Auferstanden wie Phoenix aus der Asche -
Ausstellung über den Berliner Altertumskundler und Wissenschaftsorganisator Theodor Mommsen



Im Ehrenhof der Humboldt-Universität erinnert ein Marmordenkmal aus dem Jahr 1909 an Theodor Mommsen. (Foto: Caspar)

Am 12. Juli 1880 ereilte den berühmten Rechtshistoriker und Altertumskundler Theodor Mommsen (1817-1903) ein schreckliches Unglück. In seinem Haus an der Marchstraße in der damals noch selbstständigen Stadt Charlottenburg, nicht weit vom heutigen Ernst-Reuter-Platz, brannte es. Arbeiter der nahe gelegenen Königlichen Porzellanmanufaktur alarmierten die Feuerwehr. Mommsen und seine Familie wurden aus den Betten geholt und nahmen keinen Schaden. Der Gelehrte konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, in das brennende Haus zu stürzen, um Manuskripte und Bücher zu retten. Am nächsten Tag fischten Studenten das eine oder andere angekohlte und durch Löschwasser ruinierte Papier aus den Trümmern. 40 000 Bücher waren dahin. „Nie habe ich dieses Bild der Verzweiflung vergessen“, schrieb Mommsens Tochter Adelheid über ihren Vater.

Der Brand, von dem man munkelte, er sei vom Hausherrn aus Unachtsamkeit vielleicht selbst verschuldet worden, löste eine Hilfsaktion ohnegleichen aus. Solidaritätsbekundungen und Spenden aus allen Himmelsrichtungen trafen bei dem 63-Jährigen ein, halfen, seine Bücherschätze einigermaßen zu rekonstruieren und seine Stimmung aufzuhellen. Nicht ersetzt werden konnten die vielen Aufzeichnungen und Zettelkästen, aber auch einmalige Handschriften, an denen der Gelehrte gerade gearbeitet hatte. Die Heidelberger Universitätsbibliothek, die ein etwa tausend Jahre altes Manuskript, die Jordanes-Handschrift über die Geschichte der Goten, verloren hatte, verzichtete generös auf Schadensersatz.

Näheres über jene Brandkatastrophe, die bei Theodor Mommsen offenbar keine bleibenden Schäden hinterließ, sondern ihn eher in seinem Arbeitseifer und Selbstbehauptungswillen bestärkte, schildert eine bis 21. Dezember laufende Ausstellung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften im vorderen Teil der Staatsbibliothek Unter den Linden 8 in Berlin-Mitte. Der Titel der Dokumentation „Phoenix aus der Asche – Theodor Mommsen und die Monumenta Germaniae Historica“ weist auf den sagenhaften Vogel, der auf dem Scheiterhaufen verbrannte und wie durch ein Wunder mit neuen Kräften aufstand und so zum Symbol für Verjüngung und Wiedergeburt wurde. Gezeigt werden Bücher und Manuskripte, Briefe, alte Fotos und natürlich auch ein paar von den angekohlten Blättern, die jenen Brand überstanden haben. Es macht Spaß, sich in die Schrift des nimmermüden Gelehrten zu vertiefen und zu sehen, wie er Druckfahnen korrigierte und seine Ideen für die Verbesserung des Wissenschaftsbetriebs in Denkschriften und Statuten formulierte. Die Schau verdeutlicht die Bandbreite der Interessen des Historikers und liberalen Politikers, der sich sogar mit Reichskanzler Otto von Bismarck anlegte und wie ein Löwe darum kämpfte, dass den Geisteswissenschaften die ihnen auch durch staatliche Zuwendungen untermauerte Anerkennung zuteil wird.

Die Ausstellung zeigt in ihrem zweiten Teil, wie Mommsen die Edition der schriftlichen Quellen zur deutschen Geschichte von der Spätantike bis zum Beginn der Neuzeit reorganisierte. Er erschloss mit diesem Unternehmen der Geschichtswissenschaft, beispielhaft für andere Länder, eine Fülle von Informationen, auf die spätere Historikergenerationen aufbauten. Über 200 Bände der „Monumenta“ sind bisher erschienen, und ein Ende ist nicht abzusehen. „Mommsen hat einen erheblichen Teil seiner Arbeitskraft den Monumenta Germaniae Historica (MGH) gewidmet und brachte die Editionskunst zu neuer Blüte. Wie er ohne Computer und Kopiergeräte, aber ausgestattet mit einem glänzenden Verstand und besten Sprachkenntnissen nachantike Quellenbestände erschloss, wollen wir mit dieser Ausstellung unseren Besuchern nahebringen “, sagt Michael Manzel, Leiter der Berliner MGH-Arbeitsstelle. Mommsens ganzes Leben sei angefüllt mit unermüdlicher publizistischer und Forschungsarbeit gewesen, mit Korrespondenzen in alle Welt, aber auch mit politischem Engagement und Redeschlachten im Reichstag - und, auch das darf auch nicht vergessen werden, mit der Pflege gutbürgerlicher Häuslichkeit. Denn die habe der Vater von 16 Kindern gebraucht, um sich selbst in hohem Alter Schaffenskraft und Ideenreichtum zu erhalten.

Was in der sehenswerten Schau nicht erwähnt wird, verriet in einem Vortrag Alexander Demandt, Professor für Alte Geschichte an der FU Berlin: Die Verleihung des Literaturnobelpreises 1902 an Theodor Mommsen kam unter recht merkwürdigen Umständen zustande. Preisstifter Alfred Nobel hatte bestimmt, dass zeitgenössische Autoren für aktuelle literarische Werke ausgezeichnet werden sollen, die zum friedlichen Miteinander der Staaten beitragen. Mommsens auch sprachlich auspruchsvolle „Römische Geschichte“ aber, die beim Vorschlag der Berliner Gelehrtenwelt an die schwedischen Akademie eine große Rolle gespielt hatte, war schon ein halbes Jahrhundert alt. „Man trickste bei der Begründung ein wenig und verwies auf aktuelle Auflagen, und so wurde Mommsen Preisträger und nicht August Strindberg, Leo Tolstoi, Anatol France oder Hendrik Ibsen. Vermutlich war der Preis auch eine Hommage der Schweden an die Berliner Wissenschaft insgesamt, die vor hundert Jahren ihre höchste Blüte erreichte“.

Die Ausstellung, mit der auch ein wunderschöner Raum aus der Kaiserzeit der Öffentlichkeit erschlossen wird, ist montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.

Helmut Caspar

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