Königs werden würde. Denn dem am 17. Februar 1699 auf dem Gut Kuckädel (heute Kukadlo) bei Crossen an der Oder geborenen Gutsbesitzerssohn war, wie damals üblich, eine militärische Laufbahn vorbestimmt. Doch fühlte sich der junge Knobelsdorff zum Maler berufen, für seine Kreise ein ungewöhnlicher Berufswunsch. Bereits 1729 nahm Hauptmann von Knobelsdorff aus „Gesundheitsgründen“ seinen Abschied, um sich seinen künstlerischen Neigungen hinzugeben. Bestimmend für sein weiteres Leben war das Zusammentreffen mit dem Kronprinzen Friedrich, dem späteren König Friedrich II. Es entspann sich eine enge Freundschaft und Arbeitsbeziehung. Der 13 Jahre jüngere Thronfolger förderte Knobelsdorffs künstlerische Talente und schickte ihn nach Sachsen, Frankreich, Italien und Holland zu Studienreisen. Zu Hause nahm Knobelsdorff bei den Hofmalern Pesne und Weidemann sowie den Architekten Kemmeter und Wangenheim Unterricht.

Nachdem sich in den frühen dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts Kronprinz Friedrichs Situation gegenüber seinem Vater gebessert hatte, konnte er sich erst in Neuruppin und dann in Rheinsberg einen kleinen Hofstaat halten. Knobelsdorff avancierte zum künstlerischen Berater und verdiente als Architekt seine ersten Sporen. Unter Knobelsdorffs Leitung wurden das Rheinsberger Schloss umgebaut und der Schlossparks neu gestaltet. Ausserdem zeichnete der Baumeister Pläne zum Wiederaufbau der 1740 abgebrannten Stadt Rheinsberg.

Noch vor Friedrichs Thronbesteigung entstanden Pläne für das monumentale Forum Fridericianum in Berlin mit neuem Residenzschloss (aus dem das Prinz-Heinrich-Palais, die heutige Humboldt-Universität, wurde), Akademie der Künste, Oper und Bibliothek. Knobelsdorff besorgte den Umbau der königlichen Schlösser und Gärten Monbijou, Charlottenburg und Potsdam. Er schuf goldstrotzende Festsäle und königliche Appartements und fügte dem Charlottenburger Schloss den Neuen Flügel und dem Potsdamer Stadtschloss den Marstall an, der mit diesem durch die „Ringerkolonnade“ verbunden wurde.

Mit der Königlichen Oper schuf Knobelsdorff von 1740 bis 1743 am Forum Fridericianum seinen ersten repräsentativen eigenen Bau, der später immer wieder umgestaltet und erweitert wurde und heute ein Pflegefall ist. Im Berliner und Potsdamer Stadtschloss stattete der 1742 zum Ehrenmitglied der Akademie der Künste und der Wissenschaften ernannte Knobelsdorff nach „neuestem Geschmack“ Wohnungen für den jungen König aus, der wegen seiner Kriegszüge oft außer Landes war und per Brief zur Eile drängte.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere ereilte den viel beschäftigten Knobelsdorff, der ständig plante und zeichnete, aber anderen die praktische Ausführung überließ, königliche Ungnade. „Er executiret nichts, wie Ich es haben will, und ist faul wie ein Artilleriepferd“, warf der erboste König seinem Mitarbeiter 1742 vor. Bei dem wohl populärsten Bauwerk Friedrichs des Großen, dem ab 1744 errichteten Potsdamer Schloss Sanssouci, kam es zu einem Zerwürfnis mit dem Bauherren, der sich nicht nur als großer Feldherr fühlte, sondern selbstverständlich im Bauwesen durchsetzte, was er für gut und schön hielt. Während Knobelsdorff einen unterkellerten Bau mit Untergeschoß am Rande der Weinbergs-Plattform plante, beharrte der König auf einer um etliche Meter zurückgesetzten Anlage mit einer Etage und überkuppeltem Mittelteil.

Selbstverständlich setzte sich der König durch. Als Sanssouci am 1. Mai 1747 eingeweiht wurde, war Knobelsdorff von seinen Ämtern suspendiert. Offiziell wurden gesundheitliche Probleme, die es auch wirklich gab, als Grund angegeben. Der König und sein Architekt gingen auf Distanz, einen absoluten Bruch gab es nicht, sonst wäre der Freiherr nicht weiter mit Bauten für den König beschäftigt worden.

In seinen letzten, von Krankheit überschatteten Lebensjahren musste Knobelsdorff zusehen, wie andere Architekten seine Pläne „nach Angaben des Königs“ modifizierten und ausführten. Versuche des Monarchen, Knobelsdorff an seine Potsdamer Tafelrunde zu holen, scheiterten an der Halsstarrigkeit dessen, der sich über Eingriffe in seine Arbeit ärgerte. Im Park Sanssouci wurde Knobelsdorff dennoch für den Bau der Orangerie, dem Vorläufer der Neuen Kammern, das Obeliskportal, die Neptungrotte und andere Bauten herangezogen, und auch in der Stadt Potsdam blieb er tätig.

Viele Bauten in Potsdam und Berlin gingen durch Bomben und Abrisse nach dem Zweiten Weltkrieg verloren, allen voran das Berliner Schloss und das Potsdamer Stadtschloss. In Berlin stehen, vielfach verändert und im Inneren vereinfacht, die Staatsoper, die Hedwigskathedrale, die Humboldt-Universität, das Magnushaus am Kupfergraben, das Schloss Charlottenburg und andere „aus Ruinen“ wiedergewonnene Bauten, während Schloss und Park in Rheinsberg weitgehend original erhalten sind.

Dass Knobelsdorff seiner Zeit voraus war, zeigt die Heirat mit einem Mädchen bürgerlichen Standes, der Tochter des Kastellans von Schloss Charlottenburg. Die adelsstolze Hofgesellschaft fühlte sich brüskiert. Der Skandal mag neben der beruflich begründeten Abkehr des Königs zu Knobelsdorffs Isolierung beigetragen haben. Als der Künstler seine Kräfte schwinden fühlte, schrieb er dem Herrscher am 7. September 1753 „in einer Pause meiner Schmerzen“ mit dem Gefühl von Dankbarkeit „für all die Güte und all die Wohlthaten, mit welchen mich Eure Majestät während meines Lebens überhäuft haben“. Er bat den König, die aus nichtstandesgemäßer Ehe hervorgegangenen Töchter als rechtmäßige Erben zu bestätigen. Dem kam Friedrich II. nach, allerdings mit der für ihn charakteristischen Einschränkung, dass er den Adelstitel auf Knobelsdorffs Nachkommen nicht übertrug.

Als der Architekt vor 250 Jahren, am 16. September 1753, in Berlin starb und in der Deutschen Kirche am Gendarmenmarkt bestattet wurde, ließ der König in der Akademie der Wissenschaften eine Gedächtnisrede verlesen, die das Konfliktpotential beiden andeutet. „Die Aufrichtigkeit und Redlichkeit von Herrn von Knobelsdorffs Charakter machte ihn allgemein geschätzt; er liebte die Wahrheit… Er ging allem aus dem Wege, was seine Freiheit beschränken konnte“. Es bleibt Spekulation, was König und Architekt zu Stande gebracht hätten, wäre es nicht zum Bruch gekommen. Da jeder ein Sonderling war und unbeirrt seinen Weg beschritt, musste es zum Bruch kommen. Als es zu spät war, blieb dem König nur noch das ehrliche Bedauern, einen Freund und Mentor verloren zu haben.

Helmut Caspar

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