Morastiger Grund, schlechtes Material -
Mit ihren Plänen, Berlin durch hohe Türme zu verschönen, hatten die Hohenzollern im 18. Jahrhundert wenig Glück


Mit dem Münzturmprojekt hatte Andreas Schlüter nur Pech.
Hier der zweite Entwurf von 1705 für den Bau, der ein Jahr später eingestellt werden musste und Schlüter königliche Ungnade eintrug.
(Repro: Caspar)

Die neue königlich-preußische Residenzstadt Berlin hatte vor 300 Jahren noch einen recht bescheidenen Zuschnitt. Ausser dem Schloss, das König Friedrich I. „in“ Preußen von Andreas Schlüter und anderen Architekten auf das Prunkvollste ausbauen ließ, sowie dem neu erbauten Zeughaus und einigen barocken Adelspalästen standen in der Doppelstadt Berlin-Cölln zumeist nur ein- und zweistöckige Häuser. Leute von Rang und Stand wurden vom Monarchen angehalten, repräsentative Wohnbauten zu errichten. Der Ausbau der Residenz ging einher mit der Anlage von Vorstädten, die nach Mitgliedern des Hauses Hohenzollern benannt wurden, sowie dem Abriss des erst nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) errichteten Festungsgürtels. Man hatte erkannt, dass solche Bastionen militärisch keinen Sinn haben und der Entwicklung der Stadt hinderlich sind. Zu ihrem Glück fehlten der aufstrebenden königlichen Residenz nur noch repräsentative Türme. Die vorhandenen Kirchtürme reichten nicht aus. Der Bau von neuen Höhendominanten war von Pleiten, Pech und Pannen begleitet. Planungsfehler, morastiger Baugrund und billiges Material machten die hochfliegenden und auch kostspieligen Projekte zunichte.

Mit dem Plan, dem in einen prächtigen barocken Palast verwandelten ehemaligen Renaissance-Schloss an der Spree einen großen, weit sichtbaren Glockenturm anzufügen, sind König Friedrich I. und sein Schlossbaumeister Andreas Schlüter (um 1659-1714) grandios gescheitert. Eigentlich war Schlüter Bildhauer, doch was der bauwütige Monarch von ihm verlangte, nämlich einen Turm an der nordwestlichen Ecke des Schlosses „zum Schmucke der Stadt und zu öffentlichem Nutzen“ zu errichten, wie Schlüter 1702 schrieb, überstieg offenbar seine Fähigkeiten. Das schlanke Ausrufezeichen sollte an Stelle der früheren Wasserkunst zur Versorgung der Brunnen und Fontänen im Lustgarten errichtet werden. Da hier auch eine Münzwerkstatt untergebracht war, hieß der aus der Renaissance stammende, recht kompakte Bau auch Münzturm.

Friedrich I. wollte in dem neuen Münzturm ein Glockenspiel einbauen, ausserdem sollten von ihm aus die Wasserspiele auf dem Lustgarten unterhalten werden. Als Schlüter seinen aufwändig gestalteten Münzturm bis zur Höhe von 70 Metern aufgeführt hatte, brach er in sich zusammen. Der König war wütend. Er ließ nicht den Einwand gelten, dass die Planungen gut, aber das Erdreich instabil ist, ein Umstand, der übrigens auch andere Bauprojekte bis auf den heutigen Tag in der Innenstadt gefährdete. Schlüter musste den Versuch wiederholen. Er verstärkte die Fundamente, seitliche Anbauten sollten dem Turm Halt geben und die Lasten auffangen. Erneut wurde der Campanile gebaut, doch zeigten sich wiederum bald Risse und Absenkungen. Das Bauwerk war nicht mehr zu retten und musste 1706 abgebrochen werden. Wutschnaubend entließ der König Schlüter als Schlossbaumeister, beschäftigte ihn jedoch weiter als Bildhauer. „Es hat mein Unglück bei diesem meinem Vornehmen auf mich gelauert…, indem bey meiner fleißigen und mühsamen Arbeit wider aller mein Vermuthen bey dem Thurm ein Eckpfeiler zu sinken …sich angefangen“, versuchte er sich bei seinem Herren zu entschuldigen.

Friedrich I. gab seine Vision nicht auf, beauftragte Schlüters Nachfolger und Kontrahenten Eosander von Göte (auch Göthe geschrieben, 1669-1728), das Schloss mit einem repräsentativen, über hundert Meter hohen Kuppelbau zu bekrönen und damit der Stadt die ersehnte Höhendominante zu schenken, wiederum mit Glockenspiel und Wasserbehälter. Der Plan wurde nicht verwirklicht, weil es an Mut und Geld fehlte. Nach dem Tod von Friedrich I. stellte sein Sohn und Nachfolger, der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., die kostspieligen und in seinen Augen auch nutzlosen Bauten seines prunkliebenden Vaters ein. In veränderter Form wurde die Idee der Schlusskuppel erst unter Friedrich Wilhelm IV. Mitte des 19. Jahrhunderts verwirklicht.

Pech hatte der Soldatenkönig mit dem unter seiner Regentschaft errichteten Turm der Petrikirche nach Plänen des Hofbaumeisters Johann Friedrich Grael (1707-1740). Er sollte 108 Meter in die Höhe ragen und wäre damit das höchste Bauwerk Berlins geworden. Allerdings stürzte er 1734 während des Baues ein. Erst 1852 wurde unter Friedrich Wilhelm IV. ein neuer Versuch gestartet – und hatte Erfolg. Der nunmehr 111 Meter hohe Petriturm nach Entwürfen von Johann Heinrich Strack (1805-1880) und die dazu gehörige Kirche wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und sind danach abgetragen worden. Erhalten blieb als Zeugnis barocken Strebens nach Höhe und Wirkung der von dem eben erwähnten Grael im frühen 18. Jahrhundert gebaute Turm der Sophienkirche. Ihr schlanker Turm prägt, zusammen mit der vergoldeten Kuppel der Neuen Synagoge an der Oranienburger Straße, das Bild der Spandauer Vorstadt.

Konstruktive Probleme gab es in der Spätzeit Friedrichs II., des Großen, mit den Kuppeltürmen auf dem Gendarmenmarkt. Sie sollten auf Wunsch des Königs der Deutschen und der Französischen Kirche (auch Dome genannt) angefügt werden und damit zur Verschönerung der Residenz beitragen. Das ehrgeizige Projekt brachte dem Architekten Karl von Gontard (1731-1791) wenig Glück. Am 28. Juli 1781 stürzte der schon zur Hälfte aufgerichtete Turm der Deutschen Kirche ein, und auch beim Mauerwerk des Turms der benachbarten Französischen Kirche zeigten sich bedrohliche Risse. Fuchsteufelswild entließ der König Gontard und betraute Georg Christian Unger (1743-1799) mit dem Neubau. Eine obrigkeitliche Untersuchung ergab, dass der Deutsche Turm, wie man sagte, auf Grund von Materialmängeln, schlechter Gründung und nachlässiger Ausführung zusammengebrochen war. Beide Turmreste wurden abgetragen und unter Ausschaltung der alten Fehler noch einmal errichtet und 1785 vollendet. Im Zweiten Weltkrieg zerstört, erlebten beide und ihre von vergoldeten Figuren gekrönten Türme in den 1980er Jahren ihre Wiedergeburt. In der älteren Berliner Baugeschichte hat es weitere Versuche gegeben, durch Türme zu prunken. Der Ende des 18. Jahrhunderts neogotisch umgestaltete Turm der Marienkirche ist ein solches Beispiel. Nach den Befreiungskriegen wurde Karl Friedrich Schinkel (1781-1841) beauftragt, auf dem Spittelmarkt einen hoch aufragenden Dom zu errichten, doch blieb es bei dem Plan. Ausgeführt wurde später unter Leitung und nach Plänen von Hermann Friedrich Waesemann (1813-1879) das Rote Rathaus. Sein repräsentativer Mittelturm bestimmte lange die Silhouette der sich nach dem deutsch-französischen Krieg (1870/71) stark entwickelnden Reichshauptstadt. Erwähnt sei der 1905 eingeweihte Dom am Lustgarten, dessen mächtige Kuppel die Innenstadt beherrscht. Beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die schlanke Laterne durch ein Kreuz auf vergoldetem Postament ersetzt.

Helmut Caspar

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