Prötzel wartet auf eine neue Chance -
Das großspurige Sanierungs- und Nutzungskonzept aus den frühen neunziger Jahren ging nicht auf



Jahre vergingen ungenutzt: Das verbretterte Schloss Prötzel wartet auf einen Neustart. (Foto: Caspar)

Nach der Wiedervereinigung fielen Glücksritter wie Heuschrecken in die Mark Brandenburg auf der Suche nach lukrativen Anlageobjekten oder Betrieben ein, die sich gut vermarkten lassen. Manche Goldgräber steuerten ländliche Schlösser und Herrenhäuser an, die nach der Enteignung der Besitzer durch die Bodenreform die Zeiten mehr recht als schlecht als Kulturhaus, Bürgermeisterei, Schule, Kindergarten, LPG-Zentrale oder Speisesaal überstanden hatten beziehungsweise in Wohnungen aufgeteilt waren.

Nach dem Auszug der Mieter und Nutzer in den frühen neunziger Jahren standen die sanierungsbedürftigen Immobilien leer und warteten auf Investoren. Tatsächlich fanden sich Interessenten, doch viele von ihnen sprangen nach der ersten Besichtigung und hohen Kostenvoranschlägen für die nötige Sanierung wieder ab und wurden nicht mehr gesehen. Es gab aber auch jene nicht ganz seltenen Fälle, dass Schlösser und Herrenhäuser zu neuem Leben erweckt wurden, sei es, dass man sie zu Museen oder Hotels umfunktionierte oder dass sich die Nachfahren derer einfanden, die nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet worden waren.

Den Gemeinden und Ämtern konnte eine solche Entwicklung nur recht sein. Sie waren froh, wenn sie die oft ramponierten Immobilien losgeworden waren und sich jemand fand, der die Sanierung von Dach bis Keller und auch die Wiederherstellung der Schlossgärten übernahm. Gelegentlich kam es aber anders. In Prötzel (Märkisch Oderland) beispielsweise ließen sich Gemeindevertreter 1990/91 vom Versprechen eines Berliner Interessenten locken, das malerisch am Ufer eines kleinen Sees gelegene Schloss in eine „Akademie für Führungskräfte“ oder wenigstens in ein Nobelhotel umzuwandeln. Das hätte dem Ort in der Nähe von Wriezen zu einigem Glanz verholfen.

Für das im 18. Jahrhundert als Wohnsitz der Familie von Kamecke gebaute und im 19. Jahrhundert im Auftrag des Freiherrn Ernst von Eckardstein von dem Berliner Baumeister Friedrich August Stüler neobarock veränderte Schloss schien eine wunderbare Zukunft vorbestimmt. Es hat eine herrliche Lage, ist gut auch von Berlin zu erreichen, besitzt repräsentative Räumlichkeiten, blickt auf eine großartige Baugeschichte zurück. Der Investor konnte die Gemeinde von seinem Konzept überzeugen, und schon sah man gutbetuchte Gäste anreisen, die in neuen Nebengebäuden bequem untergebracht werden sollten. Geld würde in der Gemeindekasse klingeln, und auch Arbeitsplätze würden geschaffen. Wer hätte bei solchen Aussichten „nein“ gesagt? So wurde bereits 1991 eine Kommanditgesellschaft gegründet, die aus der Gemeinde und einer Ein-Mann-GmbH bestand. Prötzel übernahm eine Millionenbürgschaft, und der Investor, der selber kein Eigenkapital besaß, sondern nur Ideen sprudeln ließ, genehmigte sich ein tolles Vorstandsgehalt und nahm seine Residenz am Kurfürstendamm in Berlin.

Doch wer nun meint, dass Bauleute und Denkmalpfleger anrückten, um das nach 1945 seiner wertvollen Ausstattung beraubte Schloss mit der neobarocken Fassade wieder in einen vorzeigbaren Zustand zu versetzen, irrt. Mit der repräsentativen Anlage passierte nichts. Weder lag ein solides Finanzierungs- und Nutzungskonzept vor, noch hatte der Möchtegern-Investor eigenes Kapital, das er hätte einsetzen können. Erfahrungen beim Projektmanagement fehlten auch. Die geschätzten Bau- und Sanierungskosten von damals 80 Millionen DM überstiegen alle Möglichkeiten der Kommanditgesellschaft. Ihr Chef war sichtlich überfordert, die sich häufenden Probleme zu bewältigen.

So vergingen die Jahre ungenutzt, bis im Jahre 2000 das Amt Barnim-Oderbruch die „Reißleine“ zog, wie Amtsdirektor Frank Ehling sagt. „In dieser Situation konnten wir das Gebäude, dessen Dach zum Glück dicht ist, nur vor vandalischen Attacken sichern, im Inneren aber nicht viel unternehmen. Wir haben lediglich den Bau gesichert und Fenster und Türen verbrettert. Ein Hineinkommen für Unbefugte ist nicht möglich“. Im Falle des Schlosses Prötzel sei viel Zeit verloren gegangen, meint Ehling. Hätte man sich nach der Wiedervereinigung nicht auf die großspurigen Ideen eingelassen, sondern „zwei Nummern“ kleiner geplant, wäre sicher etwas Vernünftiges heraus gekommen. Das Beispiel des in ein beliebtes Hotel verwandelten Schlosses Reichenow ein paar Kilometer von Prötzel entfernt zeige es, wie es geht.

Sollte sich ein neuer Investor finden, und der Amtsdirektor ist recht optimistisch, dass das über kurz oder lang der Fall sein wird, wäre das auch in seiner heutigen traurigen Lage als wunderbares Zeugnis märkischer Schlossbaukunst erkennbare Haus zu entkernen, denn viele Einbauten und Leitungen aus der Nachkriegszeit stören das Interieur. Wenn erst einmal die Baumaßnahmen begonnen haben, wird vielleicht auch geklärt, ob der Berliner Bildhauer und Schlossarchitekt Andreas Schlüter tatsächlich, wie immer behauptet, im frühen 18. Jahrhundert am Schloss Prötzel mitgewirkt hat. Zumindest wird ihm die Planung für einen Vorgängerbau zugeschrieben. Schlüter in Prötzel – das wäre doch ein treffendes Argument, mit dem die Gemeinde und die Region sicher gut für sich werben könnten.

Helmut Caspar

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