Alle Wege führen ins Paradies -
In der von dach bis Keller sanierten Bischofsburg Ziesar wird älteste brandenburgische Kirchen- und Baugeschichte dokumentiert



Ein Heiligenrelief in der restaurierten Burgkapelle von Ziesar zeugt von einstiger Pracht zur Zeit der Bischöfe von Brandenburg.
(Foto: Caspar)

Eine der schönsten, aber weitgehend unbekannten Burgen im Land Brandenburg ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht – Ziesar im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Am Freitag, dem 20. Mai, wurde in der ehemaligen Residenz der Bischöfe von Brandenburg die Ausstellung „Wege in die Himmelsstadt. Bischof - Glaube - Herrschaft 800 bis 1550“ eröffnet. Bis zur letzten Stunde war in den von Dach bis Keller restaurierten Räumen schöpferische Anspannung zu spüren. Die kostbaren Exponate – Heiligenfiguren, Urkunden, kirchliches Gerät, Wandbilder – mussten ausgeleuchtet und zurechtgerückt, letzte Beschriftungen angebracht werden. Wenn heute vorn die Ehrengäste eintreffen, werden hinten die Handwerker die Säle verlassen. „So ist das immer bei Ausstellungen, an denen bis zum letzten Drücker gearbeitet wird“, sagt Kurator Clemens Bergstedt und ist froh über das Ergebnis fünfjähriger Arbeit für das neue, einzigartige „Museum für brandenburgische Kirchen- und Kulturgeschichte des Mittelalters“, so der offizielle Titel.

In drei Abschnitten rekapituliert die über mehrere Etagen verteilte Ausstellung, wie das Christentum vor tausend Jahren ins Land der „Heiden“ östlich der Elbe gebracht wurde und welche Folgen die nicht gewaltfreie Missionierung für Kultur, Bildung, Wirtschaft, Bauwesen und andere Bereiche hatten. Sodann erfahren die Besucher Einzelheiten über Gründung, Wirksamkeit und Ausstrahlung des Bistums Brandenburg, dessen letztes Oberhaupt im Jahre 1539 gemeinsam mit dem Kurfürsten den Schritt zur Lutherschen Reformation vollzog und damit geistliche und weltliche Macht abgab. Die Besucher der neuen Dauerausstellung werden durch sparsame Texte, die auf die hellen Wände aufgetragen sind, informiert. Wer möchte, kann sich auch den Führungen anschließen oder zu Hause in Begleitpublikationen das Gesehene vertiefen.

Wichtigstes Exponat der Ausstellung ist die Burg selbst. Sie ist ein treffliches Beispiel dafür, wie hohe Kirchenfürsten und ihr Hof im Mittelalter residiert haben. Da gab es eine raffinierte Fußbodenheizung, die im Keller befeuert wurde und die Burg erwärmte. Reste von Wandmalereien, die in den vergangenen Jahren von Restauratoren freigelegt wurden, zeugen von der Lust der Burgbewohner an Bildern, Symbolen und Ornamenten. Viel von diesen wie Wandteppiche ausgeführten Ausmalungen hat die Zeiten nicht überstanden, aber was blieb, wurde sichtbar gemacht und bildet eine große Augenweide. Zur Ausstellung gehören auch Wandfelder, bei denen man den Putz fortgelassen hat, um zugemauerte Kamine, Türdurchbrüche oder Fenster sichtbar zu machen. „Die Burg war eine ewige Baustelle, ein lebendiger Organismus, und das führen wir den Besuchern vor. Sie werden nicht abgelenkt durch prunkvolle Exponate, goldstrotzende Altäre oder opulent gemalte Glasfenster oder Bibeln. Nichts soll sich wichtig machen gegenüber der Burg, alles ist sparsam ausgewählt, und jedes Stück hat es in sich“, beschreibt Bergstedt das Ausstellungskonzept und zeigt auf ein steinernes Taufbecken und auf Heiligenfiguren, auf Urkunden und Siegel. Nicht jedes Stück ist ein Original, kann es auch nicht sein, denn die Ausstellung ist auf mehrere Jahre konzipiert, und so lange wollen sich die Leihgeber von ihren Kostbarkeiten denn doch nicht trennen. Das gilt auch für reproduzierte Seiten aus einem in Ziesar geschriebenen Evangeliar, das in der Berliner Staatsbibliothek entdeckt wurde, oder für Glasmalereien, die ebenfalls nur als Faksimile gezeigt werden.

Eines der schönsten und aussagestärksten Originale stammt aus dem 15. Jahrhundert - der Grabstein des Bischofs Dietrich von Stechow. Er bestimmte zwischen 1459 und 1472 die Geschicke seiner Diözese und tat sich großer Bauherr in Brandenburg und Ziesar hervor. Dieser mächtige Kirchenfürst ist der einzige, der sich Ziesar bestatten ließ. Nachfolgende Generationen dankten ihm seinen Einsatz für Burg und Stadt Ziesar nicht. Sie gingen mit dem jetzt in einem gewölbten Festsaal ausgestellten Zeugnis mittelalterlicher Bildhauerkunst wenig sorgsam um, schlugen Inschriften heraus, benutzten die Platte gar als Türschwelle, zum Glück mit dem Bischofsbild nach unten. Und da die neue Ausstellung aus konservatorischen Gründen keine originalen Messgewänder zeigen kann, wie sie im Domschatz zu Brandenburg aufbewahrt werden, wird am Beispiel der Stechow-Platte erläutert, welche Bedeutung einzelne Stücke der bischöflichen Amtstracht besitzen.

Alle Wege in der von Detlef Saalfeld und weiteren Designern der Fachhochschule Potsdam ausgestatteten Ausstellung führen ins Paradies, in einen abgedunkelten Raum der Besinnung und, wie Bergfeld sagt, der inszenierten Stille. Hier kann man, beschallt von einem dezenten Klangteppich, das Erlebte verarbeiten, sich zu einem neuerlichen Rundgang sammeln. Man kann sich aber auch in die raffiniert ausgeleuchteten Reste von Wandmalereien vertiefen. Welche Funktion der Saal hatte, ist wie so vieles andere aus der Baugeschichte der Burg nicht bekannt, aber er könnte nach der Art der Ausmalungen eine Vorkapelle gewesen sein, womit die heutige Nutzung als Eintrittsraum für das Paradies begründet würde.

Die in nahezu alter Schönheit wiederhergestellte, jetzt von der katholischen Gemeinde zu Gottesdiensten genutzte Burgkapelle kann nur zu bestimmten Zeiten besichtigt werden – 12, 14 und 16 Uhr. Als Himmelslaube gestaltet, ist sie mit Blättern, Blüten und Zweigen ausgemalt. In einer Nische gleich beim Altar zieht das wohl schönste Wandbild von Ziesar, die Madonna mit dem Christuskind, die Blicke der Besucher auf sich. Sie steht auf einer Mondsichel und ist von Strahlen umflammt. Die kostbare Wandmalerei lässt ahnen, wie die ganze Anlage ursprünglich dekoriert war, nicht düster und unheimlich, sondern heiter und farbenprächtig wie die Felder und Beete, an denen man auf dem Weg nach Ziesar vorbei kommt.

Die Ausstellung ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 5, ermäßigt 4 Euro, Kinder unter 10 Jahren haben freien Eintritt. Erschienen sind die Begleitbücher „Bischofsresidenz Burg Ziesar. Das Haus – Das Denkmal – Das Museum“ und „Wege in die Himmelsstadt. Bischof – Glaube – Herrschaft 800-1550“. Die reich illustrierten, mit vielen neuen Informationen aufgrund von Archivrecherchen und Bauuntersuchungen versehenen Publikationen erschienen im Lukas Verlag Berlin und kosten jeweils 16,90 Euro. Informationen zur Burg und Stadt Ziesar, die Ausstellung sowie weitere Veranstaltungen unter 033830/12735 sowie im Internet unter www.burg-ziesar.de.

Helmut Caspar

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