„Er lasse Frieden ruhn auf unserm Volk und Land“ - Das Paul-Gerhardt-Denkmal in Lübben
zeigt mehr als nur einen Dichter von Kirchenliedern



Das 1907 enthüllte Denkmal vor der Nikolaikirche in Lübben zitiert aus dem reichen Kirchenliederschatz aus der Feder von Paul Gerhardt. (Foto: Caspar)

Wie ein regierender Fürst hat der Verfasser bekannter Kirchenlieder Paul Gerhardt (1607-1676) auf einem reich verzierten Kalksteinsockel vor der Nikolaikirche in Lübben (Landkreis Dahme-Spreewald) Aufstellung genommen. Das von Ernst Pfannschmidt geschaffene und 1907 zum dreihundertsten Geburtstag des Geistlichen aufgestellte Bronzemonument zeigt den Geistlichen in zweifacher Funktion – als Pfarrer, der wie segnend seine Hand ausstreckt, und als Dichter mit einem Kirchenliederbuch in der Hand. Interesse verdient die Rückseite dieses eindrucksvollen Monuments. Hier schaut eine Bronzekanone aus einem Bündel Getreideähren hervor – Sinnbild für die von schrecklichen Kriegen und vielfältigen Mühen um Frieden und Wohlstand geprägten Zeit.

Dass Paul Gerhardt in Lübben geehrt wird, hat einen triftigen Grund, denn eigentlich war seine Hauptwirkungsstätte das kurbrandenburgische Berlin. Als Sohn eines Gastwirts und einer Pfarrerstochter im kursächsischen Gräfenhainichen unweit von Wittenberg geboren, absolvierte der junge Mann eine sorgfältige Ausbildung an der Fürstenschule in Grimma, studierte Theologie im streng lutherischen Wittenberg und schlug sich anschließend sich als Hauslehrer durch, zunächst in Wittenberg, dann ab etwa 1643 an in Berlin. Hier lebte er im Haus seines Schwiegervaters, des Kammergerichtsadvokaten Andreas Berthold, dessen Tochter er später heiratete. Gerhardt pflegte in der nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) unter der Regentschaft des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg aufblühenden und expandierenden Residenz- und Festungsstadt freundschaftliche Kontakte zur Geistlichkeit und zum Bildungsbürgertum sowie zu Lehrern des Gymnasiums zum Grauen Kloster.

Einem der Lehrer an dieser berühmten Bildungsstätte, dem Komponisten und Organisten Johann Crüger (1598-1662), verdankt Gerhardt viel. Indem Crüger verschiedene Kirchenlieder aus der Feder von Gerhardt in sein immer neu aufgelegtes und durch weitere Titel vermehrtes Gesangbuch aufnahm, verschaffte er ihnen Verbreitung und ihrem Verfasser auch Anerkennung. Die berufliche Laufbahn Paul Gerhardts sah zunächst recht vielversprechend aus. 1651 wurde er Propst in Mittenwalde, doch als sechs Jahre später eine Diakonstelle an der Berliner Nikolaikirche frei wurde, zog er mit seiner Familie in die brandenburgische Residenz- und Festungsstadt. Bald schon wurde der Geistliche in die Besonderheiten der brandenburgischen Kirchenpolitik verstrickt. Denn das Herrscherhaus war reformiert, seine Untertanen hingen im Wesentlichen der lutherischen Lehre an. Wegen der unterschiedlichen Erwerbungen, aus denen sich der brandenburg-preußische Staat zusammensetzte, lebten neben der Mehrheit der Lutheraner auch Calvinisten und Katholiken zusammen. Kurfürst Friedrich Wilhelm war an religiöser Toleranz interessiert und verbot die damals in der Geistlichkeit verbreitete Polemik gegen theologische Dissidenten.

Von der Richtigkeit seines evangelisch-lutherischen Bekenntnisses felsenfest überzeugt, lehnte es Gerhardt ab, schriftlich die kurfürstlichen Edikte anzuerkennen, die unter anderem einen Verzicht auf solche Auseinandersetzungen forderten. Die Folge war die Entlassung aus seinem Amt im Jahre 1666. Als der Kurfürst Gerhardt nach Unruhen in der Berliner Bevölkerung 1667 zugestand, das Toleranzedikt nicht zu unterzeichnen und ihm das bisherige Amt wieder anbot, blieb dieser hart und ging außer Landes, nach Lübben. Die Stadt gehörte damals zum Herzogtum Sachsen-Merseburg. Hier konnte das reine Luthertum unangefochten gelehrt werden. Der Mann aus Berlin erhielt in Lübben die Stellung eines Archidiakons und wirkte, wie Zeitgenossen schrieben, segensreich an der Nikolaikirche, vor der nun seit fast einhundert Jahren sein Denkmal steht.

Paul Gerhardts fruchtbarste Zeit war die als Pfarrer und Dichter von Kirchenliedern in Berlin. Eine 1999 angebrachte Gedenktafel an seiner einstigen Wirkungsstätte, der 1987 wieder aufgebauten Nikolaikirche, würdigt ihn und den Kantor Johann Crüger und erwähnt dabei auch den Choral „Nun danket all und bringet Ehr“ mit der, wie ausdrücklich betont wird, denkwürdigen Zeile: „Er lasse seinen Frieden ruhn auf unserm Volk und Land; / Er gebe Glück zu unserm Tun und Heil zu allem Stand“. Johann Crüger vertonte viele Kirchenlieder von Paul Gerhardt. Die letzte von ihm redigierte Auflage von 1661 seines Liederbuches enthielt bereits 95 Lieder seines Freundes. Im Jahre 1667 hat ein weiterer Berliner Kantor, Johann Georg Ebeling, 119 Lieder von Paul Gerhardt herausgegeben und mit neuen Melodien versehen. Insgesamt gehen mehr als 130 Kirchenlieder auf Texte von Paul Gerhardt zurück. Das Evangelische Gesangbuch enthält 26 seiner Lieder, darunter sind so bekannte Choräle wie „O Haupt voll Blut und Wunden“, „Wie soll ich dich empfangen“, „Kommt und lasst uns Christum ehren“, „Die güldne Sonne voll Freud und Wonne“ und „Nun ruhen alle Wälder“.

Einige der berühmtesten Lieder aus der Feder von Paul Gerhardt kann man auf dem Lübbener Denkmal nachlesen, so „Dein Zion streut dir Palmen und grüne Zweige hin“, „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt“ und „Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein“. Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass das ebenfalls in den Denkmalsockel gemeißelte Lied „Gottlob nun ist erschollen das edle Fried- und Freudenwort / Dass nunmehr ruhen sollen die Spieß und Schwerter und ihr Mord / Wohlan und nimm nun wieder dein Saitenspiel hervor / O Deutschland und sing Lieder im hohen vollen Chor“ den Bildhauer für die eindrucksvolle Allegorie mit den Ähren und der Kanone inspiriert hat.

Helmut Caspar

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