Zweimal König Otto von Griechenland -
Wie ein Bayer vor über 170 Jahren auf den Thron in Athen gelangte und Weiß-Blau zur Nationalfarbe wurde



Ein bayerischer Stempelschneider schuf dieses silberne Fünfdrachmenstück von 1844 mit dem Kopf Ottos I. von Griechenland und dem gekrönten Landeswappen. (Foto: Caspar)

Die Begeisterung der Griechen war kaum zu bremsen, als am Abend des 4. Juli fest stand, dass ihre Mannschaft, die von allen Sportanalysten als Außenseiter gehandelt wurde, gegen eine starke portugiesische Auswahl die Fußball-Europameisterschaft 2004 gewonnen hat. Wer auf die Griechen gewettet hatte, und das waren nur ganz wenige, hatten den richtigen Griff in den goldenen Glückstopf getan. Der Überraschungserfolg sei vor allem dem deutschen Trainer Otto Rehhagel zu verdanken, jubelten die Griechen. Man sollte „König Otto“ die griechische Staatsbürgerschaft verleihen, um ihn dauerhaft im Lande zu behalten, hieß es einhellig.

König Otto, warum dieser Ehrentitel? Kramt man in der Geschichte des modernen Griechenland, dann kommt tatsächlich ein Monarch dieses Namens zum Vorschein, ein Deutscher noch dazu. König Otto I. von Griechenland war der zweitgeborene Sohn des bayerischen Königs Ludwig I. Der durch klassizistische Bauwerke wie die Walhalla bei Regensburg, die Feldherrnhalle in Kehlheim sowie zahlreiche Repräsentationsbauten in der Residenzstadt München bekannt sowie durch die heikle Liebesaffäre mit der Tänzerin Lola Montez berühmt gewordene Ludwig I. nutzte nach Beendigung des griechischen Unabhängigkeitskrieges gegen die Türken von 1821 bis 1830 die Gunst der Stunde, um seinen Sohn auf den Thron der Hellenen zu hieven. Die damaligen Großmächte England, Frankreich und Russland hatten ein starkes Interesse an geordneten Verhältnissen in dem seit dem 15. Jahrhundert von den Türken beherrschten Griechenland, das im Mai 1832 durch eine in London getroffene Übereinkunft zum unabhängigen Königreich erklärt wurde.

Als Prinz Otto aus dem Hause Wittelsbach 1832 den griechischen Thron bestieg, war er erst 16 Jahre alt und stand daher noch zwei Jahre unter Vormundschaft. Auf sein hohes Amt war er ungenügend vorbereitet, doch standen ihm Berater zur Seite, die ihm sagten, was er zu tun hat. Ausserdem war er von jenen Mächten abhängig, die ihm die Königskrone verschafft hatten, kein gemütlicher Gedanke für den selbstbewussten Herrscher. Angeblich soll er dafür gesorgt haben, dass die bayerischen Farben weiß und blau auch die Landesfarben seiner Untertanen wurden. Das wenigstens verbindet bis heute die Gegenwart mit der Vergangenheit.

Otto I. regierte das Land trotz großer finanzieller Schwierigkeiten mit einigem Erfolg, verwandte große Mühe, aus ihm einen modernen Staat zu machen. Bei seiner Ankunft im Januar 1833 fand er ein vom Krieg verwüstetes Land vor, das keineswegs den verklärten Vorstellungen der bayerischen Griechenlandliebhaber entsprach, allen voran die seines in die Antike verliebten Vaters König Ludwig I. Dessen ungeachtet bestimmte der neue Herrscher Athen zur Hauptstadt. Dies geschah, obwohl in der ziemlich herunter gekommenen Metropole vom Glanz der Antike so gut wie nichts mehr zu spüren war. Vom bauwütigen Vater und seinen Architekten inspiriert, verlieh Otto I. seiner Hauptstadt ihre bis heute sichtbare städtebauliche und architektonische Gestalt.

Wenn die Griechen an Otto von Bayern denken, tun sie es mit einiger Dankbarkeit, vergessen gern die Querelen, die mit seiner Regentschaft verbunden waren. Er war maßgeblich am Aufbau der Staatsverwaltung, der Organisation eines modernen Bildungs- und Gesundheitswesen und der Erschließung von Verkehrswegen beteiligt. Doch richtig heimisch wurde er in seiner neuen Heimat, so fern von den heimischen Alpen, nie. Außenpolitisch waren dem Herrscher die Hände gebunden. Von den Großmächten abhängig, denen er den Thron verdankte, und einem Großteil der Griechen fremd, sah er sich immer wieder Rebellionen ausgesetzt. Der Mann aus Bayern genügte offenbar nicht den hohen Erwartungen, den die Griechen an ihr Oberhaupt richteten. So kam es 1862 zu einem Aufstand, der zwar unblutig verlief, an dessen Ende aber der Wittelsbacher seine Krone niederlegen musste. Dies geschah auch deshalb, weil er des Rückhalts bei den Schutzmächten und insbesondere bei Russland, mit dem er sich angelegt hatte, verlustig gegangen war. Otto I. und seine Gemahlin Amalie kehrten nach halb froh, halb frustriert Bayern zurück und machten Bamberg zu ihrem Wohnsitz. Mit ihrem kleinen griechischen Hofstaat lebten Otto und Amalie in der ehemaligen fürstbischöflichen Residenz bis zu ihrem Tod 1867 bzw. 1875. Die Herrschaft eines Bayern blieb in der griechischen Geschichte nur eine Episode. Dem Wittelsbacher folgten auf dem Thron in Athen weitere Herrscher aus deutschen Fürstenhäusern. Erst 1924 wurde das Land eine Republik. Zwischen Monarchie und Republik schwankend, wurde erst 1973 ein für allemal die Königsherrschaft abgeschafft. Indem die Griechen ihren Nationaltrainer Otto Rehhagel mit jenem König Otto I. oder gar dem antiken Helden Hercules vergleichen, beweisen sie Geschichts- und Traditionsbewusstsein in der Hoffnung, er möge sie auf den Olymp der Fußballwelt führen und ihnen die Weltmeisterschaft 2006 verschaffen.

Helmut Caspar

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