Feierliche Heimkehr der heiligen Lehrer -
Erstes restauriertes Fenster wurde in die Frankfurter Marienkirche eingebaut und kann jetzt besichtigt werden



Restauratoren brachten die Frankfurter Glasfenster wieder zum Leuchten - hier die Geburt des Antichrist aus dem Antichrist-Fenster. (Foto aus dem unten erwähnten Buch "Der gläserne Schatz")

Frankfurt (Oder). Man nannte sie im Mittelalter heilige Lehrer - jene farbenfreudigen Glasfenster in Kirchen und Klöstern, die den Gläubigen Szenen aus der Bibel sowie Legenden von Märtyrern nahe brachten. Solche Unterweisung war nötig, denn die wenigsten Menschen konnten damals lesen und schreiben und verstanden auch nicht die lateinische Sprache, die im Gottesdienst verwendet wurde. Sonnenstrahlen, die durch die Bleiverglasungen fielen, tauchten die Räume in ein mystisches Licht und werteten sie auf. Die Gemeinden und einzelne Stifter ließen sich die Fertigung der Fenster viel Geld kosten. In nachmittelalterlicher Zeit hat man unzählige Fenster aus religiösen Gründen oder weil sie nicht mehr „à la mode“ waren zerstört. Was übrig blieb, wurde erst im 19. und 20. Jahrhundert als wertvoll und erhaltenswert erkannt und ist seither Gegenstand intensiver Forschungen. Dafür steht in Potsdam eine Arbeitsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften zur Verfügung.

Von alledem war Ende Mai bei einem großen Stadtfest rund um die Marienkirche in Frankfurt (Oder) immer wieder die Rede. Unter Glockengeläut wurde im Beisein von Landespolitikern und Kirchenvertretern das erste restaurierte Bleiglasfenster der Öffentlichkeit übergeben. Elf Meter hoch, füllt das so genannte Christusfenster eine bisher leere Stelle im Chor von Sankt Marien. Nach über 60 Jahren kann man jetzt die Glasmalerei in ihrer ganzen Schönheit bewundern, eine farbenprächtige Arbeit aus dem 14. Jahrhundert, deren Wiederherstellung und Einbau 215 000 Euro gekostet hat. Die aus Bonn stammende Restauratorin Gerlinde Möhrle und ihre Kolleginnen haben verdunkelte Partien aufgehellt und durch Auftrag von Spezialwachs dafür gesorgt, dass die Scheiben ihre Leuchtkraft bewahren. Wo Glas zerbrochen war, wurde es vorsichtig gekittet, und manchmal wurden auch neue Bleistege eingezogen. Sehr diffizil war die Befestigung des Schwarzlots. Erst die von den alten Meistern mit dem Pinsel aufgetragenen schwarzen bis grauen Striche und Schattierungen machen aus den durch Bleistege verbundenen Glasstücken die von uns so bewunderte Malerei. Wo es die Markierungen der Gesichter, Hände, Kleider oder auch Ornamente nicht mehr gibt, wird auch nichts neu erfunden. Damit die 116 Scheiben, aus denen die drei Kirchenfenster gebildet werden, keinen Schaden nehmen etwa durch Feuchtigkeit und Frost, aber auch durch Steinwürfe, bekommen sie eine vom Betrachter kaum wahrnehmbare Schutzverglasung, die auch der Bildung von Kondenswasser und Ablagerungen vorbeugt.

Als nächstes wird nach Angaben von Frankfurts Oberbürgermeister Martin Patzelt das so genannte Antichrist-Fenster in den Kirchenchor eingefügt. Ganz zum Schluss kommt das Schöpfungsfenster dran, und wenn alles nach Plan geht, hat Sankt Marien in zwei Jahren seine gläserne Bilderbibel wieder zurück. Insgesamt betragen die Kosten für Restaurierung und Einbau der Fenster sowie Arbeiten im Chorbereich 3,1 Millionen Euro. Diese Summe setzt sich aus Bundes- und Landesmitteln sowie aus kommunalen Zuschüssen und Spenden aus der Bevölkerung zusammen. Beteiligt sind auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und die Ostdeutsche Sparkassenstiftung. Letztere legt zu jedem Spenden-Euro zwei weitere dazu. Spenden lohnt sich also.

Die während des Zweiten Weltkriegs ausgebauten Marienfenster waren 1945 von der Roten Armee als Beutekunst requiriert und nach Sankt Petersburg mitgenommen worden. Der Rückführung gingen zähe Verhandlungen mit der russischen Regierung voran, die im Juni 2002 zum Erfolg führten. Die Einlagerung in der Eremitage unter quasi musealen Bedingungen hat den Fenstern offenbar nicht geschadet. Sie blieben über 60 Jahre von Einflüssen verschont, ein Vorzug, den mittelalterliche Glasfenster anderer Kirchen nicht genießen, weil sie täglich Wind und Wetter und aggressiven Umweltbedingungen ausgesetzt sind.

Die Marienkirche in Frankfurt (Oder), die zur Zeit noch eine große Baustelle mit einigen Baugerüsten darin ist, kann Montag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr, Sonnabend und Sonntag von 13 bis 17 Uhr besichtigt werden. Unter dem Titel „Der gläserne Schatz“ wurde im Verlag Das Neue Berlin ein Buch veröffentlicht, das die Geschichte und Aussage, die Odyssee, Heimkehr und Restaurierung der Frankfurter Marienfenster schildert und auch jedes Feld vorstellt (19,90 Euro, 188. Abb., über 200 farbige Abb., ISBN 3-360-01265-8).

Helmut Caspar

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