„Ich bin der Mann des Staates“ -
Vor 200 Jahren krönte sich Napoleon Bonaparte zum Kaiser der Franzosen und wählte Bienen zu seinem Symbol



Napoleon I. im Krönungsornat, Gemälde von Francois Gérard
(nach 1806). Repro: Caspar

Als sich der Erste Konsul Napoleon Bonaparte am 2. Dezember 1804, vor nunmehr 200 Jahren, in einer feierlichen Zeremonie in der Pariser Kirche Notre Dame zum Kaiser der Franzosen krönte, muss das für den Emporkömmling ein unbeschreibliches Gefühl gewesen sein. Aus dem Nichts war der ehemalige Hauptmann und General in schwindelnde Höhe aufgestiegen. Die ganze Nation oder wenigstens der größte Teil derselben lag dem mächtigsten Mann in Europa zu Füßen, während der Staatsakt vom übrigen Europa mit bangen Erwartungen beobachtet wurde. Doch schon zehn Jahre nach der spektakulären Selbstkrönung war der 1769 auf der eben erst französisch gewordenen Mittelmeerinsel Korsika geborene Aufsteiger am Ende. Niemand hat gezählt, wie viel Millionen Tote und Verwundete seinen Weg säumten, und trotzdem gilt er wenigstens in seinem Land als Held und Vorbild. 1840, nur 19 Jahre nach seinem Tod auf der fernen Insel Sankt Helena, wurde ihm im Pariser Invalidendom eine prächtige Grabstätte bereitet.

Napoleon Bonaparte hatte den Aufstieg zum Kaiser der Franzosen zielstrebig und mit großer Energie betrieben. Endlich stand er mit den alten Feudaleliten auf gleicher Augenhöhe. Nicht nur persönliche Eitelkeit und ausgeprägtes Machtstreben trieben Bonaparte an, den Staub der republikanischen Zeit von sich zu schütteln. Es gab auch ganz handfeste Beweggründe für die Ende 1804 vollzogene politische Wende. Ihm war in hohem Grade daran gelegen, widerstrebende Republikaner und Royalisten auf seine Seite zu ziehen. Dies gelang ihm durch Vergabe von Orden, Titeln, Ländereien und einträglichen Posten am kaiserlichen Hof. Viele Leute, die dem Aufsteiger zunächst kritisch bis feindlich gesonnen waren, folgten dem Lockruf des Goldes und ließen sich in das napoleonische System einspannen. „Für eine schier endlose Schar von Palastpräfekten, Hofdamen und niederen Hofchargen suchte Napoleon mit der größten Vorliebe Namen von altem Klang zu gewinnen … Man findet einen Salm, einen Aremberg, einen Larochefoucauld, einen Montesquiou am Hofe des kleinen Kadetten von Brienne, der ehemals Zielscheibe des hochadligen Spottes gewesen war. Nun hat er ihnen verziehen, freilich erst, nachdem er ihr unumschränkter Herr gewesen war“, schrieb der Historiker August Fournier in einem Werk über Napoleon.

Wo das Werben um die ehemaligen Machthaber nicht glückte, und das war vor allem bei Ludwig XVIII. der Fall, dem Bruder des 1793 geköpften französischen Königs Ludwig XVI., wurden gewaltsame Mittel bis hin zum politischen Mord angewandt. „Wenigstens sollen sie sehen, wessen wir fähig sind, und werden uns künftig in Ruhe lassen“, sagte Bonaparte, als ihm europaweites Entsetzen über die Erschießung des aus Deutschland nach Frankreich verschleppten Herzogs von Enghien wenige Monate vor seiner Kaiserkrönung entgegen schlug. Bonaparte, damals noch Erster Konsul, ließ ein Exempel an einem Familienmitglied der alten Dynastie statuieren und begründete die Erschießung mit angeblichen Umsturzplänen. Kaum jemand wagte es, sich dem starken Mann Frankreichs entgegen zu stellen, der von sich behauptete „Ich bin der Mann des Staates, ich bin die französische Revolution, und ich werde sie aufrecht erhalten.“ Erst als sich das Kriegsglück vom Kaiser abwandte und er immer neue Niederlagen einstecken musste, formierte sich in Frankreich und den von ihm abhängigen Ländern eine Front des Widerstandes und der militärischen Rebellion.

Dass Napoleon Bonaparte die Monarchie einführen wollte, deutete sich schon 1802/3 an. Der Erste Konsul war fest entschlossen, das Antlitz Europas grundlegend zu verändern und das abendländische Kaiserreich zu erwecken, wie er sagte, um damit auch einen Gegenpol zum „Erbfeind“ England zu schaffen. Zehn Jahre nach der Hinrichtung des Königspaares Ludwig XVI. und Marie Antoinette (1793) und dem Ende der Monarchie in Frankreich wurden insgeheim Vorbereitungen für die Schaffung des Empire française getroffen. Ein Schritt dahin war die Wiedereinführung von Kirche und Religion, deren Einfluss aber durch ein epochales Gesetzbuch, den Code civil, beschnitten wurde. Die Änderung der Verfassung zum Zwecke der Einführung des Erbkaisertums war im Frühsommer 1804 nur noch eine Formalität.

Die Kaiserkrönung am 2. Dezember 1804 muss ein eindrucksvoller Staatsakt gewesen sein. Mit übertrieben freundlichen Worten bat Napoleon den nach Frankreich verschleppten Papst Pius VII., die Salbung und Krönung persönlich vorzunehmen und damit der Zeremonie „neuen Glanz“ zu verleihen. Der spätere Kardinalstaatssekretär Ercole Consalvi blickte hinter die Kulissen und schrieb sarkastisch: „Man setzte den Heiligen Vater in Trab, wie einen Kaplan, den sein Herr rufen lässt, um die Messe zu halten“. Napoleon I. ließ sich zwar vom Papst salben, krönte aber sich und seine Gemahlin Josephine selber, um zu unterstreichen, dass er Kaiser von Gottes Gnaden ist und die Würde nur von ihm bekommt, nicht aber aus den Händen des Papstes.

Schaut man sich die Krönungs- und Staatsbildnisse an, dann erkennt man, dass der Herrschermantel mit gestickten Bienen an Stelle der Lilien als Symbole des untergegangenen Königtums geschmückt ist. Nichts sollte mehr an das alte Feudalsystem erinnern. Doch wie ähnlich war alles, was mit Hofhaltung und Ehrenämtern, Zeremonien und Titeln zu tun hatte und mit all dem monarchischen Plunder, der durch die französische Revolution von 1789 fortgeräumt worden war. Der Ersatz der königlichen Lilien durch Bienen kam übrigens nicht von ungefähr. Man schätzte die fleißigen Insekten als Symbol des mythischen Königs Childerich (458-481), und indem Napoleon sie zu seinem Logo erhob, gab er zu verstehen, dass seine Herrschaft legitim ist und auf uralten Fundamenten steht.

Einmal in Fahrt, war der Kaiser nicht mehr zu bremsen. Als er sich 1805 in Mailand zum König von Italien krönte, setzte er sich die so genannte Eiserne Krone von Monza mit den Worten „Gott hat sie mir gegeben, weh dem, der sie berührt“ aufs Haupt. „Ich bin von nun an Karl der Große. Denn ich besitze die Krone Frankreichs samt jener der Lombarden, und mein Reich grenzt an den Orient“, schrieb Napoleon I. mit stolz geschwellter Brust ein Jahr später. Da befand er sich auf dem Höhepunkt seiner Macht, hatte seine Brüder und Paladine auf deutsche und europäische Throne gesetzt und durch Vergabe von Ländern und Titeln Abhängigkeiten geschaffen, die ewigen Bestand seiner Dynastie sichern sollten. Wie sich aber zeigte, stand das Empire française auf tönernen Füßen und brach wenige Jahre später in den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 in sich zusammen.

Helmut Caspar

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