Spinnwirtel, Pfeilspitzen und Keramikscherben -
Archäologen wurden in der Nähe des Spandauer Burgwalls in einer tausend Jahre alten Siedlung fündig



Das Grabungsgelände am Spandauer Burgwall gibt nach und nach seine Geheimnisse preis. (Foto: Caspar)

Spandau ist ein uraltes Siedlungsgebiet. Hier gab es Menschen, lange bevor von Berlin die Rede war. Krieger, Bauern und Handwerker lebten vor über tausend Jahren südlich der heutigen Altstadt auf einem wasserumspülten Gelände, das seit Jahrhunderten Burgwall heißt. In drei Grabungskampagnen, zuletzt in den frühen 1990er Jahren, wurde der am Zusammenfluss von Spree und Havel errichtete Sitz der Heveller archäologisch untersucht. Gefunden wurden Spuren von Holzhäusern und Palisaden zum Schutz vor Überfällen.

Bei den seit Frühjahr 2005 am Rande der ehemaligen Burg nicht weit vom Spandauer Rathaus laufenden Grabungen wurden Uwe Michas, Archäologe beim Landesdenkmalamt, und eine aus 20 Helfern bestehende Gruppe fündig. „Hier entsteht auf historischem Grund ein Altenheim. Im Vorfeld wird das Gelände nach Siedlungsspuren untersucht. Wir haben auf einer Fläche von etwa 4000 Quadratmetern eine Art Vorburgsiedlung gefunden, in der vielleicht 200 Menschen lebten. Die Siedlung außerhalb des eigentlichen Burgwalls besteht aus drei schnurgerade verlaufenden Straßen, an denen exakt in Reih und Glied ausgerichtete Häuschen mit einer Grundfläche von etwa fünf mal fünf Meter stehen. Diese Vorburg wurde in der Zeit vom etwa zehnten bis ins 13. Jahrhundert hinein von Handwerkern bewohnt. Wahrscheinlich waren sie für die Bewohner der eigentlichen Burg tätig“, sagt Michas und listet die Berufe auf. Anhand der Fundstücke stehe fest, dass hier Raseneisenerz, das es überall in der Gegend gab, zu Eisen verhüttet wurde. Reste eines Schmelzofens und von Schlacke sind dafür wichtige Indizien. Dass man das magnetische Metall für die Herstellung von Messern und von Pfeilspitzen verwendete, beweisen überall entdeckte Fundstücke. Die Bewohner der Spandauer Vorburg konnten laut Michas auch Bronze gießen. Darauf deuten zum Teil ganz filigrane Schmuckstücke und Gebrauchsgegenstände aus dieser Legierung aus Kupfer und Zinn. Sodann wurde gewebt und getöpfert. Beweisstücke dafür sind Spinnwirtel und zahlreiche Keramikscherben, die nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche lagen. In der Siedlung gingen ferner Knochenschnitzer und Fischer ihrer Tätigkeit nach. Das erkennt man an kunstvoll etwa zu Pfriemen oder zu Knöpfen umgearbeitete Geweihe und Tierknochen sowie Fischgräten und Schuppen, die jetzt aus den ehemaligen Abfall- und Fäkaliengruben herausgeholt werden.

Großes Aufsehen bei den Ausgräbern erregte eine wohl als Bauopfer vergrabene Kinderleiche, die unter der Schwelle eines Hauses gefunden wurde. Vielleicht handelt es sich bei dem 50 Zentimeter großen, noch gut erhaltenen Skelett um eine Totgeburt, die man zur Abwehr böser Geister dem Erdreich übergab. Eine ähnliche Aufgabe hatte wohl auch ein Hund, dessen Knochen man an einer ähnlichen Stelle gefunden hat.

Uwe Michas ist mit dem bisherigen Ergebnis der noch bis zum Herbst laufenden Grabungen auf Berlins größtem archäologischen Flächendenkmal zufrieden. „Eine so reiche Ausbeute hatten wir nicht erwartet. Die Existenz der Vorburg wurde zwar vermutet, dass sie aber so groß und musterhaft wie nach einem Plan der Barockzeit gebaut war, hatten wir nicht erwartet“, sagt Michas. Da die Grabungen noch nicht abgeschlossen sind, richten sich die Archäologen auf weitere interessante Hinterlassenschaften der ältesten Spandauer ein. Was ans Tageslicht kommt, wird in einer Publikation des Landesdenkmalamtes beschrieben und historisch bewertet.

Helmut Caspar

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