Als 1806 die Zitadelle kampflos fiel -
Berlin-Kalender 2006 mit Geschichten zwischen Spandau
und Köpenick

Zweihundert Jahre ist es her, daß sich Preußen in einen gewagten Krieg mit dem französischen Kaiser Napoleon I. einließ und ihn verlor. Der neue, von der Edition Luisenstadt herausgegebene Berlin-Kalender für das Jahr 2006 geht an verschiedenen Stellen auf das Jahr 1806 ein und schildert auch die Folgen des Zusammenbruchs der altpreußischen Monarchie. Die Broschüre ist mehr als ein einfacher Taschenkalender, denn von Tag zu Tag werden Jahrestage, Jubiläen und andere Ereignisse vermerkt, und wenn es sich um solche von besonderem Interesse handelt, werden sie jeweils auf zwei Druckseiten näher beschrieben.

Die Geschichten aus dem alten und dem neuen Berlin beginnt gleich im Januar 2006 mit einem Blick in die Chronik von Spandau im Jahre 1806. Bedeutendstes Bauwert der Festungsstadt, die damals noch Spandow hieß, ist die in der Renaissance gebaute Zitadelle. In der sogenannten Daberkowschen Chronik, benannt nach dem damaligen Bürgermeister, wird geschildert, wie im Oktober 1806 die „Vestung“ kampflos an die Franzosen übergeben wurde. Als der siegreiche Kaiser Spandau besuchte, verkniffen es sich die Bewohner, ihn mit Vivat-Rufen zu begrüßen. Die Offiziere, die den Feind in die Zitadelle einließen, ohne dass preußische Soldaten einen Schuss abgaben, wurden zu Festungshaft verurteilt.

An anderer Stelle schildert der in nunmehr 13. Folge erschienene Berlin-Kalender die Vorbereitungen des preußischen Königs Friedrich II., des Großen, auf den dritten Schlesischen Krieg, der 1756, von 250 Jahren, begann. Der Feldzug sollte eigentlich nur kurz dauern, zog sich aber bis 1763 hin und wurde als Siebenjähriger Krieg bekannt. Seine Folgen für Berlin waren verheerend. Die Einwohner mussten hohe Abgaben entrichten, und ihre Zahl verringerte sich drastisch. Erinnert wird in dem Büchlein auch an die Olympischen Spiele 1936 und die dort veranstalteten ersten Fernsehübertragungen, an die Gründung des Zentralviehhofs im Jahr 1881 und an den Coup des Hauptmanns von Köpenick im Oktober 1906. Der ehemalige Schuster und Strafgefangene Wilhelm Voigt avancierte seither zum Maskottchen und ist sogar, in Bronze gegossen, an den Stufen des Köpenicker Rathauses präsent. Wer etwas über den ersten Defa-Film von 1946 „Die Mörder sind unter uns“ oder die Eröffnung der Nationalgalerie im Jahre 1876 wissen will, wird durch den Berlin-Kalender ebenso gut informiert wie über bekannte Persönlichkeiten und Bauwerke. Der Berlin-Kalender erschien im trafo-Verlag Berlin, hat 286 Seiten und kostet 7,80 Euro (ISBN 3-89626-280-7).

Helmut Caspar

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