Ort der Opfer und der Täter
Ausstellungshalle für Topographie des Terrors wird neu ausgeschrieben / 15 Millionen Euro verloren

Wenn alles nach Plan gegangen wäre, stünde das Informations –und Dokumentationszentrum der Gedenkstätte „Topographie des Terrors“ auf dem ehemaligen Gestapo-Gelände an der Niederkirchner Straße und Wilhelmstraße im Bezirk Kreuzberg schon längst und hätte bereits viele tausend Besucher gesehen. Da es aber bei der Realisierung des Entwurfs des Schweizer Architekten Peter Zumthor viele Pleiten, Pech und Pannen gab und die Kosten unverhältnismäßig in die Höhe zu schießen drohten, wurde im Jahr 2000 ein Baustopp verfügt.

Eine Machbarkeitsstudie, die jetzt von einer Expertenkommission aus Vertretern des Bundes und des Landes Berlin an die Kulturstaatsministerin Christina Weiss übergeben wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass der vor zehn Jahren in einem Architekturwettbewerb preisgekrönte Plan für Zumthors kompliziert konstruierte Ausstellungshalle für die zur Verfügung stehende Summe von 38,8 Millionen Euro (und keinen Cent mehr) nicht zu realisieren ist. Daher haben Weiss sowie Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer und Kultursenator Thomas Flierl einen Neuanfang vereinbart und die Zusammenarbeit mit Peter Zumthor beendet. Durch diese Entscheidung wurde nicht nur der aus einem künstlerischen Wettbewerb als Sieger hervor gegangene Architekt brüskiert, der Nachbesserungen an seinem Projekt vornehmen wollte, es sind auch 15 Millionen Euro, die bisher in die Planung und erste Baumaßnahmen investiert wurden, in höchst blamabler Weise in den Sand gesetzt.

Weiterer Stillstand unerträglich
Indem Berlin aus dem Projekt, einem Bindeglied zwischen dem Jüdischen Museum und dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas, aussteigt, übernimmt der Bund die alleinige Bauträgerschaft. Die Ausstellungshalle, in der die Schreckensgeschichte des NS-Staates dokumentiert werden soll, wird noch in diesem Jahr neu ausgeschrieben. Damit soll es nach Information der Berliner Kulturverwaltung möglich sein, in zwei Jahren mit dem Bau zu beginnen und das Haus dann nach weiteren zwei Jahren fertig zu stellen. Selbst wenn man die verlorenen Kosten von 15 Millionen Euro einrechnet, werde der Neubau günstiger ausfallen als wenn man weiter am Zumthor-Entwurf festhalten würde, heißt es im Senat. Ein weiterer Stillstand der Baumaßnahmen sei unerträglich und könne nicht länger hingenommen werden, „weil sonst das Erinnerungsprojekt in Gefahr gerät“. Mit dem Gelände sei nicht verantwortungsvoll umgegangen worden, weshalb der Neubeginn unerlässlich sei.

Ort der Opfer und der Täter
Es fällt heute schwer sich vorzustellen, welche Gebäuden auf dem Gelände der Topographie des Terrors an der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße, der heutigen Niederkirchner Straße, gestanden haben und was dort geschehen ist. Von den repräsentativen Häusern aus dem 19. Jahrhundert ist bis auf wenige von Archäologen ausgegrabenen und denkmalpflegerisch gesicherten Kellern nichts übrig geblieben. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es im damaligen West-Berlin wenig Interesse, den durch Beschuss und Bombentreffer beschädigten Sitz der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), das Hauptquartier des Reichsführers SS Heinrich Himmler sowie weitere Dienstgebäude des SS und der SA im „Regierungsviertel des KZ-Staates“ zu erhalten. Abräumen und Erde drüber war die Parole. Das Gebiet in unmittelbarer Nähe zur Mauer geriet in Vergessenheit. Erst im Vorfeld der 750-Jahrfeier Berlins 1987 entsannen sich Historiker und engagierte Bürger der Tatsache, dass auf dem mittlerweile von Gras und Büschen überwucherten Gelände nicht weit von Hitlers Reichskanzlei sowie verschiedener Ministerien in der Wilhelmstraße schreckliche Geschichte geschrieben wurde. Die dem – nicht mehr vorhandenen - Völkerkundemuseum und dem Martin-Gropius-Bau (Kunstgewerbemuseum) benachbarte Kunstgewerbeschule mit der Adresse Prinz-Albrecht-Straße 8 war in der Nazizeit Sitz der Gestapo und zugleich eine der berüchtigsten Folterhöllen des KZ-Staates. Die freigelegten Grundmauern und die Kellerwände machen Besucher darauf aufmerksam, dass sie vor einen Ort der Opfer und der Täter stehen. Das Hotel Prinz Albrecht nebenan in der Prinz-Albrecht-Straße 9 sowie das Prinz-Albrecht-Palais Wilhelmstraße 102, das von Schinkel klassizistisch ausgestaltet wurde, waren Sitz des Sicherheitsdienstes der SS sowie des Heydrich beziehungsweise Kaltenbrunner geleiteten Reichssicherheitshauptamtes. In allen diesen Gebäuden wurden Maßnahmen zur Überwachung, Inhaftierung und Ermordung von regimefeindlichen Personen und Gruppen geplant und durchgeführt. In den Räumen der obersten Sicherheitsbehörden des NS-Staates wurden generalstabsmäßig die Verfolgung und Vernichtung der Juden und aller anderen Menschen vorbereitet, die von den Nationalsozialisten aus rassischen und anderen Gründen zu Feinden erklärt wurden. Überdies gingen vom Prinz-Albrecht-Gelände die Planungen für die Eroberung neuen Lebensraums, wie man im NS-Jargon sagte, und die Versklavung ganzer Völkerschaften aus.

Alles wieder zurück auf Anfang
Über all diese schrecklichen Verbrechen sollte eigentlich schon längst in der Zumthorschen Ausstellungshalle berichtet werden. Indem alle Planungen noch einmal auf Anfang gestellt werden und der Bund sich ausdrücklich vor das Projekt stellt, weil das Land Berlin versagt hat, besteht die Hoffnung, dass in ein paar Jahren nun endlich die Topographie des Terrors ihrer historischen Bedeutung entsprechend ein angemessenes Dokumentationszentrum erhält.

Helmut Caspar

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