„Klein Sanssouci“ diente als Operettenkulisse
Berliner Theatermanager ließ sich vor dem Ersten Weltkrieg in Briesen ein mondänes Musen-Mekka errichten



Ein Prachtbau aus der Kaiserzeit ist das Schloss Briesen bei Brand, das sich als Klein Sanssouci einen legendären Ruf erwarb.
(Foto: Caspar)

Dörfer namens Briesen gibt es im Land Brandenburg mehrfach, doch nur eines besitzt ein Schloss, das, zwischen 1910 und 1912 erbaut, von seinem Besitzer zu einem Freilichttheater, einer Probebühne und zum Treffpunkt der Berliner Kunst-Schickeria gemacht wurde – Briesen bei Brand im Kreis Dahme-Spreewald, wenige Kilometer von der Abfahrt Staakow der A 13 entfernt. Alle waren sie hier – Walter Kollo und Fritzi Massary, Paul Lincke und Jean Gilbert, dazu Vertreter von Politik und Wirtschaft im kaiserlichen Deutschland, die sich nicht zu schade waren, einem Emporkömmling die Hand zu schütteln.

Gastgeber mondäner Festlichkeiten war der durch eine Heirat reich gewordene Besitzer des Berliner Metropol-Theaters Fritz Paul Jentz, ein aus „kleinen Verhältnissen“ stammender Mann mit viel Geld, der dies auch durch die hochherrschaftlichen, an märkische Landschlösser erinnernden Baulichkeiten in seinem Rittergut Briesen unter Beweis stellte. Er ließ neben dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden Alten Schloß das Neue Schloß mit prächtiger Auffahrt, hohen Dächern und riesigen Zimmerfluchten errichten. Das Gebäude, das in seinen Glanzzeiten „Klein Sanssouci“ genannt wurde, war eine der letzten großen Schlossanlagen, die vor dem Ersten Weltkrieg errichtet wurden. Trotz dieses verheißungsvollen Namens erreichte das Jentz-Schloss nicht die künstlerische Qualität und Strahlkraft der Sommerresidenz Friedrichs des Großen in Potsdam, auch wenn der Besitzer mit Blattgold und Schnitzereien, Stuck und Seidentapeten nicht sparte und seinen von der renommierten Berliner Gartenbaufirma Ludwig Späth gestalteten Park reich mit Figuren, Brunnen und einem barocken Wegesystem ausstaffieren ließ. Schloß und Garten dienten Jentz als Kulisse für Proben sowie Theater- und Operettenaufführungen. Und wenn eine solche gelang, konnte es schon passieren, dass der Gastgeber, dem man angeblich das Geld in Wäschekörben hinterher trug, mit großen Scheinen nur so um sich warf.

Dekoriert wurde mit allem, was damals schick und teuer war – mythologische Ausmalungen an Decken und Wänden, riesige Kronleuchter und bunte Gobelins, üppige Fauteuils, Marmorfiguren und Porzellanvasen gleich im Dutzend. Kenner sehen in der Jugendstilkuppel aus farbigem Glas im Foyer eine Reminiszenz an das Metropoltheater. Wie durch ein Wunder hat dieses Schmuckstück alle Zeiten und Gefahren überstanden. Einen besonders noblen Geschmack wird man dem Schlossherren bei den ziemlich dick aufgetragenen Anleihen an Barock und Renaissance nicht gerade bescheinigen können, stilistische Zurückhaltung war Jentz` Sache nicht. Dafür aber besaß seine Residenz auf dem Lande alles, was die damalige Technik zu bieten hatte – elektrisches Licht, moderne Heizung, sogar Telefone. Der Wintergarten war berühmt, hier tummelten sich in tropischen Gewächsen bunte Papageien. Da Jentz ein einflussreicher Mann war, verfügte er sogar über einen eigenen Bahnanschluss.

Vieles hat im Schloss Briesen die Zeitläufte überstanden – den Konkurs von Jentz in der Inflationszeit (1923) und anschließende Besitzerwechsel, die Nutzung als NS-Erholungsheim und nach dem Zweiten Weltkrieg die Verwendung als Kommandantur der Roten Armee und als Flüchtlingsasyl, als SED-Parteischule und schließlich als Polytechnische Oberschule „Wilhelm Pieck“. Nach dreijährigem Leerstand, verbunden mit Vandalismus und Diebstahl von Stücken der Innenausstattung, kaufte 1996 der Industriemanager und Hotelier Roland Lipp das Alte und das Neue Schloß in Briesen und rettete so die bereits durch Regen, Eis und Wind angegriffenen Gebäude. Als Lipp das Schloss erwarb, waren nicht nur Dächer und Fenster zu schließen, es mussten auch alle Leitungen neu verlegt werden, und zwar unter Putz, denn die bisherigen hatte man in DDR-Zeiten quer durch die Räume gezogen ohne Rücksicht darauf, ob hier ein geschnitztes Paneel oder dort stuckierte Rocaillen waren. Der Förderverein Zwei Schlösser e. V. lädt regelmäßig zum Besuch des Jentz’schen Anwesens ein, bei denen es auch zu einer imaginären Begegnung mit jenen Stars der Operette und der Stummfilmzeit, die Briesen zu einem mondänen Musen-Mekka machten, kommen kann.

Die vor Jahren begonnenen Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten sind im Wesentlichen abgeschlossen, so dass im Schloss wieder Festlichkeiten aller Art veranstaltet werden können. Zu Ostern 2005 will Lipp in einem noch nicht erschlossenen Teil des Schlosses ein Café einrichten und damit die Anziehungskraft des Anwesens erhöhen. Ausserdem wird eine zweite Freitreppe rekonstruiert. Obwohl bereits manche Politprominenz in Briesen weilte, sei der Zulauf doch nicht so, wie er es sich erhofft habe, bedauert Lipp. Das Schloss trage sich nicht selber. Zuschüsse zu diesem seinem Steckenpferd aus anderen Einnahmen seiner Firma trügen zum Unterhalt und Fortbestand wesentlich bei.

Kontakt zum Förderverein Zwei Schlösser e. V. im Schloss Briesen, 15757 Briesen, Tel. 033765/20904, e-mail info@schloss-briesen.de und im Internet www.schloss-briesen.de.

Helmut Caspar

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