Gelungener Neustart als Schulmuseum -
Schloss Reckahn erinnert an Bildungsreformer Friedrich Eberhard von Rochow und die Zeit der Aufklärung



Außen und innen herausgeputzt ist das Schloss Reckahn, das als Schulmuseum eine auch international bekannte Adresse ist.
(Foto: Caspar)

Lesen, schreiben, rechnen – vielen Untertanen des Königs von Preußen waren das vor über 200 Jahren, im Zeitalter der Aufklärung, „böhmische Dörfer“. Obwohl es die Schulpflicht gab, konnten nicht alle Landeskinder unterrichtet werden, und wenn ein Sohn aus dem Volk (Töchter waren ausgeschlossen!) mal ein Gymnasium oder gar eine Universität besuchte, hatte das mit viel Glück, Talent und Protektion zu tun. Im ausgehenden 18. Jahrhundert mühte sich der Gutsherr Friedrich Eberhard von Rochow (1734-1805) in Reckahn (Landkreis Potsdam-Mittelmark), der Dorfjugend, und zwar Jungen wie Mädchen, eine gediegene Bildung zu vermitteln. Er wusste, dass die Entwicklung des Staatswesens, aber auch die Ökonomie vom Stand der Bildung wesentlich beeinflusst werden. Unterricht auf dem Lande, das war für Bauernkinder die Ausnahme, denn sie mussten auf dem Feld mitarbeiten und hatten fürs Lesen und Schreiben keine Zeit. Außerdem gab es Schulen meist nur in Städten. Rochow ermöglichte den Kindern seiner Bauern den Schulbesuch und fand damit in ganz Europa große Aufmerksamkeit und Nachahmer.

Im Preußenjahr 2001 wurde das Schloss Reckahn mit der Ausstellung „Vernunft fürs Volk – Friedrich Eberhard von Rochow im Aufbruch Preußens“ eröffnet. Wie die Museumsleiterin Silke Siebrecht erklärt, ist das Museum, das sowohl Gedenkstätte als auch Forschungszentrum ist, eine international geachtete Adresse, die auch viele ausländische Besucher anlockt. Träger ist der Verein Historisches Reckahn e. V., der das stattliche Herrenhaus auch für Tagungen und Konzerte nutzt und auch zu privaten Feiern zur Verfügung stellt. Am 28. August wird eine Sonderausstellung unter dem Titel „Leben, Lust und Tod im Garten um 1800“ eröffnet, in der auch das Leben in Reckahn in der Zeit seines berühmtesten Bewohners eine Rolle spielt.

Mit Blick auf die Preußenfeiern 2001 hatte die Brandenburgische Schlösser GmbH das aus dem Jahr 1726 stammende barocke Herrenhaus von Dach bis Keller saniert. In DDR-Zeiten war die Schule ziemlich herunter gekommen; jetzt zeigt sich der wieder auf seine ursprünglichen Strukturen und Raumaufteilungen zurück geführte Bau in altem Glanz. Rund zwei Millionen Euro kostete die Renovierung, mit der auch ein wichtiges Zeugnis märkischer Schlossbaukunst zu neuem Leben erweckt wurde.

Auf eigene Kosten hatte Rochow eine Dorfschule mit zwei Unterrichtsräumen nicht weit vom Gutshaus entfernt eingerichtet. Wer Lust und Zeit hat, kann sich einen nachgestalteten Schulraum anschauen und sich auch in eine der engen Schulbänke zwängen. Rochow engagierte den Lehrer Heinrich Julius Bruns (1746-1794), dessen Grab auf dem benachbarten Friedhof noch heute geschmückt wird. Der Gutsherr war sich auch nicht zu schade, selber zu unterrichten. Ausserdem trat er als Autor pädagogischer Traktate in Erscheinung, die zu den besonderen Schaustücken der mit Gemälden, Karten und Grafiken bestückten Ausstellung gehören. Immer wieder nachgedruckt und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde sein erstmals 1776 veröffentlichtes Buch „Kinderfreund – Ein Lesebuch zum Gebrauch in Landschulen“, ein Wegweiser zu elementarem Wissen, der sich nach Rochows Worten „zwischen Fibel und Bibel“ bewegte. „Dieses Buch ist der Armen wegen so wohlfeil. Denn es muß in jedes Schulkindes Händen seyn. Sonst könnten viele Kinder zugleich daraus nicht lesen lernen“, heißt es im Vorwort.

Erstaunlich sind die Wirkungen der Rochow’schen Ideen in Brandenburg-Preußen und darüber hinaus. So erfährt man beim Rundgang durch die Ausstellung im Schloss, dass sich vor 200 Jahren Bildungsexperten und Politiker aus aller Herren Länder in Reckahn die Klinke in die Hand gaben und überall in Europa begeistert über das Pilotprojekt in der Mark Brandenburg berichtet wurde. Es gehörte zur Tragik dieses ungewöhnlichen Mannes, dass er die Reformen in Preußen – von der Bauernbefreiung und kommunalen Selbstbestimmung bis zu Verbesserungen im Bildungssektor und im Militärwesen - nicht mehr erlebt und mitgestaltet hat, meint Otto-Günther Beckmann, der Leiter des in der ehemaligen Dorfschule unweit der Dorfkirche untergebrachten Reckahner Schulmuseums. Dass Rochow und seinen bahnbrechenden Ideen jetzt im Schloss eine Ausstellung gewidmet wird, kommentiert Beckmann als Krönung jahrelanger Mühen um ein nun endlich auch wiederentdecktes Stück preußischer Geschichte und um ein wertvolles Baudenkmal.

Das Schulmuseum Schloss Reckahn, Dorfstraße 23, 14779 Kloster Lehnin, Ortsteil Reckahn, ist Dienstag bis Freitag 10-17 Uhr, Samstag 10-18 Uhr und Sonntag 10-17 Uhr geöffnet, Telefon 033835/60672, Internet www.rochow-museum.de.

Helmut Caspar

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