Die großen Männer mit ihren Hurra-Tüten -
Ausstellung in Königs Wusterhausen spürt der Faszination der Langen Kerls nach



Die Ausstellung über die Langen Kerls im Schloss Königs Wusterhausen läuft bis zum 3. Oktober 2005 und ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet. (Foto: Caspar)

Königs Wusterhausen. Der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I., der sein Land mit harter Hand von 1713 bis 1740 regierte, war ein sparsamer Mann mit einer teuren Marotte. Während andere Fürsten Unsummen für Juwelen, Mätressen, Schlösser und Kunstsammlungen ausgaben, delektierte sich der Hohenzoller an besonders hochgewachsenen und gut aussehenden Grenadieren, die er zu seinem Pläsier erst in Königs Wusterhausen, dann in Potsdam als Palastgarde und Schutztruppe unterhielt. Das seltsame Hobby hatte einen praktischen Vorteil, denn große Männer kamen besser mit ihren langen Flinten zurecht als solche von normalen Körpermaßen.

Wer sechs Fuß und mehr maß, also 1,88 Meter und größer war, konnte der persönlichen Sympathie des ansonsten rauhbeinige Monarchen sicher sein. Als Oberst des Königsregiments kümmerte er sich auf eine zuweilen ziemlich penetrante Weise um das Wohl und Wehe seiner „blauen Kinder“. Die Sorge ging so weit, dass Friedrich Wilhelm I. Familienzusammenführungen finanzierte, Patenschaften über Soldatenkinder übernahm oder auch den Hausbau bezuschusste. Fuchsteufelswild konnte der Herrscher werden, wenn er unter der blau und rot gekleideten Truppe „Unterschleif“, also Korruption, entdeckte, und ganz und gar gnadenlos war er, wenn seine Grenadiere einzeln oder in Gruppen das Weite suchten, sich also seiner Despotie entzogen. Auf Desertion stand der Galgen, doch manchmal wurde die Strafe zum Spießrutenlaufen „abgemildert“, was fast auf das Gleiche hinauslief, wie eine neue Ausstellung in Königs Wusterhausen, dem Geburtsort der Riesengarde, berichtet.

Die von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem veranstaltete Schau folgt einem neuen Trend, nämlich in den königlichen Schlössern nicht nur an Kaiser, Könige und Kurfürsten zu erinnern, sondern auch andere Themen aufs Korn zu nehmen, in diesem Fall eine von vielen Legenden umwobene militär- und sozialgeschichtliche Problematik. Grundlage der ungewöhnlichen Schau bilden Dokumente, die der Direktor des Geheimen Staatsarchivs, Jürgen Kloosterhuis, ausgegraben und in 2003 publiziert hat. Ein Teil dieser schwungvoll geschriebenen Akten ist in den den milde beleuchteten Schlossräumen ausgelegt, gleich nebenan blickt man auf Gemälden in die aufgerissenen Augen preußischer Offiziere und von riesenhaften Soldaten mit der charakteristischen Grenadiermünze auf dem Kopf, auch Hurra-Tüte genannt. Uniformen und Waffen, aber auch Medaillen und Bilder aus der Kaiserzeit, als man den Mythos der Langen Kerls wiederbelebte, runden die Schau ab. Dazu kommt geistliche Erbauungsliteratur, denn neben hartem Drill verordnete der König seinen Soldaten auch den Kirchgang und religiöse Lektüre.

Das in einem Glasschrank aufgestellte Skelett eines Unbekannten erinnert daran, dass der König besonders große Leichen aus seinem Garderegiment der Anatomie übergab, damit man die Knochen präpariere und an ihnen medizinische Studien betreibe. Dem Knochenmann mit dem aufgerissenen Mund und den krummen Beinen sieht man noch heute an, dass er im richtigen Leben unter der Last seiner Körperlänge schrecklich gelitten haben muss.

Die Schau will erklärtermaßen mit Legenden aufräumen. Eine wird gleich eingangs angesprochen – die Art und Weise nämlich, wie der Soldatenkönig in den Besitz der „Langen Kerls“ kam. „Die wenigsten wurden gewaltsam in die Armee gepresst, die meisten kamen freiwillig, weil ein stattliches Handgeld lockte und der Dienst auch gewisse Sicherheiten bot. Es gab ein ausgefeiltes System von Werbe- und Bestechungsmaßnahmen, an denen viele Leute nicht schlecht verdienten, denn diese Art ökonomische Landschaftspflege ließ sich der König einiges kosten“, sagt Jürgen Kloosterhuis. Es sei ein Märchen, wonach sich der Soldatenkönig aus „Liebe“ zu seinen Langen Kerls scheute, sie dem Kugelhagel einer richtigen Schlacht auszusetzen. Es sei verbürgt, dass er am Vorabend von zwei Kriegen sehr wohl Marschbefehle auch für das Königsregiment erteilte, sie aber zurücknahm, als er einsah, dass es wohl doch besser ist, sich aus solchen Abenteuern herauszuhalten. Der Soldatenkönig sei im Grund seines Herzens eben ein friedlicher König gewesen.

Als Friedrich Wilhelm I. 1740 starb, löste sein Nachfolger Friedrich II., der Große, die Garde auf und fügte sie in die reguläre Armee ein. Auf den Schlachtfeldern der Schlesischen Kriege wurden die Rekruten - hoher Körperwuchs hin, schönes Gesicht her – erbarmungslos verheizt. „Sie fochten, bis sie den Geist aufgaben; sodann deckten sie mit ihren schönen Leibern, in Reihen und Gliedern gestreckt, ihren blutigen Schlachtplatz“, beschrieb ein Zeitgenosse das klägliche Ende vieler Angehöriger des ebenso gefürchteten wie belächelten Königsregiments.

Helmut Caspar

Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Märkische Schlössergeschichten"