Wo der Soldatenkönig Erholung suchte -
Das Jagdschloss Stern bei Potsdam ist von fast bürgerlicher Einfachheit



Das Jagdschloss Stern bei Potsdam kann zurzeit nur von außen betrachtet werden. (Foto: Caspar)

Viele Mitglieder des brandenburg-preußischen Herrscherhauses waren begeisterte Jäger. Der letzte Inhaber der deutschen und preußischen Krone, Kaiser Wilhelm II., war auf seine hohen Abschusszahlen stolz und ließ überall Denkmäler aufstellen, die ihn als bedeutenden Waidmann feiern. In der Schorfheide und anderen wald- und wildreichen Gebieten besaß der Monarch verschiedene Jagdschlösser, in die er fürstliche Freunde zu Jagdveranstaltungen einlud. Einige Jagdschlösser aus der Kaiserzeit im Land Brandenburg wurden in DDR-Zeiten von Honecker & Co. bewohnt. Die Politbürokraten fanden im Waidhandwerk offenbar mehr Befriedigung als in verantwortungsbewusster politischer Arbeit. Vor Ort erzählt man sich kaum glaubliche Geschichten darüber, wie es die Altherrenriege schaffte, riesige Mengen wild lebender Tiere zu erlegen. Solche Anekdoten sind aus dem Jagdschloss Stern im gleichnamigen Wohngebiet am Rande von Potsdam nicht überliefert. Das eher einem Guts- oder Herrenhaus ähnelnde Gebäude mit einem großen Stern am Giebel ist der einzige Schlossneubau, den der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. – er regierte von 1713 bis 1740 – für sich errichten ließ.

Wenn der preußische Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. nicht gerade Rekruten drillte, die Taler in der Staatskasse zählte und seine Beamten herumkommandierte, ging er einem anderen Hobby nach – der Jagd, einem Vergnügen, das nur dem Adel vorbehalten war. Solange der Monarch noch körperlich fit war, nutzte er entlegene Schlösser wie die in Königs Wusterhausen, Köpenick, im Berliner Grunewald und in Kossenblatt. Sie waren Ausgangs- und Ruhepunkt herbstlicher Jagdveranstaltungen, denen sich ausgedehnte Sauf-, Fress- und Rauchgelage anschlossen. Alt und hinfällig geworden, verzichtete der Monarch auf Reisen in ferne Jagdreviere und ließ sich in der Nähe von Potsdam ein kleines Jagdschloss errichten.

Unverputzte Klinker
Das Haus mit einem großen Stern im Giebel erinnert stark an die niederländische Baukultur, die der Soldatenkönig im Holländischen Viertel seiner Lieblingsresidenzstadt Potsdam pflegte. Verglichen mit anderen fürstlichen Schlossbauten der Barockzeit ist das Jagdschloss Stern recht bescheiden. Den üblichen Wappen- und Puttenprunk, aber auch repräsentative Auffahrten und Treppen wird man hier vergeblich suchen, und auch die Innenausstattung hat bürgerlichen Zuschnitt.

Errichtet wurde das aus unverputzten Klinkern gefügte Jagdschloss Stern zwischen 1730 und 1733 mitten in der damals noch wildreichen Parforceheide. Die Nähe zu Potsdam wird von Historikern damit begründet, dass Friedrich Wilhelm I. in seinen letzten zehn Lebensjahren gesundheitlich recht angeschlagen war und ein schnell erreichbares Haus benötigte, von dem aus er seiner Leidenschaft nachgehen konnte.

Herzstück ist der Große Saal mit edler Holzvertäfelung – die einzige dieser Art, die in Berlin und Brandenburg aus dieser Zeit erhalten geblieben ist. Die Wände sind, wie es sich für einen solchen Bau gehört, mit Geweihen und Gemälden mit Jagdmotiven geschmückt. Da und dort schaut der Hausherr höchstpersönlich auf die Betrachter hinab. Da der Soldatenkönig kein Freund von Prunk und Protz war, sind seine Zimmer sowie die seines kleinen Gefolges bescheiden eingerichtet. Es gibt Kamine und Spiegel mit vergoldeten Rahmen, flämische Bronzekronleuchter und blank geputzte Wandleuchten. Erhalten sind das Schlafzimmer des Königs mit einer holzverkleideten Bettnische sowie die Küche, in der sich der Monarch - ungewöhnlich für seine Zeit - mit kaltem Wasser zu waschen pflegte. Im Unterschied zu den damals üblichen Schau- und Prunkküchen in fürstlichen Schlössern, in denen man wertvolles Geschirr zur Schau stellte, ist die Küche im Jagdschloss Stern bescheiden mit Kamin, Spülstein und anderen praktischen Einrichtungen ausgestattet.

Kontaminiertes Holz
Auf das Jagdschloss Stern liefen und laufen auch heute sternförmig Schneisen und Alleen zu. Zu dem Ensemble gehörten eine Scheune mit kleinem Kuhstall, ein Waschhaus mit Abtritt, ein gemauerter Backofen sowie ein Brunnen. Der 2003 gegründete Förderverein möchte das Schloss und die Parforceheide neu beleben und bietet Führungen an. Leider kann das Schloss bis auf Weiteres nicht besichtigt werden, weil sich herausgestellt hat, dass der Dachstuhl und Teile der Innenräume bei Sanierungsarbeiten in den 1980er Jahren mit gefährlichen Holzschutzmitteln behandelt wurden, die den Besuchern nicht zugemutet werden können. Die Stiftung will eine Sperre zwischen dem kontaminierten Dachstuhl und dem übrigen Schloss einrichten. Ähnlich geht man auch im Schloss Schönhausen gegen austretende Schädlingsgifte vor, der ehemaligen Residenz der Königin Elisabeth Christine, die vor einiger Zeit der Schlösserstiftung übergeben wurde. Schwierig gestaltet sich die Dekontaminierung der Holzverkleidungen im Großen Saal und anderen Räumen. Das Paneel müsste auseinander genommen werden und Stück für Stück saniert werden, eine Aufgabe, die in den kommenden Jahren in Angriff genommen wird.

Für den Soldatenkönig war die Jagd als Mittel gegen verschiedene Krankheiten und damit für seine Lebensverlängerung wichtig. Da konnte er, recht dick geworden und immerzu von Schmerzen gequält, reiten und sich in der frischen Luft bewegen. Seinem Freund, dem Fürsten Leopold von Anhalt-Dessau, schrieb Friedrich Wilhelm I. einmal: „Ich gehe geleich auf die jacht und halte dießes vor meine Gesundheit besser als stahl“, womit der Leibarzt Dr. Stahl und seine medizinischen Kuren gemeint waren. Natürlich war es auch fürs königliche Image gut, sich der Mit- und Nachwelt als großer Jägersmann zu präsentieren. So reitet der Soldatenkönig auch auf verschiedenen Gemälden im Jagdschloss Stern tapfer der Meute hinterher, die den Hirsch hetzen.

Mit Pinsel und Palette
Neben der Jagd hatte der König noch andere Steckenpferde – hochgewachsene Rekruten, die so genannten Langen Kerls, sowie die Malerei. Wenn ihn wieder einmal Krankheiten quälten, griff er zum Pinsel und malte Bilder aus seinen Sammlungen ab oder erfand neue Motive. Gelegentlich hat der königliche Hobbymaler auf seine Werke „in tormentis pinxit“ geschrieben, also „unter Schmerzen gemalt“. Nach langer Irrfahrt durch verschiedene preußische Schlösser kann die Serie heute im Schloss Königs Wusterhausen besichtigt werden. Theodor Fontane hat als „Hauptschauplatz jener Kunstübungen“ das Schloss Kossenblatt im Landkreis Oder-Spree ausgemacht. Auf diesen ungehobenen Schatz und vielleicht angeregt durch die Lektüre der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ im Abschnitt Oderland, veranlasste ein Nachkomme des Herrschers, Wilhelm I., die Überführung der Bilder nach Königs Wusterhausen. Die Porträts zeigen, dass der König eine schwere Hand hatte und so etwas wie naive Malerei produzierte. Aber es bleibt festzuhalten, dass er sich, was man ihm eigentlich nicht zugetraut hätte, auf seine Weise mit Kunst befasste, wenn auch recht unbeholfen.

Der Förderverein Jagdschloss Stern-Parforceheide e.V. bittet um Spenden für die Sanierung des Schlosses auf das Konto 3512004961 bei der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in Potsdam, BLZ 16050000. Er ist unter der Telefonnummer 0331/6262653 zu erreichen und im Internet unter www.jagdschloss-stern.de präsent.

Helmut Caspar

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