Marienfelde sucht Zeitzeugen -
Neue Ausstellung schildert Leben im Berliner Notaufnahmelager am Beispiel persönlicher Schicksale



Das Notaufnahmelager Marienfelde wurde vor 51 Jahren eröffnet.
1,3 Millionen Menschen durchliefen hier ein auch im Museum dokumentiertes Anerkennungsverfahren.




Wegweiser wie dieser zum Arzt wurden in den fünfziger Jahren noch mit der Hand geschrieben und gehören jetzt zur Ausstellung in der Gedenkstätte. (Fotos: Caspar)

Die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde bereitet für das kommende Jahr die Erweiterung ihrer Ausstellung zur deutsch-deutschen Fluchtbewegung vor. Dafür werden Dokumente, Bilder und Sachzeugen sowie Tagebuchaufzeichnungen und persönliche Erinnerungen von Menschen gesucht, die vor und nach dem Mauerbau (1961) in den Westen geflüchtet waren oder von den DDR-Behörden abgeschoben wurden und in Marienfelde ihre ersten Tage in Freiheit verlebten.

Wie Ausstellungsleiter Helge Heidemeyer erklärt, genüge die bisherige Ausstellung auf dem 1953 für Flüchtlinge aus der DDR erbauten Gelände heutigen Ansprüchen nicht mehr. Die auch mit audiovisuellen Medien ausgestattete neue Dokumentation soll viel plastischer persönliche Schicksale dokumentieren und auch deutlicher zeigen, mit welchen Erwartungen die Flüchtlinge in den freien Teil Berlins kamen. „Zwar finden sich in unserer eigenen Sammlung zahlreiche interessante Schriftstücke und Objekte, die sehr anschaulich das Aufnahmeverfahren für insgesamt 1,3 Millionen Menschen in Marienfelde dokumentieren. Doch reicht das eigentlich noch nicht aus. Es wäre wunderbar, wenn wir auch jene Gegenstände zeigen könnten, die für Flüchtlinge damals so wichtig waren, dass sie sie auf ihrem oft abenteuerlichem Weg in die Freiheit mitnahmen. Das kann eine Tasse, ein Bild, ein Lieblingsbuch, ein Kleidungsstück oder auch ein Spielzeug sein. Die Ängste und Hoffnungen, die mit dem Grenzübertritt verbunden waren, lassen sich aus den kilometerlangen Akten nicht herauslesen, die in Marienfelde angelegt wurden, sondern können nur aus Schilderungen der Betroffenen rekonstruiert werden“, umreißt der Historiker das Anliegen der Ausstellung. Viele Leute, die sich damals in die Warteschlangen stellten, kämen immer wieder mit neuem, für die Forschung und die Ausstellungsgestaltung interessanten Informationen. „Vielleicht melden sich noch weitere Zeitzeugen, die unsere Kenntnisse durch neue Einsichten in das Lagerleben bereichern“. Da die Finanzierung des Projekts durch den Bund, der Marienfelde als Gedenkstätte von gesamtstaatlicher Bedeutung eingestuft hat, ist noch nicht ganz gesichert, hofft Heidemeyer auf private Spenden.

Die neue Ausstellung wird im Eingangsbereich der heutigen Zentralen Aufnahmestelle des Landes Berlin für Aussiedler (ZAB) eingerichtet. Dabei ist es nicht nötig, den Bau aus den frühen fünfziger Jahren mit seinen weiß gestrichenen Warteräumen und Büros wesentlich zu verändern. Von der alten in die neue Ausstellung wird eine original eingerichtete Wohnung mit Doppelstockbetten sowie einfacher Bad- und Küchenausstattung übernommen. Auch wird man einen Blick in die Büros tun können, in denen die Flüchtlinge einer intensiven Befragung durch westalliierte Geheimdienste und deutsche Behörden unterzogen wurden, bevor ihrem Notaufnahmeverfahren mit Stempel und Unterschrift zugestimmt wurde. Wie viele davon benutzt wurden, zeigt die bisherige Ausstellung am Beispiel eines randvoll mit diesen Utensilien gefüllten Waschkorbes. Plakate und Schilder, die Historiker aus verstaubten Kellern ans Tageslicht gebracht haben, klären über Abläufe des Aufnahmeverfahrens auf und warnen vor Spitzeln des MfS und Menschenraub.

Die Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde, Marienfelder Allee 66-80, 12277 Berlin, ist Mittwoch bis Sonntag von 12 bis 17 Uhr geöffnet, Eintritt frei. Anfragen zur Sammlung und zur neuen Ausstellung Tel. 030/90173325, Informationen im Internet unter www.enm-berlin.de.

Helmut Caspar

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