Kampfgebiet Park Sanssouci -
Aufzeichnungen der Eleonore von Heeringen über die Stunde Null in Potsdam



Was sich 1945 hinter dem "Grünen Gitter", dem Eingangsportal zum Park von Sanssouci, abspielte, wird nun auch durch Zeitzeugen-Erlebnisse aufgeklärt. (Foto: Caspar)

Der 60. Jahrestag des Bombenangriffs vom 14. April 1945 auf Potsdam und des Kriegsende drei Wochen später rückt näher; die Zahl der Publikationen über beide Daten wird zunehmen. Die Zerstörung der preußischen Residenz- und Garnisonstadt wird ausführlich beschrieben, und es wird sicher auch anhand neuer Dokumentenfunde dargelegt, was sich in den turbulenten Monaten nach der Besetzung Potsdams durch die Rote Armee in der Stadt und den königlichen Schlössern und den Gärten abgespielt hat. Bedeutende Zeitzeugen werden im kommenden Jahr zu Wort kommen, und man wird auch manche Neuigkeit über die Konferenz der "Großen Drei" im Schloss Cecilienhof erfahren, in der im Sommer 1945 von den Führern der Siegermächte die europäische Nachkriegsordnung festgelegt wurde.

Hilfreich sind bei der Aufhellung der Ereignisse vor fast 60 Jahren persönliche Erinnerungen an das Geschehen in der Stunde Null, etwa die überaus plastischen Aufzeichnungen, die Eleonore von Heeringen, geborene Freiin von Lersner (1880-1981) hinterlassen hat und jetzt in einer schmalen Broschüre unter dem Titel "Die Russen in Sans, Souci" von Gerhard Knoll herausgegeben wurden. Eleonore von Heeringen, verheiratet mit einem preußischen Oberstleutnant, lebte von 1933 bis April 1963 im ehemaligen Gartenkassenhaus unterhalb der Terrassen von Schloss Sanssouci. Als fleißige, beobachtende und couragierte Schreiberin hat sie ihre Erlebnisse und Gedanken in hunderten Briefen festgehalten. Der Bremer Bibliothekar Gerhard Knoll hat sie gesichtet und legt gedruckt nun zwei längere Berichte von 1948 und 1945 vor. "Hier bei uns geht's soweit jetzt, aber es waren grauenvolle Wochen! Kampfgebiet Park Sanssouci! Sollte man das je geglaubt und erwartet haben, daß man sie mitten drin im Brennpunkt der Ereignisse hätte stehen müssen!", schreibt sie und fügt hinzu, der entsetzliche Angriff habe das schöne Potsdam gänzlich zerstört. "Ich hab mir' s nie angesehen, hatte schon aus den Beschreibungen genug. Wir im Park blieben behütet, obwohl man dachte, das letzte Stündlein sei gekommen!" Und dann beschreibt Elisabeth von Heeringen die in Trümmern liegenden Häuser am Rand des Parks. "Der Himmel war blutrot! Es brannte in allernächster Nähe. Der Rauch lag tief über dem Park. Die meisten Fenster waren hin. Aber bei allem war so unerhört viel Glück, daß man gar nicht zu denken wagte! Man sah nicht einmal, ob Sanssouci noch stand".

Eleonore von Heeringen hat schon bald erste Bekanntschaft mit den Russen, also mit Soldaten der Roten Armee, gemacht, die Ende April 1945 Potsdam besetzten und auch in den Park Sanssouci eindrangen und ihre Wohnung durchwühlten und plünderten. Drastisch schildert die 65jährige Briefschreiberin, wie sie - wörtlich - beklaut wurde, wie die Russen ihr die Vorräte wegfraßen und sich in ihren Betten breit machten, ihr aber nichts taten, vielleicht weil sie an den reichlich vorhandenen Pudeln Gefallen fanden und sie Kunststücke vormachen ließen. "Matka nix Angst!" wurde ihr bedeutet, und Eleonore von Heeringen kam mit einem blauen Auge davon.

In ihrem Bericht von 1948 geht die Autorin noch einmal auf die Schäden ein, die der Bombenangriff auf Potsdam und die Kämpfe in den letzten Kriegstagen angerichtet haben, und sie schildert das Zusammenleben mit Flüchtlingen, die man ihr in die Wohnung gesetzt hat. Was nicht niet- und nagelfest war, wurde gestohlen, und hier taten sich die eigenen Landsleute - die Autorin spricht von Proleten - besonders hervor. Elisabeth von Heeringen hat all die Drangsal überstanden, sicher auch weil der Park Sanssouci nach Tagen des Chaos, der Gewalt und Vergewaltigungen selbst von alten Frauen von den Sowjets abgeschirmt wurde.

In DDR-Zeiten, als die so genannte deutsch-sowjetische Freundschaft gepflegt wurde, wurden solche Aufzeichnungen unterdrückt, denn Kritik an der Roten Armee war verboten, und es wurde an der Legende von der Rettung der Schlösser und Gärten und dem freundschaftlichen Umgang der Besatzer mit den vom Nationalsozialismus befreiten Menschen gestrickt. Die Aufzeichnungen der Eleonore von Heeringen machen einen glaubwürdigen Eindruck. Sie kratzen heftig am Image der Befreier in der Uniform der Roten Armee und rücken die Dinge zurecht. Das geschieht unprätentiös, denn die Zeitzeugin lässt die Fakten sprechen, enthält sich in ihren Briefen der Polemik. Herausgekommen ist ein interessantes Schlaglicht, das sicher andere Potsdamer um weitere nicht minder bewegende Erlebnisse ergänzen werden.

Eleonore von Heeringen: Die Russen in Sans, Souci. Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Potsdam. Aufzeichnungen aus dem Park von Sanssouci 1945. Herausgegeben und bearbeitet von Gerhard Knoll, 55 S., mehrere Abb., 6,80 Euro. Vertrieb für den Buchhandel Stint - Literatur aus Bremen, Uhlandstraße 43, 28211 Bremen, ISBN 3-928346-98-9.

Helmut Caspar

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