„Man sieht nur, was man weiß“ -
Reise(ver)führer zu Fontanes Lieblingskirchen in der Mark Brandenburg

Theodor Fontane hat in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ historische und biographische Informationen zusammen getragen, die ohne ihn sicher verloren wären. Schlösser, Burgen und Herrenhäuser, Kirchen und Klöster übten auf den Romancier eine geradezu magische Anziehungskraft aus. Kunst- und Architekturhistoriker rümpfen gelegentlich die Nase, wenn sie die Beschreibungen lesen, weil sie heutigen Standards nicht mehr genügen. Denn der Künstler erlaubte sich zu fabulieren und etwas freihändig, Fakten und Fiktionen zu verquicken. Doch ist es diese von kunsthistorischem Fachwissen ungetrübte Sicht, die den besonderen Charme seiner „Wanderungen“ ausmacht.

Für die Fotografin Christel Wollmann-Fiedler und den Autor Jan Feustel waren Fontanes Beobachtungen als Leitfaden für einen wunderbaren Bild- und Textband speziell über märkische Dorf- und Stadtkirchen wichtig. Es entstand ein Buch, das in der einschlägigen Literatur noch fehlte und übrigens die zweite Folge einer Kirchen-Reihe im Quintessenz Verlag bildet. Ausgewählt wurde mit etwa märkischen 40 Kirchen zwischen Altfriedland und Wustrau etwa die Hälfte dessen, was Fontane in seinen „Wanderungen“ erfasst hat.

Wer das analog zu Fontanes „Wanderungen“ in die Kapitel Ruppiner Land, Oderland, Havelland sowie Spreeland/Fünf Schlösser gegliederte Buch aufschlägt, findet bestätigt, was der Schriftsteller vor 140 Jahren schrieb: „Du wirst Schloss- und Klosterruinen auffinden, von denen höchstens die nächste Stadt eine Ahnung, eine leise Kenntnis hatte; du wirst inmitten alter Dorfkirchen…große Wandbilder oder in treppenlosen Grüften reiche Kupfersärge mit Kruzifix und vergoldeten Wappenschildern finden“.

Die Fotografin und der Textautor gehen mit Fontanes Grundsatz „Man sieht nur, was man weiß“ im Kopf und mit einem guten Gespür für ungewohnte Sichten und interessante Episoden in die Kirchen, umrunden sie, steigen ihnen aufs Dach, lassen sich Gewölbe öffnen, schauen hinter Altäre, entziffern Inschriften und ergänzen das, was Fontane gesehen, manchmal auch übersehen hat. So entstand ein lesens- und sehenswerter Reiseführer, besser gesagt ein Verführer zum Reisen.

Indes, die malerischen Aussen- und Innenansichten, die vergoldeten Altarengel und der preußische Wappenprunk können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es vielen Kirchgebäuden nicht gut geht, weil sie saniert werden müssen, aber aus Geldmangel nicht können oder weil sie leer stehen und nicht genutzt werden. Wenn das Buch Pfarrer und Politiker, ja die Öffentlichkeit vor Ort darauf aufmerksam macht, welchen Schatz die Kirchen und ihre Ausstattungen darstellen, und so auch das Bewusstsein stärkt, sich um dieses Erbe intensiv zu kümmern, hätte es eine wichtige Aufgabe erfüllt. Die andere wäre, wenn der Band anregte, mal wieder bei Fontane nachzulesen und die von ihm besuchten Örtlichkeiten aufzusuchen.

Christel Wollmann-Fiedler/Jan Feustel: Fontanes Lieblingskirchen in der Mark. Berlin Edition im Quintessenz Verlag 2003, 152 S., zahl. farbige Abbildungen, 24,80 Euro. ISBN 3-8148-0126-1

Helmut Caspar

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