Bescheidener Anfang als Kräutergarten -
Wechselvolle Geschichte des Berliner Lustgartens
in einem neuen Buch



Der Lustgarten - hier ein Blick von der Treppe des Alten Museums - ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. (Foto: Caspar)

Kräutergarten und Kartoffelacker, Promenade und staubiger Exerzierplatz, Aufmarschgelände und Skulpturenforum - der Berliner Lustgarten wurde in seiner über 350 Jahre alten Geschichte sehr unterschiedlich genutzt. In kurfürstlicher Zeit lieferte das Gelände, das heute von Dom, dem Alten Museum, der Spree und der Liebknechtstraße begrenzt wird, dem benachbarten Schloß Gemüse, Kräuter und Blumen. Hier wurden bereits im 17. Jahrhundert kostbare Figuren aus Marmor oder vergoldetem Blei aufgestellt, an denen sich die Hofgesellschaft erfreute, wie Markus Jager in seinem mit vielen unbekannten Bilddokumenten versehenen Buch „Der Berliner Lustgarten – Gartenkunst und Stadtgestalt in Preußens Mitte“ schildert.

Erstmals in dieser umfassenden Form dokumentiert das Buch die wechselvolle Geschichte des Platzes im Herzen Berlins, und man erfährt, dass ihm oft übel mitgespielt wurde. Als 1713 der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. den Thron bestieg, ließ er den mit Blumenrabatten und Hecken verzierten Garten in einen Paradeplatz verwandeln. Auch sein Sohn, Friedrich II., der Große, hatte am Vorplatz des Schlosses wenig Interesse. Viel lieber gestaltete er einen Teil der Straße Unter den Linden in das Forum Fridericianum um.

Erst im frühen 19. Jahrhundert wurde das Potenzial des vernachlässigten Areals erkannt, denn nicht umsonst baute Schinkel hier das Königliche Museum, das 1830 eröffnet wurde und uns besser als Altes Museum bekannt ist.

Einmal in den Blick der preußischen Könige und deutschen Kaiser gelangt, blieb es nicht bei dieser Platzbebauung. Wie Jager an verschiedenen Visionen führender Architekten und Landschaftsgärtner darlegt, gab es weitergehende Ideen, denn aus dem Lustgarten sollte ein Domplatz und ein Denkmalforum werden. Als der Dom 1905, vor hundert Jahren, dann endlich geweiht war, zog er wegen des übermäßigen Prunks heftige Kritik auf sich.

Noch in der Kaiserzeit mutierte der Lustgarten zu einem Aufmarsch- und Kundgebungsplatz, für den es nach dem Ende der Monarchie (1918) radikale Umgestaltungspläne bis hin zur Nutzung als monumentales Reichsehrenmal gab. Daraus wurde in der Zeit der Weimarer Republik nichts. Man hatte kein Geld. Der Lustgarten blieb sich selbst überlassen und wurde erst wieder von den Nazis neu entdeckt. Sie machten aus ihm einen steinigen Aufmarschplatz. Und weil sie das Bild störte, wurde die berühmte Granitschale vor der Treppe des Alten Museums in den Domgarten versetzt. Die „Suppenschüssel“, wie die Berliner die Schale nannten, kehrte erst im Schinkeljahr 1981 an ihren originalen Standplatz zurück.

Ende der 1990er Jahre gelang nach heftigen Kontroversen die gärtnerische Umgestaltung des heute auch als Liegewiese in der warmen Jahreszeit beliebten Lustgartens, wobei ein aus DDR-Zeiten stammender Gedenkstein für die Widerstandsgruppe Herbert Baum respektiert wurde. Was es mit ihm auf sich hat, wird am Schluß der verdienstvollen Lustgarten-Geschichte dargelegt. Das Buch von Markus Jager „Der Berliner Lustgarten – Gartenkunst und Stadtgestalt in Preußens Mitte“ erschien 2005 im Deutschen Kunstverlag München/Berlin, hat 365 Seiten und 299 Abbildungen und kostet 88 Euro.

Helmut Caspar

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