Soldatenalltag unterm schwarzen Adler -
Heimatzeitschrift „Die Mark Brandenburg“ durchschreitet preußische Garnisonsstädte



Kronprinz Friedrich inspiziert in Neuruppin seine Soldaten, aus denen er "richtige" Menschen machen will. Illustration aus der Zeit um 1900, abgebildet in "Die Mark Brandenburg" Heft 52

Preußen und sein Militär, das ist, mit Fontane gesprochen, ein weites Feld. Die Monarchie leistete sich seit dem 18. Jahrhundert unter den Fittichen des schwarzen Adlers eine gewaltige Armee, für die große Wirtschaftsbereiche arbeiteten – Waffenfabriken, Munitionshersteller, Uniformschneider, der Pferde- und Getreidehandel, nicht zu vergessen alles, was mit Kost und Logis oder mit Militärbauten und Befestigungen zu tun hatte. Konzentriert waren die Männer im bunten Rock des Königs in verschiedenen Garnisonstädten. Davon handelt die neueste Ausgabe (Heft 52/2004) der Vierteljahresschrift „Die Mark Brandenburg“. Sie lädt ein zum Besuch der ehemaligen Garnisonen in Frankfurt an der Oder, Brandenburg an der Havel, Fürstenwalde, Jüterbog und Neuruppin. Potsdam ist leider ausgespart und böte mit seiner wechselvollen Militärgeschichte Stoff für mehrere dieser Hefte.

Es bedarf wenig Fantasie sich vorzustellen, was sich in den Garnisonen zu Zeiten abspielte, wo der Mensch erst als Uniformträger etwas galt und gewaltige Ressourcen nur fürs Militär vergeudet wurden. „Wir sind hier beschäftigt“, zitiert Peter Schmidt in einem Beitrag über Neuruppin den Kronprinz Friedrich (ab 1740 König Friedrich II.), „Menschen aus Geschöpfen zu bilden, die bisher nur das Antlitz von Menschen haben“. Es sei ein Vergnügen, „die stumpfesten Seelen für den Ruhm empfänglich zu machen, aufsässige, unruhige Gemüther unter die Zucht zu beugen, lockere Burschen, Libertiner und Verbrecher sittlich zu heben.“ Das tat man, da die Soldaten nicht in erster Linie für Paraden, sondern fürs Verheizen auf den Schlachtfeldern bestimmt waren, durch eine uns heute unvorstellbare Mischung von Drill, Wachestehen und Freizeit, in der Bildung des Geistes und sittliche Werte wenig Platz hatten.

Deutlich wird in verschiedenen Beiträgen, dass die Bewohner der Garnisonstädte von den ihnen oktroyierten Einquartierungen wenig begeistert waren. Noch im 18. Jahrhundert mussten sie die in ihre Häuser „gelegten“ Soldaten beköstigen und waren auch verpflichtet, bei der Anlage von Befestigungen unentgeltlich Hand anzulegen. Das kostete viel Geld und schuf Verdruss. Natürlich gab es Übergriffe auf ehrsame Bürgersfrauen, und es kam zu kriminellen Handlungen, die streng geahndet wurden. Um Desertion vorzubeugen, hat man Mauern und Wachen rund um die Städte verstärkt und viel Aufwand getrieben, entwichene Soldaten zu suchen, um sie, wenn man ihrer habhaft wurde, vor aller Augen zu Tode zu prügeln.

Die Vorliebe des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. für „lange Kerls“, also besonders hoch gewachsene Soldaten, brachten die Bewohner von Brandenburg der Havel in manche Verlegenheit, wie Uwe Benthin in einem anderen Beitrag schildert. Die Bürgersleute hatten für besonders große Betten zu sorgen und sich auch sonst um das Wohl der Rekruten und ihrer einquartierten Familien zu kümmern. Das führte zu Gezänk und Streit. Um dem abzuhelfen, aber auch um unerwünschte Beziehungen zwischen Militär- und Zivilpersonen zu unterbinden, ließ der Soldatenkönig für seine „lieben Kinder“ Wohnbaracken aufstellen, und bald schon wurden die ersten Kasernen errichtet. Viele Gebäude mit ihren charakteristischen Mauern aus gelben oder roten Klinkern sind noch erhalten und werden heute, gottlob, für zivile Zwecke genutzt. Dass ihre eigentliche, zum Teil recht traurige Vergangenheit ans Licht geholt wird, ist eines der Verdienste dieser interessanten, mit vielen historischen Bildern aus dem Kasernen- und Exerzierplatzalltag gespickten Edition.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Berlin und das Land Brandenburg"