Vom Kartätschenprinzen zum Heldenkaiser -
Wie die Hohenzollern mit alten und neuen Medien monarchische Imagepflege betrieben



Das eitle Gehabe des Kaisers von China, in dem man unschwer Wilhelm II. erkennt, wurde von Karikaturisten wie hier im englischen „Punch“ von 1898 oft aufs Korn genommen. (Repro: Caspar)

Dass Politiker, Wirtschaftsbosse, Popstars, Sportler und andere Prominente auf ihr Image achten und zu seiner Pflege ganze Heerscharen von Beratern und Medienleuten beschäftigen, gehört zu unserem Alltag. In anderer, weit urtümlicherer Form gab es bereits im Altertum intensive Anstrengungen, um das Ansehen von Herrschern aller Art schon zu deren Lebzeiten zu erhöhen und ihnen einen guten Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern. So ließen die römischen Kaiser überall im Reich ihre Bildnisse aus Marmor und Bronze aufstellen und an Tempeln, Palästen, Toren und anderen Gebäuden Inschriften zur Propaganda ihrer Taten anbringen. Selbstverständlich dienten auch Münzen zur Verherrlichung selbst der grausamsten und unfähigsten Imperatoren. Ihnen wurden, ob verdient oder nicht, die schönsten menschlichen Eigenschaften wie Treue, Heldenmut oder väterliche Fürsorge angedichtet. Verlor ein solcher Herrscher dann doch irgendwann den Thron, konnte es passieren, dass in seine Nachfolger ihn zur Unperson machten, was den Sturz seiner Denkmäler und die Tilgung seines Namens zur Folge hatte.

Bilder in den schönsten Farben
So weit kam es bei der preußischen Herrscherfamilie derer von Hohenzollern nicht. Ihre Kurfürsten, Könige und – ab 1871 – Kaiser starben friedlich im Bett und erhielten, bis auf den letzten Kaiser Wilhelm II., der 1941 im holländischen Exil starb - prunkvolle Staatsbegräbnisse. Einige Hohenzollern hat man schnell vergessen, anderen war die Pflege ihres Andenkens lange über ihren Tod hinaus vergönnt. In diesen Genuss kam vor allem König Friedrich II., den man bereits zu Lebzeiten „den Großen“ nannte. Während seiner Regierungszeit von 1740 bis 1786 war er eine Kultfigur, von der man mit Andacht, aber auch mit Abscheu sprach, je nach Wohnort und Sichtweise. Maler, Bildhauer, Dichter und Historiker mühten sich, den Alten Fritz in den schönsten Farben als einen Mann zwar mit Ecken und Kanten, aber mit Mut und Weitsicht darzustellen. Des Königs Menschenverachtung und seine Unerbittlichkeit in Machtfragen, seine vielen Eroberungskriege mit schrecklichen Menschenverlusten hatten in diesem Heldenkult keinen Platz.

Im 19. Jahrhundert wurde Friedrich der Große, von dem man sagt, er habe um seine eigene Person nicht viel Wesen gemacht, zum bedeutenden Staatenlenker und überragenden Strategen, aber auch zu einer Art Vater des Vaterlandes stilisiert. Rührselige Anekdoten wurden in Umlauf gesetzt, ergänzt durch Historienbilder, und Schulkinder kannten biographische Einzelheiten auswendig. Die Nationalsozialisten zogen, um ihre Herrschaft zu legitimieren, eine direkte Linie von diesem Preußenkönig über den ersten deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck bis zu Adolf Hitler. Aussprüche des Großen Königs, dessen Bildnis in Hitlers Berliner Bunker hing, mussten bis in die letzten Tage des Zweiten Weltkriegs für Durchhalteparolen herhalten. Diese Vereinnahmung verstellte nach dem Ende der NS-Diktatur den Blick auf den König und den Reichskanzler, weshalb es lange dauerte, bis man sich ihnen wieder unvoreingenommen nähern konnte.

Königin Luise als Heldenmutter
Fast kultische Verehrung genoss im 19. und frühen 20. Jahrhundert auch die aus Mecklenburg-Strelitz stammende und schon 1810 mit nur 34 Jahren verstorbene preußische Königin Luise. Sie wurde unter der Regentschaft ihres Gemahls Friedrich Wilhelm III. sowie seiner Nachfolger Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. zur Heldenmutter stilisiert, die sich für Preußen aufopferte. Manche Träne mag geflossen sein, wenn man ihre Liebe zu ihrem Mann und ihren Kindern, aber auch zu ihren vielgeliebten Untertanen schilderte oder beschrieb, wie sie den französischen Kaiser Napoleon I. von den schweren Friedensbedingungen abzubringen versuchte, die er dem unterlegenen Preußen nach seinem Sieg in der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806 auferlegte. Natürlich warf der Luisenkult auch Glanz auf diejenigen, die ihn betrieben, sei es als Auftraggeber und Urheber von Gemälden und Skulpturen, sei es als Geschichtenerzähler oder – ein Jahrhundert später – als Regisseure und Schauspieler in kitschigen Spielfilmen.

Regelrecht als Heldenkaiser in den Himmel gehoben wurde Wilhelm I., ein Sohn von Luise und Friedrich Wilhelm III. Er bestieg 1861 den preußischen Königsthron und ließ sich 1871 nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich in Versailles zum deutschen Kaiser ausrufen. Vergessen zumindest in monarchistischen Kreisen war, dass dieser Hohenzoller, maßgeblich an der blutigen Niederschlagung der Revolution von 1848/9 beteiligt, als so genannter Kartätschenprinz im liberalen Deutschland zeitweilig ein Hassobjekt der Extraklasse war. Vorzüglich verstanden es Maler und Schreiber, Wilhelm I. als gütigen, nimmermüde arbeitenden Landesvater und Staatenlenker darzustellen, als einen Mann des Volkes, auch wenn der Abstand zwischen ihm und seinen Untertanen riesengroß war. Zahlreiche Gemälde zeigen den Kaiser im Schmuck seiner Insignien, aber auch in legerer Kleidung, wie er gerade die Augen von einem wichtigen Papier erhebt.

Sorge um einen guten Platz in den Geschichtsbüchern
Wilhelm I., sein Sohn und Nachfolger Friedrich III., der im Jahre 1888 wegen eines Krebsleidens nur 99 Tage Kaiser war, und dessen Sohn Wilhelm II., der bis zur Novemberrevolution 1918 regierte, sorgten sich um einen guten Platz in den Geschichtsbüchern und betrieben einen regelrechten Personenkult mit sich selbst, mit ihrer Familie und ihren Ahnen. In dieser Hinsicht tat sich Kronprinz Friedrich, der nachmalige Kaiser Friedrich III., besonders hervor. Er verstand es bravourös, die Klaviatur der damaligen Medien zu spielen, regte Denkmalstiftungen an und sorgte dafür, dass Andenken an das Haus Hohenzollern in einem eigens im Berliner Schloss Monbijou eingerichteten Hohenzollernmuseum gesammelt und zur Pflege einer vertraulichen Atmosphäre zwischen dem Volk und seinen Herrschern präsentiert wurden.

Kaiser Wilhelm II. sah sich als Vollstrecker der Taten seines Großvaters Wilhelm I., den er stets Wilhelm den Großen nannte. Zwar bürgerte sich dieser Beiname nicht ein, denn „Größe“ lässt sich nicht verordnen. Dafür aber schossen überall im Kaiserreich Denkmäler aus dem Boden, die den Reichsgründer als Landesvater und Feldherrn verherrlichten. Als Stifter tat sich vor allem Wilhelm II. hervor, der von sich gesagt haben soll, wäre er nicht Kaiser geworden, dann hätte er gern den Beruf eines Bildhauers ergriffen. Nicht immer fanden die Ideen des prestigesüchtigen und im Übrigen auch durch sein ständiges Säbelrasseln nicht ganz ungefährlichen Monarchen Zustimmung, und so war eine seiner spektakulärsten Stiftungen, die aus 32 Herrscherfiguren aus Marmor bestehende Berliner Siegesallee, vor hundert Jahren allgemeinem Spott ausgesetzt. Die aus einer Aneinanderreihung von Markgrafen, Kurfürsten und Königen bestehende „weltberüchtigte Puppenallee“ hat in Rudimenten den Zweiten Weltkrieg überstanden und wird heute im Lapidarium am Halleschen Ufer in Berlin aufbewahrt.

Ausstellung im Schloss Charlottenburg
Figuren von der ehemaligen Siegesallee werben vor dem Berliner Schloss Charlottenburg für die Ausstellung „Die Kaiser und die Macht der Medien“. Bis zum 17. April 2006 dokumentiert die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, wie die drei deutschen Kaiser Wilhelm I., Friedrich III. und Wilhelm II. sehr gekonnt und mit allen Mitteln die damaligen Bildmedien nutzten, um sich als strahlende Helden und große geschichtliche Persönlichkeiten in Szene zu setzen und ihre Popularität zu steigern. Vorgestellt wird zunächst das 1877 gegründete Hohenzollern-Museum im Berliner Schloss Monbijou. Sein Ziel war es, durch Zurschaustellung von offiziellen und privaten Erinnerungsstücken die historischen Leistungen seiner Familie beim Aufbau Brandenburg-Preußens herauszustreichen und allerlei Legenden und Anekdoten um einzelne Herrscher materiell mit Erinnerungsstücken zu untermauern. Das Barockgebäude wurde im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört und danach abgetragen, seine Bestände kamen in verschiedene Museen und Sammlungen. Die Palette der neuen Ausstellung im Charlottenburger Schloss reicht einer Tabakdose Friedrichs des Großen über einen Kamm der Königin Luise mit originaler Haarlocke bis zu bunten Staatsporträts der drei genannten Kaiser sowie einer Auswahl aus den unzähligen Fotografien, die das Bildnis des omnipräsenten Kaisers Wilhelm II. samt schwungvoller Unterschrift in den letzten Winkel des Kaiserreiches und darüber hinaus trugen. Dazu kommen Bilder von militärischen Manövern oder von der Kaiserfamilie ganz privat, aber auch Modelle von Herrscherdenkmälern, die zum großen Teil wieder im Orkus der Geschichte verschwunden sind. Ganz zum Schluss können die Besucher frühe Filme betrachten, auf denen der prestigesüchtige Kaiser Wilhelm II. bei seiner Lieblingsbeschäftigung, sich medienwirksam in Positur zu stellen, zu erkennen ist. Die Ausstellung ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Katalog erschien im Berliner Jaron Verlag, hat 128 Seiten und kostet 18 Euro.

Helmut Caspar

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