Was von der Berliner Mauer geblieben ist
Unesco-Listenplatz für todbringenden Betonwall
hat wenig Chancen

Die provokative Drohung des damaligen SED-Chefs und Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker Anfang 1989, die Mauer werde noch in fünfzig oder hundert Jahren stehen, war einer der Nägel für den Sarg der DDR. Nach wenigen Monaten war der streng bewachte Todeswall verschwunden. Nur wenig davon ist im Stadtbild erhalten, und das soll nun Weltkulturerbe werden. Nach neuesten Zählungen starben mindestens 178 Menschen an der Berliner Mauer, die auf einer Länge von 165 Kilometern die Stadt trennte und West-Berlin vom Umland abschnürte. Über tausend Tote sind entlang der deutsch-deutschen Grenze zu beklagen.

Abweichend von der Anfang der neunziger Jahre vorherrschenden Auffassung, sich möglichst rasch und umfassend vom schweren Erbe der Teilung zu trennen, steht heute fest, dass die noch vorhandenen Reste der Mauer ein wichtiges Zeugnis der jüngsten deutschen Geschichte darstellen und unbedingt erhalten werden sollten. Die Mauerelemente werden, wenn nicht schon geschehen, in die Berliner Denkmalliste eingetragen und sollen so weit wie möglich in die städtebauliche Entwicklung integriert werden.

Ob der Vorschlag des Cottbuser Archäologen und Gutachters für die Berliner Stadtentwicklungsverwaltung, Leo Schmidt, die Überbleibsel der Mauer auf die Unesco-Liste des Weltkulturerbes zu setzen, eine Chance hat, wird von Fachleuten als „sehr fraglich“ beurteilt. Wenn überhaupt, werde das Aufnahmeverfahren Jahre beanspruchen. Berlin sei mit einem Listenplatz für die Museumsinsel „gut versorgt“, und ausserdem müssten andere Anträge, die schon länger vorliegen, erst einmal bei der Unesco durchgebracht werden.

Gleich nach deren Öffnung am 9. November 1989 wurden die Betonsegmente, Wachtürme, Meldevorrichtungen und Schussfelder beseitigt. Viele Betonteile stehen, wenn sie nicht gleich von Mauerspechten mit Hammer und Meißel zu Souvenirzwecken zerstückelt wurden, als stumme Zeugen einer menschenverachtenden Diktatur in Museen und Botschaftsgärten. Das längste Mauerstück ist entlang der der Spree im Bezirk Friedrichshain erhalten. Die ab 1990 immer wieder neu bemalte (und leider auch beschmierte) East Side Gallery hat internationale Berühmtheit erlangt. Das Dokumentationszentrum Berliner Mauer in der Bernauer Straße klärt am Beispiel eines dort erhalten gebliebenen Todesstreifens zwischen meterhohen Betonwänden über die schrecklichen Folgen jener Selbstabriegelung am 13. August 1961 auf.

Auf der Unesco-Liste des Weltkultur- und Naturerbes der Welt sind über 750 historische Städte, Ensembles und archäologische Fundstätten sowie Nationalparke und andere Naturdenkmäler in fast 150 Staaten auf allen Kontinenten vermerkt. Die Aufnahme bedeutet die Übernahme von Verpflichtungen zum pfleglichen Umgang mit den Welterbestätten und erheblichen Prestigezuwachs für die einzelnen Staaten, Regionen und Kommunen. Bei den Überlegungen, die Berliner Mauer auf die Welterbeliste zu setzen, spielt daher auch eine Rolle, dass Abrisse und Veränderungen nicht mehr erlaubt sind und das Land Berlin sich um den Erhalt der Betonsegmente, Türme und was sonst noch steht intensiver kümmern muss als es bisher geschieht.

Unter besonderem Schutz

Aus dem Listenplatz ergibt sich kein Anspruch auf finanzielle Hilfen, wenigstens nicht von der Unesco. Nur in Notfällen entsendet die Organisation Experten zur Rettung gefährdeter Bau- und Naturdenkmäler. Solche Hilfe wurde in letzter Zeit Afghanistan und dem Irak gewährt, wo bedeutende Kunstwerke und Fundstätten durch Kriegshandlungen und Vandalismus zerstört wurden. Deutsche Welterbestätten sind unter anderem die Kaiserpfalz und der Dom in Aachen, der Dom zu Speyer, die Würzburger Residenz, die Wallfahrtskirche auf der Wies, die Schlösser Augustusburg und Falkenlust in Brühl, der Dom und die Michaeliskirche in Hildesheim, das römische Trier, die Altstadt von Lübeck, die preußischen Schlösser und Gärten in und um Potsdam sowie die Abtei von Lorsch, die Altstadt und das Bergwerk Rammelsberg in Goslar- Dazu kommen die Altstadt von Bamberg als größter unversehrt erhaltener Stadtkern in Deutschland, die Zisterzienserabtei von Maulbronn sowie die Stiftskirche, Burg und Altstadt von Quedlinburg. Einen Listenplatz haben auch die Eisenhütte in Völklingen, die Grube Messel mit ihren ungewöhnlich gut erhaltenen Fossilienfunden, der Kölner Dom, das Bauhaus in Dessau und Weimar, die Lutherstätten in Wittenberg und Eisleben, die Wartburg bei Eisenach, ferner das Dessau-Wörlitzer Gartenreich, die Klosterinsel Reichenau im Bodensee, die Zeche und Kokerei "Zollverein" in Essen sowie die Kulturlandschaft Mittelrhein und die historischen Zentren der Hansestädte Stralsund und Wismar.

All diese Stätten befinden sich in allerbester Gesellschaft unter anderem mit der Chinesischen Mauer, einer Reihe ägyptischer Pyramiden und Tempel, dem Schloss von Versailles, der Akropolis in Athen, dem Tower in London, dem indischen Taj Mahal, der Altstadt von Florenz. Aufgenommen in die Unesco-Liste sind auch Hiroshima mit dem, was vom Atombombenabwurf übrig geblieben ist, sowie das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau (Polen) und der Kreml und Rote Platz in Moskau. In verschiedenen Ländern stehen große Naturreservate, Wasserfälle, Riffe und andere Naturschätze unter dem besonderen Schutz der Unesco. Der ist zwar gut fürs Image und für die Tourismuswerbung, verhindert aber häufig nicht touristische Zernutzung, weshalb es zu den Pflichten der internationalen Kulturorganisation gehört, die Regierungen auf Gefahren und Verluste aufmerksam zu machen.

Helmut Caspar

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