Architektur unterm Hakenkreuz -
Neuer Bild-Text-Band führt zu Bauten der Nazizeit in Berlin arbeitet ein unbekanntes Stück Geschichte auf



Erst Reichsluftfahrtministerium, in der DDR Haus der Ministerien, jetzt Bundesfinanzministerium - Der Monumentalbau von 1935/36
an der Ecke Wilhelmstraße/Leipziger Straße in Berlin hatte die unterschiedlichsten Nutzer. (Foto: Caspar)


Hitler als Massenmörder, brüllender Feldherr ohne Armee, zittriger Greis im Bunker der Reichskanzlei – und jetzt noch Hitler als Stadtplaner. Bei der aktuellen Hitlerei wird dieser Aspekt in der Biographie des Diktators ausgeklammert. Der Bauwahn des „Führers“ wäre ein toller Filmstoff. Doch wen interessieren schon die himmelschreienden Architekturvisionen des Möchtegernkünstlers, der ganz in der Tradition früherer Potentaten ein steinernes Erbe hinterlassen wollte, das wenigstens tausend Jahre steht.

Allein in Berlin haben an die hundert vom „Führer“ und seinem Lieblingsarchitekten Albert Speer entworfene oder in ihrem Geiste von anderen errichtete Häuser, Straßen und Plätze die Kriegs- und Nachkriegszeit überstanden. Die monströsen Staats-, Partei- und Militärbauten entlang eines in die Stadt geschlagenen Achsenkreuzes wurden in der Kriegszeit zum Glück nicht verwirklicht. Nach dem dann nicht eingetretenen „Endsieg“ wäre Berlin zur Welthauptstadt Germania erhoben worden. Hitler und Speer hätten, wenn sie dazu in der Lage gewesen wären, die Metropole geradezu monströs umgekrempelt und ausgestaltet. Die ersten Stadtteile waren schon dem Erdboden gleichmacht.

In seinem vom hauptstädtischen Landesdenkmalamt herausgegebenen Buch über die NS-Architektur in Berlin analysiert der Kunst- und Architekturhistoriker Matthias Donath die Umbaupläne von Hitler und Speer für Berlin und zeigt, was dort von den unterm Hakenkreuz errichteten Bauten heute noch steht. Es ist erstaunlich viel, nur nimmt man die Menge nicht gleich wahr. Diese abgezirkelten, oft monotonen Fronten, diese eckigen Säulen und kleinen Balkone mit schmiedeeisernen Gittern, diese aufwändigen Natursteinverkleidungen geben leicht ihre Herkunft preis. Zu den Staats-, Partei- und Militärbauten, den Konzernzentralen und Verwaltungseinheiten gesellen sich über die Stadt verteilte Wohnsiedlungen mit viel Fachwerk und allerlei kunsthandwerklichem Zubehör. In ihnen lebt es sich gut; nur selten kennen die Bewohner die Entstehungsgeschichte. Das Buch gibt dazu den notwendigen Nachhilfeunterricht.

Donath macht deutlich, dass Architektur im Hitlerreich politische Botschaften zu transportieren hatte. Er informiert, hält sich aber in seiner sachlichen Darstellung von Dämonisierung fern. Hau-drauf-Formulierungen sind nicht seine Art. Gesprochen wird von maßstabslosen Visionen und monumentalen Neubauten, denen gegenüber das historische Architekturerbe auf Spielzeuggröße geschrumpft wäre.

Nach 1945 kam man im kriegszerstörten Berlin nicht auf die Idee, die baulichen Zeugnisse des untergegangenen Nazistaates abzureißen, obwohl man ihre politische Bedeutung kannte. Lediglich die nach Speers Plänen erbaute Neue Reichskanzlei und weitere stark beschädigte Regierungspaläste an der Wilhelmstraße wurden beseitigt. Das gleiche widerfuhr der SS- und Gestapozentrale, auf deren Gelände die Topographie des Terrors die Verbrechen der Nazis dokumentiert. Doch das im Stadtzentrum gelegene ehemalige Reichsluftfahrtministerium und das Propagandaministerium, die Reichsbank und die Münze, aber auch das Reichssportfeld sowie zahlreiche Verwaltungsgebäude, Kasernen und andere Hinterlassenschaften wurden auf- und umgebaut und weiter genutzt. Nach der Wiedervereinigung fanden Organe des Bundes und der Länder nichts dabei, in die „belasteten“ Gebäude einzuziehen.

Viele Gebäude waren Orte des Schreckens. Leider erinnern Tafeln nur selten an das, was in ihnen geschah, wer die ursprünglichen Bewohner waren. Der Verfasser nennt Auftraggeber und Architekten und schildert, für meine Begriffe viel zu kurz, was aus den Bauwerken geworden ist. Es lohnt sich, alte Fotos und neue Aufnahmen zu vergleichen. Dabei zeigt sich, dass die heute als nazitypisch bemerkte Monotonie mit viel bildhauerischem Beiwerk aufgelockert war. Doch wo NS-Symbole und Heldenbilder angebracht waren, ist heute glatter Stein.

Für Matthias Donath sind die baulichen Hinterlassenschaften des „Dritten Reichs“ unbequeme und störende Orte der deutschen Geschichte. Sie zu erhalten, diene der Aufarbeitung der Vergangenheit, weshalb sie bewahrt werden sollten. Der reich illustrierte Band hilft bei dieser notwendigen Erinnerungsarbeit und könnte auch Basis weitergehender Forschungen vor allem zur Rolle des Bauwesens und zur Manipulation der Völker in Diktaturen sein.

Matthias Donath: Architektur in Berlin 1933-1945. Ein Stadtführer. Lukas Verlag Berlin 2004, 255 S., zahlr. Abb., 29,80 Euro.

Helmut Caspar

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