Sieben Weltwunder - und was geblieben ist
Die in der Antike aufgestellte Liste wurde immer mal wieder erweitert. Pergamonaltar bald fertig restauriert


Vom Figurenfries des Pergamonaltars blieben sehr stattliche Reste übrig, deren Restaurierung demnächst abgeschlossen wird.
(Foto: Caspar)

Das Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel ist in den kommenden Jahren eine große Baustelle. Bei laufendem Besucherverkehr soll das Haus innen und aussen saniert werden. Ende des Zweiten Weltkriegs beschädigt und danach nur repariert, nicht aber durchgreifend saniert, zeigt der Bau auch heute manche Schäden, und seine Infrastruktur wird als ziemlich marode beschrieben. Die meisten Besucher werden die Wunden der Vergangenheit kaum wahrnehmen. Sie sind darauf aus, eines der antiken Weltwunder, den Pergamonaltar, und weitere Altertümer zu besichtigen, etwa das Ischtartor und die Prozessionsstraße von Babylon, aber auch Meisterwerke der antiken Bildhauerei oder die monumentalen Göttergestalten und Inschriftensteine aus Mesopotamien.

Die Geschichte ging mit dem von König Eumenes II. von Pergamon aufgestellten Altar von Pergamon, dem heutigen Bergama im westlichen Teil der Türkei, nicht gerade sanft um. Das säulensäulenbestückte Siegesmonument mit dem prächtigen Fries kämpfender Götter und Giganten, das zu den Weltwundern gerechnet und von antiken Schriftstellern und Chronisten wortreich verherrlicht wurde, blieb nur in Resten erhalten. Denn nach dem Untergang der alteingesessenen griechischen Kultur und dem Auszug der Römer, die hier ab dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert herrschten, haben die neuen Bewohner mit den Kultstätten auf dem Burgberg von Pergamon nicht viel anfangen können. Sie nutzten die Säulen, Treppen und anderen Architekturteile, aber auch die marmornen Figuren und Reliefs als Rohstoff für die Kalkherstellung. Glücklicherweise wanderte nicht alles in den Brennofen, und so fanden der Deutsche Carl Humann und andere Archäologen bei ihren Ausgrabungen auf dem Burgberg von Pergamon im späten 19. Jahrhundert noch erhebliche Reste jener figürlichen Pracht. Auf Grund von Abmachungen zwischen der miteinander befreundeten türkischen und deutschen Regierung kamen Figuren und Reliefteile aus Pergamon ins kaiserliche Berlin. Auf der Museumsinsel wurde für sie ein eigenes Museum errichtete, erst einen provisorischen Bau, dann zwischen 1907 bis 1930 mit langen Unterbrechungen das jetzige Pergamonmuseum. Die vor Jahren begonnene Restaurierung des Pergamonaltars wird demnächst abgeschlossen.

Die älteste vollständige Überlieferung der Weltwunderliste findet sich in einer Schrift des Antipatros von Sidon aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert. Es handelt sich um eine Art antiker Reiseführer, in den Bauten aufgenommen wurden, die man noch besichtigen konnte. Da der auch in der Bibel mehrfach erwähnte Turm von Babylon nicht mehr existierte, hat man auf seine Nennung als Weltwunder verzichtet. In den Rang von „Miracula Mundi“, also von Weltwundern, wurden ursprünglich nur sieben herausragende, durch ihre majestätische Größe oder das verwendete kostbare Material ausgezeichnete Schöpfungen gehoben, und zwar die Pyramiden von Gizeh, die Festungsmauern und die hängenden Garten der Semiramis in Babylon, sodann die aus Bronze, Elfenbein und Gold gefertigte Zeusstatue des Phidias in Olympia, der Artemis-Tempel zu Ephesos, das ganz aus Marmor bestehende Mausoleum des Königs Mausolos zu Halikarnassos und schließlich der riesige Helios-Koloss zu Rhodos. Bis auf die Pyramiden von Gizeh sind die antiken Weltwunder zerstört oder nur in Resten erhalten. Gründe dafür waren Erdbeben, Kriege und andere Katastrophen, aber auch Bilderstürmerei und Verfall wegen mangelnder Bauunterhaltung. Der Name Weltwunder ist eigentlich nicht ganz korrekt. Gemeint waren ursprünglich im Griechischen „sieben Schaustücke der bewohnten Welt“. Daraus machte die lateinische Übersetzung „sieben Wunder der Welt“, womit der Begriff Weltwunder geboren war.

Im Laufe der Jahrhunderte kamen weitere Berühmtheiten auf die Liste, so der riesige Leuchtturm auf der Insel Pharos vor Alexandria, das wohl höchste Bauwerk der Antike, dessen Trümmer im Meer vor der ägyptischen Metropole vermutet werden, ferner das aus Irrgärten bestehende Labyrinth in Knossos auf der Insel Kreta, das für Gladiatorenspiele genutzte Kolosseum in Rom und die Kirche Hagia Sophia in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul. Damit aber nicht genug. In christlicher Zeit hat man die Arche Noah und den Tempel des Salomon in Jerusalem auf die Weltwunder-Liste gesetzt. In der Neuzeit kamen weitere Zuschreibungen dieser Art hinzu, so dass die Liste geradezu inflationär aufgebläht ist. Es macht sich heute beispielsweise in den Medien immer gut und dient dem Tourismus, wenn man ein berühmtes Bau- oder Kunstwerk als Weltwunder apostrophiert, doch wo beginnt man und wo endet man? So werden die Chinesische Mauer und das legendäre Bernsteinzimmer als Weltwunder verherrlicht, wobei man es mit der Zählung nicht so genau nimmt. Das vom preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. dem russischen Bündnisgenossen Zar Peter I. geschenkte Bernsteinzimmer, das seit Ende des Zweiten Weltkriegs verschwunden ist, wird gelegentlich als achtes Weltwunder apostrophiert. Die Wandverkleidung ganz aus Bernstein im Katharinenpalast von Zarskoje Selo bei Sankt Petersburg wurde vor einiger Zeit nach alten Bildern millimetergetreu wiederhergestellt.

Dass man ursprünglich nur sieben Weltwunder auswählte und nicht zehn oder zwölf, hat mit der Magie der Zahl sieben zu tun. Sie galt bei vielen antiken Völkern als heilig. So verehrten die Griechen und Römer Sieben Weise, Rom wurde auf Sieben Hügeln erbaut, in der christlichen Religion spielen die Sieben Todsünden, nämlich Stolz, Geiz, Unkeuschheit, Neid, Unmäßigkeit, Zorn und Trägheit, eine Rolle. Zu nennen sind auch das „Buch mit sieben Siegeln“, die Sieben Sakramente, der Siebenschläfer und andere so genannte Siebenheiten wie eben die sieben Weltwunder.

Helmut Caspar

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