Wettkämpfe im Zeichen des Gottesfriedens -
Sieger der Olympischen Spiele genossen bei den alten Griechen hohes Ansehen und wurden mit Ehrungen überhäuft



Wagenrennen mit einem oder mehreren Pferden zählten zu den vornehmsten Sportarten. Vasenmalerei um 410 vor Christus.
(Foto: Archiv)

Die Olympischen Spiele in Athen werfen ihre Schatten voraus, im August werden sie an historischem Ort eröffnet, und dann wird man auf klassischem Boden auch derer gedenken, die im antiken Olympia zum "Kampf der Wagen und Gesänge" zusammen kamen, um es mit Friedrich Schiller auszudrücken, und an den Vater der Olympischen Spiele der Neuzeit, den französischen Baron Pierre de Coubertin (1863-1937), zu erinnern. Der Politiker und Historiker regte 1894 auf einem Kongress in Paris die Wiederaufnahme der Wettkämpfe an. „Die Olympische Spiele durchzuführen heißt, sich auf die Geschichte zu beziehen, und sie ist es auch, die am besten den Frieden gewährleistet“, war Coubertin überzeugt. Bereits zwei Jahre später wurde die erste Olympiade der Neuzeit in einem antiken Stadion in Athen eröffnet.

Die Idee der Wiederbelebung des sportlichen und kulturellen Highlights der Antike fiel auf fruchtbaren Boden. Sport war im ausgehenden 19. Jahrhundert im Kommen und wurde ein Massenphänomen. Ausserdem konnte man in einer Zeit, da Pazifismus in Europa großen Anklang fand, mit dem Hinweis auf die antiken Olympiaden für Abrüstung, Völkerverständigung und Weltfrieden werben. Denn in klassischer Vorzeit wurde für die Zeit der Sport- und Sängerwettkämpfe der „Gottesfrieden“ ausgerufen. Bei Rache der Götter war es verboten, Teilnehmern und Gästen nur ein Haar zu krümmen. Auch dass während der Spiele keine blutigen Fehden ausgetragen werden durften, war ein unumstößliches Gebot.

Die antiken Olympiaden waren der glanzvolle Höhepunkt im gesellschaftlichen und kulturellen Leben Griechenlands, ein friedlicher, nach genauen Regeln veranstalteter Konkurrenzkampf von Athleten und Musensöhnen. Ausgetragen wurde der Ausscheid alle vier Jahre in Elis, einer Landschaft im Nordwesten des Peloppenes mit Olympia als Mittelpunkt. Eigentlicher Schauplatz war das berühmte Heiligtum des Zeus, des höchsten Gottes der Griechen. Reste des Zeus- und dem Heratempels, eines Stadions und weiterer Sportstätten sowie von Schatzhäusern, Bädern und Unterkünften für die Athleten und Zuschauer werden seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ausgegraben. Das von dem berühmten Bildhauer Phidias geschaffene, allerdings schon seit der Antike verschwundene Bildnis des Zeus aus edlem Holz, Elfenbein und schwerem Goldbelag zählte einst zu den sieben Weltwundern.

Ursprünglich handelte es sich bei den Olympiaden um ein Kultspiel von eher regionalem Zuschnitt. Doch beteiligten sich nach und nach andere Stadtstaaten und auch einige griechische Herrscher, und so entwickelten sich die Spiele zu einem das ganze Land begeisternden mehrtägigen Fest, an dem als Aktiver oder auch als Besucher teilzunehmen eine hohe Ehre war. Da nur freie Griechen, die im Besitz der Bürgerrechte sein und frei von Blutschuld sein mußten, zugelassen waren, schloss man unliebsame Konkurrenz aus, etwa Zugewanderte, Arme oder Sklaven. Wie antike Kunstwerke – Vasenmalereien, Skulpturen, Münzen – zeigen, wurden die Wettkämpfe von nackten Jünglingen, aber auch älteren Männern ausgetragen. Münzen waren übrigens als eine Art Massenmedium beliebt. Auf ihnen hat man siegreiche Athleten und Pferdegespanne abgebildet. Durch Reisende und Händler fanden diese edlen Darstellungen weite Verbreitung.

Neben Wettkämpfen stets unter Aufsicht von speziell vereidigten Kampfrichtern wie Kurzstrecken-, Weit- und Staffellauf (zum Teil unter Mitnahme von Waffen), Hoch- und Weitsprung, Gymnastik, Gewichtheben, Fünfkampf, Ringen und Faustkampf (oder eine Mischung von beidem) gab es auch als Höhepunkt das Wagen- oder Pferderennen. Dazu kommen Diskuswerfen, Bogenschießen und Speerwerfen. Zum kulturellen Teil der Spiele gehörte auch einen Wettstreit von Flötenspielern, Trompetern und anderen Musikern. Herolde hatten das wichtige Amt inne, die Sieger zu verkünden.

Zahlreiche griechische Herrscher und viele Stadtstaaten setzten alles daran, ihre besten Athleten nach Olympia zu schicken und damit auf sich aufmerksam zu machen. Kehrten sie mit dem Siegeslorbeer heim, wurden dieser im wahrsten Sinne des Wortes vergoldet. Man überhäufte die Olympioniken mit Ehrungen und zum Teil sehr hohen Geldgeschenken, denn durch sie fühlten sich die Bewohner der Heimatstädte selber ausgezeichnet. Die Besten der Sportspiele besaßen vielfältige Privilegien wie Befreiung vom Militärdienst oder von Abgaben, ausserdem wurden ihnen Ehrenbürgerschaften übertragen, und man gewährte ihnen freie Kost und Logis bis an ihr Lebensende. Die dankbaren Bürger stellten ausserdem Standbilder ihrer Athleten auf und verewigten ihre Namen in Inschriftentafeln.

Pierre de Coubertin kannte sich in der Geschichte der antiken Olympiaden bestens aus. Als Hommage an das klassischen Griechenland und seine sportliche Geschichte führte er unter anderem den Marathonlauf ein. Er erinnert an den Sieg der Athener über die Perser im Jahr 490 vor Christus in der Ebene von Marathon an der nördlichen Ostküste von Attika. Nach der Überlieferung soll ein Läufer die rund 42 Kilometer lange Strecke nach Athen eilends zurückgelegt haben. Indem er die Siegesbotschaft verkündete, brach er tot zusammen.

Die erste Olympiade der Neuzeit sollte 1896 übrigens am originalen Schauplatz, dem antiken Olympia, stattfinden. Doch kam man ziemlich schnell von dem Plan ab, weil es in der griechischen Provinz keine ausreichenden Möglichkeiten gab, die Wettkämpfe nach modernen Regeln ordnungsgemäß zu veranstalten. So ging man in die griechische Hauptstadt, nach Athen, wo sich die Athleten im antiken Panathenaikon-Stadion trafen. Die Arena wurde mit Hilfe von Spenden wohlhabender Griechen restauriert und mit neuen Sitzplätzen aus Marmor ausgestattet. Der Plan, das Treffen der besten Sportler aus aller Welt für immer nach Griechenland und speziell nach Athen zu holen, wurde nicht verwirklicht. Das Internationale Olympische Komitee vergibt prinzipiell die Spiele an wechselnde Orte. Ob Leipzig 2012 die glückliche Austragungsstadt ist, wird sich zeigen.

Helmut Caspar

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