Wedding ist keine „Terra incognita“ mehr -
Neues Buch über den reichen Denkmalbestand
aus dem 19. und 20. Jahrhundert



Die tempelartige Nazarethkirche auf dem Leopoldplatz, ein Werk von Schinkel, ist eines der ältesten Bauwerke im Bezirk Wedding. (Foto: Landesdenkmalamt)

Lange war der Bezirk Wedding eine „Terra incognita“, ein unbekanntes Land, wenigstens was die Erforschung seiner Bau-, Kultur- und Gartendenkmale betrifft. Die mit diesem Thema befassten Experten hielten die Bauten im „roten“ Arbeiterbezirk, selbst solche von Schinkel und anderen hochkarätigen Architekten, für so unwichtig, dass sie sie nicht in ihre Denkmalbücher aufnahmen.

Jetzt endlich liegt eine wissenschaftlich fundierte, dabei aber lesenswerte und ansehnliche Dokumentation des aus dem 19. und 20. Jahrhundert stammenden Denkmalbestandes in den Ortsteilen Wedding und Gesundbrunnen vor, immerhin 184 Einzelbauwerke und Ensembles. Autoren des Bandes aus der Schriftenreihe „Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland – Denkmale in Berlin“ sind Matthias Donath, der die historische Einführung schrieb und die Baudenkmale in allen Einzelheiten erfasste, sowie Gabriele Schulz, die sich mit den Gartendenkmalen beschäftigte. Als Herausgeber fungiert das Landesdenkmalamt Berlin. Dessen Leiter, Landeskonservator Jörg Haspel, macht im Vorwort auf die Besonderheiten der Großstadtlandschaft mit ihren Mietskasernenvierteln, den genossenschaftlichen Wohnbauten, Wohlfahrtseinrichtungen und Erholungsparks aufmerksam. Leider seien in der Nachkriegszeit bedeutende Bauwerke zerstört worden, um Platz für Neubauten und breiten Straßen zu machen. Solche Verluste werden in dem Band mit hervorragenden Fotografien und einer Übersichtskarte natürlich auch aufgelistet. Buchautor Matthias Donath spart überdies Pflege- und Katastrophenfälle nicht aus. Er wünscht sich eine denkmalverträgliche Lösung beispielsweise für die im Krieg zerstörte „Wiesenburg“ in der Wiesenstraße. Der 1905 bis 1907 errichtete Komplex war ein berühmt-berüchtigtes Obdachlosenasyl und erinnert nicht nur an Elend und Wohnungsnot, sondern auch an karitative Bestrebungen im liberalen Bürgertum und an das Bestreben der Architekten um gefällige Bauformen.

Die zeitliche Spanne des Bandes reicht von einem bescheidenen Koloniehaus von 1784 an der Koloniestraße bis zu Neubauten aus der Zeit nach 1945. Das Buch zeigt, von Straße zu Straße, Viertel zu Viertel gehend, wahre Perlen der Architektur und Gartenkunst. Erkennbar ist das etwa an Kirchen aus der Zeit vor und nach 1900, die noch weitgehend im Urzustand erhalten sind, oder auch an Schulen und Gerichtsgebäuden von eindrucksvollem Aussehen. Wer sich für Friedhöfe und Parkanlagen begeistert, findet ebenfalls interessante Informationen.

Bei der Vorstellung des Buches in der aus der Kaiserzeit stammenden, mit großer Sorgfalt von der Denkmalpflege restaurierten Villa Schott in der Wriezener Straße nahe dem Soldiner Kiez betonte die Senatorin für Stadtentwicklung Ingeborg Junge-Reyer ihre Zufriedenheit über das Erscheinen des Buches. Sie erwarte von der Denkmaltopographie, dass sie Heimatbewusstsein und Stolz auf kulturelle Werte im eigenen Stadtteil fördert.

Die „Denkmale in Berlin. Bezirk Mitte, Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen“ erschienen im Michael Imhof Verlag Petersberg, der auch andere Bände der Schriftenreihe publiziert. Der Band hat 288 Seiten, 300 Abbildungen und kostet 29,80 Euro (ISBN 3-937251-26-X).

Helmut Caspar

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