Der König ließ prügeln -
Friedrich II. zeigte sich bei Kritik wenig tolerant und erteilte bei Widersetzlichkeit Schreibverbot



Friedrich II. als Landesvater, Gesetzgeber und Feldherr – Bronzedenkmal von Schadow im Garten des Schlosses Charlottenburg. (Foto: Helmut Caspar)

Unser Grundgesetz verbietet hierzulande die Zensur. Das ist eine große demokratische Errungenschaft, von der man in früheren Zeiten nicht zu träumen wagte. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geht allerdings nicht so weit, dass es Leuten erlaubt, gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu kämpfen oder zu Rassenhass sowie zu Krieg und Gewalt aufzurufen. Wer dies tut, hat mit Strafverfolgung zu rechnen. Ausserhalb dieses Rahmens kann jeder nahezu alles sagen und schreiben, was er will, er muss nur ein geeignetes Medium finden.

Ganz anders in früheren Zeiten. Obwohl sich beispielsweise der absolutistisch regierende König Friedrich II. von Preußen tolerant und aufgeschlossen gab, konnte er fuchsteufelswild, ja ausgesprochen brutal werden, wenn jemand seine Politik und seine Entscheidungen kritisierte. Bemerkungen kurz nach der Thronbesteigung (1740), dass den „hiesigen Berlinschen Zeitungsschreibern eine unumschränkte Freiheit gelassen werden soll“ und „Gazetten, wenn sie interessant sein sollten, (dürfen) nicht geniret werden“ dürfen, waren nichts wert, wenn der König auch nur leiseste Kritik zu erkennen glaubte. Dann konnte es schon vorkommen, dass er Verleger und „Scribenten“, also Schreiber, verprügeln ließ oder mit Schreibverbot belegte.

Nächtlicher Überfall
Wenn Nachrichten aus dem Polizeiwesen, der Wirtschaft oder gar aus dem Militär veröffentlicht wurden, die dem König von Preußen nicht passten, bekamen die Autoren mächtigen Ärger. Einen Verleger in Köln etwa, der in der „Gazette de Cologne“ österreichfreundliche Nachrichten verbreitete und den Einmarsch preußischer Truppen in Schlesien kritisierte, ließ der König 1741 verprügeln. Dazu wurde für die stattliche Summe von 50 Dukaten ein Schläger engagiert, der den kaisertreuen Herausgeber des angesehenen Blattes nachts überfiel. Der „abgeschmackte Gazettier“, wie Friedrich II. sagte, wurde regelrecht krankenhausreif geschlagen, ließ sich aber von seiner journalistischen Linie nicht abbringen und gab sogar noch eins drauf, in dem er gegen gute Bezahlung an europäische Fürstenhöfe so genannte Vertrauliche Informationen verschickte.

Der Fall wirft ein bezeichnendes Licht auf den gar nicht so toleranten König von Preußen. Er unterband zumindest in seinen Landen jegliche Kritik an seiner Person und Politik. Nur das wurde zugelassen, was vom König selbst oder seinen Beauftragten genehmigt wurde. Wer sich nicht daran hielt, hatte „nachdrückliche Ahndung zu gewärtigen“. Da sich der Verleger der „Berlinischen privilegirten Zeitung“, Johann Andreas Rüdiger, an die Weisung nicht hielt, entzog ihm der König 1743 seine Gunst. Generell verfügte er, die Gazetten dürften nicht eher gedruckt werden, „bis selbige vorher durch einen dazu autorisierten Mann zensiert und genehmigt“ sind. Dass die unter der Fuchtel des preußischen Königs gedruckten Journale nicht viel wert sind, hat auch der lange in Berlin lebende Dichter Gotthold Ephraim Lessing erfahren. Seinem Vater schrieb er 1751, die Berliner Zeitungen seien so trocken, „dass ein Neugieriger wenig Vergnügen darinne finden kann“.

Quadratur des Kreises
Um diesen Effekt zu vermeiden, bestimmte der Monarch, die Texte sollen „so natürlich als möglich und ohne affection“ formuliert werden. Das kam aber der Quadratur des Kreises gleich, denn offizielle und offiziöse Texte, auch wenn sie in gefälligem Stil verfasst sind, waren und sind in seltensten Fällen lesbar und anregend. Gelegentlich griff der König höchstpersönlich zur Feder und lancierte eigene Beiträge in die Zeitungen, verschleierte aber die Autorenschaft. Manchmal legte er auch falsche Fährten, etwa wenn preußische Friedensabsichten vorgetäuscht wurden, während schon ein neuer Krieg ins Haus stand. Natürlich verstand es Friedrich auch, die Leser durch getürkte Sensationsmeldungen und mit seichten Hofnachrichten von ernsten Dingen abzulenken – und scheint damit auch Erfolg gehabt zu haben. Dass der König von Meinungsfreiheit und Liberalität nichts hielt, zeigen seine oft sehr ruppigen Randbemerkungen an amtlichen Dokumenten.

Der Satz „Die Religionen müssen alle tolleriret werden…hier mus ein jeder nach seiner Fasson selich werden“ galt nur so lange, wie die Kirche und ihre Amtsträger brav und staatstreu waren. Wo Opposition das Haupt erhob, wo etwa das Gottesgnadentum des Monarchen angezweifelt wurde, setzte es böse Strafen.

Streit mit Voltaire
Da man den König nicht direkt angehen konnte, wenn man nicht Majestätsbeleidigung und Festungshaft riskieren wollte, wurde die indirekte Methode gebraucht. So erlaubte sich der enge Gesprächs- und Briefpartner sowie Gast des Königs in Sanssouci, der französische Schriftsteller und Aufklärer Voltaire, Kritik am Berliner Akademiepräsidenten Maupertuis. Eine außerhalb Preußens gedruckte und gegen den Günstling des Königs gerichtete Schmähschrift wurde 1752 in Berlin von einem Henker öffentlich verbrannt. Voltaire sah das und echauffierte sich darüber so sehr, dass er Friedrich II. eine Zeitlang die Freundschaft kündigte und außer Landes ging. Jahre später kamen sich die beiden in einer Art Hassliebe zueinander, aber Voltaire hielt sich vorsorglich in sicherer Entfernung, wusste er doch, wie sein königlicher Briefpartner mit Kritikern umzuspringen pflegte.

Die nach den berüchtigten „Karlsbader Beschlüssen“ erlassene Preußische Zensur-Verordnung vom 18. Oktober 1819 bestimmte, dass alle im Land der Hohenzollern herauszugebenden Bücher und Schriften der Zensurbehörde zur Genehmigung vorgelegt und ohne deren schriftliche Erlaubnis weder gedruckt noch verkauft werden dürfen. Das war ein schwerer Schlag gegen Journalisten, Literaten, Gelehrte und Freigeister sowie Drucker und Verleger, die in ihrem Schaffen stark behindert wurden oder gänzlich von Berufsverbot betroffen waren. Einbezogen in die Einschränkungen waren auch die Akademie der Wissenschaften und die Universitäten, deren bisherige Zensurfreiheit suspendiert wurde. Um die Öffentlichkeit zu besänftigen, behauptete die Verordnung in bewusst unklarer, auslegbarer Sprache: „Die Zensur wird keine ernsthafte und bescheidene Untersuchung der Wahrheit hindern, noch den Schriftstellern ungebührlichen Zwang auflegen, noch den freien Verkehr des Buchhandels hemmen. Ihr Zweck ist, demjenigen zu steuern, was den allgemeinen Grundsätzen der Religion, ohne Rücksicht auf die Meinungen und Lehren einzelner Religionspartheien und im Staate geduldeter Sekten zuwider ist, zu unterdrücken, was die Moral und gute Sitten beleidigt...“ Unter diesen Umständen war es kaum möglich, in preußischen und anderen Zeitungen etwas über die inneren Verhältnisse in Preußen zu erfahren, von amtlichen Mitteilungen abgesehen. Jeder Tadel der Regierung und ihren Beamten wurde unbarmherzig vom Zensor gestrichen.

Schlupflöcher gesucht und gefunden
Die Zensurbestimmungen wurden als so diskriminierend empfunden, dass ihre Abschaffung bei immer wiederkehrenden Protesten und in der Revolution 1948/49 kategorisch gefordert wurden. Zwar wurde die Zensur in der Kaiserzeit nach 1871 gelockert, doch der Tatbestand der Majestätsbeleidigung, der Gotteslästerung und der revolutionären Agitation, was immer man darunter verstand, war weiter strafbar. Wie ein Blick in die damalige „linke“ Presse einschließlich der vielen satirischen Zeitschriften zeigt, suchte und fand man immer wieder Schlupflöcher, um Machtmissbrauch, Misswirtschaft, Nationalismus und Militarismus offen zu legen. Gewitzte Autoren bedienten sich manchmal einer Sklavensprache, das heißt sie verschleierten ihre Kritik so gekonnt, dass man ihnen nichts anhaben konnte. Wer zu lesen verstand, fand die Information zwischen den Zeilen.

Helmut Caspar

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