Wo Richter den letzten Schliff bekommen -
Die juristische Fortbildungsstätte im alten Zietenschloss zu Wustrau besitzt einen guten Ruf



Das Zietenschloss in Wustrau bekam 1993 als Sitz der Deutschen Richterakademie eine neue Perspektive. (Foto: Caspar)

Das Zietenschloss in Wustrau, nicht weit von Neuruppin im Landkreis Ostprignitz-Ruppin entfernt, hat schon die unterschiedlichsten Besitzer und Nutzer gesehen – adlige Gutsbesitzer, Kriegsverbrecher in der schwarzen SS-Uniform, Heimatvertriebene, Schüler und Lehrer, in den letzten Jahren Juristen, die im edlen Ambiente zur Weiterbildung zusammen kommen. Benannt ist das imposante Herrenhaus mit L-förmigem Grundriss und reichem neobarocken Fassadenschmuck nach Hans Joachim von Zieten (1699-1786). Er gehörte zu den wichtigsten Generalen der Armee Friedrichs des Großen und ist mit seiner Gemahlin auf dem kleinen Dorfriedhof bestattet.

Der furchtlose, von vielen Legenden und Anekdoten umgebene Husarengeneral ließ das Schloss um 1750 bauen. Seine Nachkommen gaben dem zunächst bescheidenen Bau durch Anfügung eines Nebenflügels und eines Pavillons einen repräsentativen Charakter. Die Familie Zieten bewohnte das Anwesen bis ins frühe 20. Jahrhundert, doch kam es in Verruf, als sich hier an verschwiegenem Ort im Verlauf des Zweiten Weltkriegs die nationalsozialistische Wehrwirtschaftsverwaltung breit machte, um die Ausbeutung eroberter Gebiete im Osten zu planen und zu lenken. Nach dem Krieg enteignet und in „Volkseigentum“ überführt, lebte das zur Schule umfunktionierte Schloss mehr schlecht als recht weiter. Der endgültige Verfall wurde 1981 dadurch verhindert, dass das Ministerium der Justiz der DDR einen Standort für eine Fortbildungsstätte suchte und sich für Wustrau entschied. Die Unterweisungen fanden im Schloss statt, untergebracht waren die Teilnehmer in zwei extra erbauten Gästehäusern im Park.

Mit neuen Zielen und besserer technischer Ausstattung wurde die Tradition von der Deutschen Richterakademie fortgeführt, die 1993 das Schloss übernahm. Seitdem bilden sich am Südufer des Ruppiner Sees Richter und Staatsanwälte aus allen deutschen Landen fort, und wenn sie ein wenig Muße haben, gehen sie ein paar hundert Meter weiter und schauen sich in dem von Erhardt Bödecker gegründete Brandenburg-Preußen Museum um oder verweilen am Bronzedenkmal des Generals von Zieten, das als Kopie nach einem Werk von Johann Gottfried Schadow im Museumsgarten unweit der Dorfkirche steht.

Nicht unerwähnt sei, dass im Sommer 1990 in Wustrau ein Stück Rechtsgeschichte geschrieben wurde, als nämlich Delegationen aus beiden damals noch getrennten deutschen Staaten über den Justizteil des Einigungsvertrages verhandelten. Damals wurde auch die Idee geboren, das ehemalige DDR-Institut für Weiterbildung vor der Abwicklung zu bewahren und ihm als Tagungsstätte für die Gesamtjustiz des wiedervereinigten Deutschland eine neue Perspektive zu geben. Nach der grundlegenden Renovierung und Modernisierung des Hauses mit Bundes- und Landesmitteln in Höhe von damals rund 13 Millionen DM begann in Wustrau am 3. Februar 1993 die erste Tagung der Deutschen Richterakademie. Seitdem können hier zwei Tagungen mit jeweils 35 Teilnehmern gleichzeitig veranstaltet werden. Auf diese Weise erhalten pro Jahr in Wustrau rund 2 500 Richter und Staatsanwälte aus dem ganzen Bundesgebiet ihren letzten Schliff.

Zum Glück ist das Zietenschloss kein hermetisch abgeriegelter, verschwiegener Ort, an dem über trockne Gesetzestexte und spektakuläre Urteile informiert und gestritten wird. Auch die Musen kommen hier zu ihrem Recht. Maler stellen aus, Dichter treffen sich zu Lesungen, gelegentlich finden auch Schlosskonzerte statt. Damit knüpft die Akademie an Traditionen aus der Zieten-Zeit an. Ihr hat Theodor Fontane in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ ein überzeugendes Denkmal gesetzt. Der Sohn der Stadt Neuruppin beschrieb aus eigenem Anschauen die historische Ausstattung mit ihren schönen Bildern, den Möbeln und den alten Waffen, die wie bei so vielen anderen Herrenhäusern in der Mark Brandenburg in der Nachkriegszeit gestohlen wurden oder bilderstürmerischen Attacken zum Opfer fielen. Doch wenn Besucher kommen und an Führungen teilnehmen, wird gern aus Fontanes Beschreibungen zitiert und werden rührende Geschichten vom alten Zieten erzählt, der sogar einen Ehrenplatz auf dem Sockel des Fridericus-Denkmals Unter den Linden in Berlin erhielt. Dass sich der General gern auch den schönen Dingen des Lebens hingab, lässt der vor einigen Jahren restaurierte Wustrauer Eiskeller ahnen. Hier hat man im Winter aus dem Ruppiner See geschlagene Eisblöcke bis in den Sommer hinein aufbewahrt, um Speisen und Getränke zu kühlen. Von dem Bildhauer Friedrich Christian Glume geschaffene kräftige Muskelmänner aus Sandstein bewachen den Eingang zu diesem interessanten Wirtschaftsgebäude aus der Erbauungszeit des Zietenschlosses.

Helmut Caspar

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