Mehr als ein simples Bürogebäude -
Im Streit um den Erhalt des historischen Daches vom Schadowhaus gibt es Bewegung



Johann Gottfried Schadow schaut von der ziemlich ramponierten Fassade seines Wohn- und Atelierhauses auf die Besucher herab. (Foto: Caspar)

Eigentlich müsste die Friedensgöttin auf dem Brandenburger Tor einen Trauerflor tragen. Das Haus ihres Urhebers, des Bildhauers Johann Gottfried Schadow, in der von der Straße Unter den Linden abgehenden Schadowstraße ist seit Jahren eine Baustelle, doch es tut sich nichts, den Verlautbarungen eines riesigen Bauschildes zum Trotz. Alle Umbaupläne sind gezeichnet, Restauratoren fanden in einzelnen Zimmern und Sälen kostbare Ausmalungen aus dem 19. Jahrhundert. Ein bedeutendes Wandgemälde von Eduard Bendemann, das die „Künste am Brunnen der Poesie“ versinnbildlicht, wartet, endlich öffentlich gezeigt zu werden.

Der Deutsche Bundestag als Besitzer des einzigartigen Künstlerhauses, hat über elf Millionen Euro für die Sanierung und Restaurierung eingeplant. Es könnte nun losgehen, gäbe es nicht Streit zwischen Parlamentsbehörden und dem Berliner Denkmalschutz um das historische Dach. Wie das klassizistische Haus mit original erhaltenen Wohn- und Atelierräumen, in denen der Meister von 1805 bis zu seinem Tod 1850 lebte und arbeitete, ist auch sein Dach eine Berliner Rarität. Große Teile der Holzkonstruktion stammen noch aus der Erbauungszeit, wurden nach der 1851 durch J. G. Schadows Sohn Felix ausgeführten Aufstockung des Wohnhauses wieder auf das neue zweite Geschoss aufgesetzt und überstanden auch den Zweiten Weltkrieg. Das Dach ist damit nicht nur ein wesentlicher Teil des Baudenkmals, sondern auch ein frühes Zeugnis des vorsichtigen Umganges mit der vorhandenen Substanz dar.

Da man jedoch in DDR-Zeiten den Dachstuhl mit dem hochgiftigen Holzschutzmittel Hylotox imprägnierte, möchte die Bundestagsverwaltung ihre Angestellten, die künftig im Schadowhaus arbeiten werden, vor Schäden durch dieses Präparat bewahren und daher den alten Dachstuhl durch einen neuen ersetzen. Dagegen wehrt sich die Denkmalpflege mit dem Argument, die beschädigten Teile der Konstruktion seien reparabel, und man könne den Dachstuhl so gut von dem genutzten Bereich abschotten, dass Gesundheitsschäden nicht eintreten. Das habe man bereits beim weitgehend original erhaltenen Dachstuhl der Heiliggeist-Kapelle in der Spandauer Straße (Mitte) erreicht, der ebenfalls mit Hylotox behandelt wurde.

Die Senatsbauverwaltung, die zunächst für den Abriss des alten Dachstuhls plädierte, rückt von dem Vorhaben ab. Sie verschließt sich aufgrund von Eingaben und öffentlicher Diskussion nicht mehr Argumenten für den Erhalt des wie das ganze Haus unter Denkmalschutz stehenden Dachstuhls. In einem Brief an das für den Umbau des Schadowhauses zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung wird daran erinnert, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, sich vor den Folgen der Kontamination zu schützen, etwa die Reinigung sowie die Abschottung imprägnierter Bauteile gegenüber dem übrigen Haus. Die Antwort steht noch aus, doch heißt es in der Bauverwaltung, dass es letztlich Angelegenheit des Eigentümers ist, also des Bundes, wie er mit dem Haus umgeht.

Nicht ganz klar ist, wie das Schadowhaus künftig genutzt wird. Fest steht nur, dass hier Bereiche der Bundestagsverwaltung tätig werden sollen. Der Vorstand der Schadow Gesellschaft Berlin, die mehrere Jahre in Schadows Wohnhaus untergebracht war, meint, das Gebäude sei so wertvoll und einzigartig, dass man mehr aus ihm machen müsste, als es nur für Bürozwecke zu verwenden. Neben seiner Inanspruchnahme durch die Bundestagsverwaltung sollte es ein lebendiger Ort der Begegnung von Bürgerinnen und Bürgern werden, die hier an Vorträgen, Lesungen, Konzerten und Ausstellungen teilnehmen können. Aus einem solchen Ort ließe sich ein kulturelles Highlight machen, denn Berlins Mitte besitzt, vom Nikolaihaus in der Brüderstraße, dem Magnushaus am Kupfergraben und dem Brechthaus an der Chausseestraße abgesehen, kein Gebäude, das an hier tätig gewesene Künstler und Gelehrte erinnert.

Die öffentliche Nutzung des Schadowhauses entspräche gewiss den Wünschen des Erbauers, auf den eine Gedenktafel an der Straßenfront hinweist. Dort erkennt man auch den Kopf des durch seinen bärbeißigen Humor bekannten Künstlers, der als „Directeur aller Skulpturen“ und Chef der Berliner Akademie der Künste im preußischen Kunstbetrieb eine bedeutende Rolle spielte und aus der Berliner Denkmallandschaft nicht wegzudenken ist. Es ist überliefert, dass gekrönte Häupter und berühmte Reisende vor 200 Jahren gelegentlich bei dem Bildhauer vorbeischauten und sich von ihm porträtieren ließen. Den Verantwortlichen im Deutschen Bundestag, so scheint es, ruft der Meister, von der Fassade auf die Passanten blickend, zu, sie mögen sich einen Ruck geben und das Haus nicht nur dem Parlament zu öffnen, sondern einige der schönsten Räume auch dem Publikum zugänglich zu machen. Das wäre eine kulturelle Leistung, an der auch die Siegesgöttin auf dem Brandenburger Tor ihre Freude hätte.

Helmut Caspar

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