Steinerne Glocke beherrscht wieder Elbpanorama -
Dresdner Frauenkirche wurde unter einem katholischen Herrscher als Wahrzeichen des Protestantismus überaus eindrucksvoll erbaut



Der Bau der Dresdener Frauenkirche war 1726 die Prägung einer Medaille wert. (Foto: Caspar)

Die „ steinerne Glocke“ genannte Dresdener Frauenkirche bestimmt neben dem Schlossturm und dem Turm der katholischen Hofkirche wieder Dresdens berühmtes Elbpanorama. Beim Feuersturm im Februar 1945 mit der ganzen Innenstadt vernichtet, erlebte die barocke Frauenkirche ihre grandiose Wiedergeburt. Bis Ende Juni sollen der Fußboden aus Sandstein verlegt und das vergoldete Kuppelkreuz auf der Laterne montiert sein. Am 31. Oktober 2005, dem Reformationstag, soll das 1726 bis 1743 nach Plänen des Dresdener Ratszimmermeisters George Bähr errichtete evangelische Gotteshaus feierlich eingeweiht werden.

Möglich war die originalgetreue Rekonstruktion des Dresdner Wahrzeichens außen und innen nur, weil sehr viele originale Steine und Architekturgliederungen erhalten geblieben waren. Bevor es vor gut zehn Jahren an den Wiederaufbau ging, wurde überall nach solchen Resten gesucht. Sogar am Ufer der Elbe wurden welche gefunden, weil man die Back- und Sandsteine nach dem Zweiten Weltkrieg zur Befestigung der Promenade verwendet hatte. Diese Spolien wurden auf einem großen Lagerplatz vor der Kirche deponiert und inventarisiert. Durch die Kombination von alten und neuen Steinen sieht die wieder aufgebaute Frauenkirche etwas scheckig aus, doch wird sich die helle Sandsteinfarbe mit den Jahren dem Dunkel der Originalsteine anpassen.

Die Wiedergewinnung der Dresdner Frauenkirche ist eine grandiose Leistung sowohl der Denkmalpflege als auch ein leuchtendes Zeugnis bürgerschaftlichen Engagements. Die in den späten achtziger Jahren von der sächsischen Denkmalpflege angeregten Pläne für den Wiederaufbau konnten erst richtig nach der Wiedervereinigung in Angriff genommen werden. Eine gut organisierte Bürgerbewegung und viele Sponsoren weltweit nahmen sich begeistert der Idee einer originalgetreuen Rekonstruktion an. Am 27. Mai 1994 wurde der erste neue Sandstein in die Ruine eingefügt, zehn Jahre später war die Schlusssteinsetzung.

Während beispielsweise über den Wiederaufbau des Berliner und des Potsdamer Stadtschlosses seit Jahren nur geredet wird, hat man in Dresden das Werk tatkräftig in die Hand genommen, wissend, dass es nicht um eine x-beliebige Ruine geht, die auf Stadtansichten gut aussieht, sondern weil sie auch eine baukünstlerische Meisterleistung darstellt und überdies die Errichtung vor 280 Jahren einen interessanten kirchengeschichtlichen Hintergrund hat.

Als 1724 nach langen Vorplanungen der Bau der Frauenkirche begann, war die Mehrheit der Sachsen protestantisch, ihr Landesherr aber, Kurfürst Friedrich August I., Katholik. 1697 bewarb er sich um die polnische Königskrone und hatte keine Bedenken, deshalb vom Lutherschen Glaubenskenntnis zu römisch-katholischen Kirche zu wechseln. Das tat der 27jährge klammheimlich am 2. Juni 1697. Nicht einmal die eigene im Glauben starke Frau Eberhard Christine, auch Betschwester Sachsens genannt, wusste davon. August der Starke, in Glaubensfragen eher lax, wurde tatsächlich nach Zahlung erheblicher Bestechungssummen an die Wahlmänner polnischer König und nannte sich August II.

Als der Glaubenswechsel ruchbar wurde, gab es in Sachsen, der Wiege des Luthertums, einen Aufschrei des Entsetzens. Religiöse Eiferer griffen den Herrscher als Verräter an, und im katholischen Polen ging die Angst vor den Protestanten im Schlepptau des neuen Königs um. Ein gut lutherischer Beamter sprach aus, was viele dachten, und bekam prompt ein Verfahren wegen Majestätsbeleidigung an den Hals: „Es wäre besser, sie hätten den König im ersten Bad ersäufet, so hätte er nicht katholisch werden können“.

Der nur an Körperkräften, in Liebesdingen und bei Saufgelagen starke, als Kunstmäzen und Bauherr bedeutende, sonst aber als Politiker und Militär ziemlich leichtgewichtige August versuchte, die Wogen im Volk und der Familie mit dem Versprechen zu glätten, seine Sachsen nicht in den Schoß der römisch-römischen Kirche holen zu wollen. Dass er es dreißig Jahre später zuließ, die evangelische Frauenkirche in Sichtweite des Dresdner Schlosses zu bauen und dies sogar durch eine prächtige Medaille gefeiert wurde, die auch den katholischen Landesherren lobend erwähnt, wurde allgemein als Ausdruck allseitigen Begehrens gewertet, zwischen Krone und Volk Einvernehmlichkeit in religiösen Dingen walten zu lassen.

Wenn man die Frauenkirche vor diesem Hintergrund betrachtet, wird man den Zentralbau des sächsischen Protestantismus vielleicht mit anderen Augen sehen. Ihre ebenso monumentale wie elegant geformte Kuppel besteht nicht üblicherweise aus einer komplizierten Kombination aus Holzbalken mit einer Verkleidung aus Kupferblech, sondern aus übereinander geschichteten Steinquadern, die unter der Hitzeeinwirkung beim Bombenangriff 1945 wie ein Kartenhaus zusammen fielen. Diese auffällige Form sollte im Verständnis der Erbauungszeit das Selbstbewusstsein der lutherschen Sachsen gegenüber ihrem Herrscher und seinem Anhang ausdrücken und unter Beweis stellen, was der Mensch zur höheren Ehre Gottes zu leisten imstande ist.

Selbstverständlich blieb es nicht bei diesem einen monumentalen Kirchenbau in Dresden. Der Sohn und - ab 1733 - Nachfolger Augusts des Starken, Kurfürst Friedrich August II. (als König von Polen August III.) ließ gleich beim Schloss nach Plänen des italienischen Architekten Gaetano Chiaveri zwischen 1739 und 1755 die katholische Hofkirche, sozusagen das Pendant zur Frauenkirche, errichten. Dies erfolgte zunächst unter konspirativen Umständen, denn die in Glaubensfragen empfindlichen Sachsen sollten nicht sofort erfahren, was da entsteht. Als die nach Versailler Vorbild für den wegen der Erlangung der polnischen Krone ebenfalls katholisch gewordenen Monarchen erbaute, mit ihrem eleganten Glockenturm und dem reichen Figurenschmuck fertig gestellt war, verhallten Proteste ungehört.

Helmut Caspar

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