Verzweifeltes Aufbegehren in der Rosenstraße -
zwei neue Bücher zum Film der Regisseurin
Margarethe von Trotta erschienen


Ein von Eva Hunzinger geschaffenes Denkmal in der Rosenstraße
erinnert an die Proteste gegen die „Fabrik-Aktion“ im Februar 1943.
(Foto: Caspar)

Berlin. Zum Start des preisgekrönten Films „Rosenstraße“ der Regisseurin Margarethe von Trotta in der Bundesrepublik Deutschland sind zwei neue Bücher erschienen. Sie dokumentieren Verlauf und Hintergründe der so genannten Fabrik-Aktion, bei der Gestapo am 27. Februar 1943 und in den folgenden Tagen zahlreiche noch in Berlin verbliebene jüdische Zwangsarbeiter an ihren Arbeitsplätzen, in ihren Wohnungen oder auf offener Straße verhaftete, um sie in die Vernichtungslager zu deportieren. Womit Reichspropagandaminister Goebbels, der als Berliner Gauleiter die Hauptstadt endlich „judenrein“ haben wollte, nicht rechnete, war der Protest von Hunderten „arischen“, als nichtjüdischen, Frauen vor einem als Sammellager umfunktionierten jüdischen Gemeindehaus in der Rosenstraße, nicht weit vom heutigen S-Bahnhof Hackescher Markt entfernt. Dramatische Szenen spielten sich unter den Augen schwer bewaffneter Gestapo ab. Die zum Äußersten entschlossenen Frauen pochten darauf, dass ihre in „Mischehen“ lebenden Männer oder ihre als „Mischlinge“ eingestuften Kinder frei gelassen werden – und hatten Erfolg. Das Aufbegehren in der Rosenstraße war der erste und einzige Protest dieser Art in der Nazizeit. Ein Denkmal in der Rosenstraße und jetzt der Film sowie die Bücher holen das Ereignis aus dem Vergessen.

Das im Nicolai Verlag Berlin erschienenen Buch von Thilo Wydra „Rosenstraße - Ein Film von Margarethe von Trotta - Die Geschichte. Die Hintergründe. Die Regisseurin“ (192 S., zahlr. Abb., 19,90 Euro) und der Film können nicht restlos erklären, warum sich die Naziführung diesen Affront bieten ließ und die Gefangenen nach ein paar Tagen mit einem Fußtritt laufen ließ, um sie weiterhin als Zwangsarbeiter einzusetzen. Offenbar wollte Goebbels die schlechte Stimmung unter den Berlinern nach der Niederlage in Stalingrad nicht noch mehr drücken, plante aber wohl eine Wiederholung der Aktion zu einem späteren Zeitpunkt.

Der im DuMont Literatur und Kunst Verlag Köln erschienene Band „Jüdische Zwangsarbeiter bei Ehrich & Graetz, Berlin-Treptow - Zeitzeugnisse aus dem Jüdischen Museum Berlin“ (272 S., zahlr. Abb., 16,90 Euro) schildert das Schicksal der in dem Rüstungsbetrieb beschäftigten Juden. Die von Aubrey Pomerance herausgegebene Dokumentation bildet unter anderem über 500 Passbilder von jüdischen Zwangsarbeitern ab, die in diesem Betrieb beschäftigt waren. Ein großer Teil kam in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern um, einige waren in der Rosenstraße und überlebten.

Bei der Buchpräsentation im Jüdischen Museum wehrte sich die Regisseurin vehement gegen den Vorwurf, sie würde Geschichtsklitterung betreiben. Sie habe das dargestellt und dramatisiert, was ihr Augenzeugen berichtet haben und was die wenigen Akten hergaben. Es sei nicht ihre Absicht gewesen, einen Dokumentarfilm zu schaffen. Vielmehr sei der Spielfilm eine Fiktion mit geschichtlichem Hintergrund. Augenzeugen von damals stellten bei der Buchpremiere Details im Film richtig, und es gab einen kleinen Disput darüber, ob es, wie im Film gezeigt, Protestrufe gab oder, wie sich Zeitzeugen erinnern, nur stummes Ausharren vor dem Sammellager. Über die erfundene Szene, in der die Hauptdarstellerin Katja Riemann Joseph Goebbels Avancen macht, um ihn dazu zu bringen, dass er die jüdischen Gefangenen frei lässt, wurde nicht mehr gesprochen. Nach Meinung von Filmkritikern und Historikern hätte sich Margarethe von Trotta diese Episode schenken können, denn sie diene nur der Legendenbildung und der Mystifikation.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Übersicht "Buchbesprechungen"