Papier-„Münzen“ im Reich der Mitte -
Der vor 750 Jahren geborene Venezianer Marco Polo brachte erstaunliche Kunde über exotische Geldformen aus Asien
nach Europa


Ein authentisches Porträt des China-Reisenden Marco Polo ist nicht überliefert. Das Bildnis auf dem italienischen 1000-Lire-Schein ist ein reines Phantasieprodukt. (Foto: Macco)

Nach 24jährigem Aufenthalt in China und benachbarten Ländern brachte der 1254, vor 750 Jahren, geborene venezianische Kaufmann Marco Polo Erstaunliches nach Europa. Die einen glaubten seinen Erzählungen über das Leben im Reich der Mitte, über die am Hof in Kambalu (Peking) angehäuften Schätze, über die großen und schönen Städte, über florierende Wirtschaft und freundliche Menschen. Die anderen hielten Polo für einen Aufschneider. Wie dem auch sei, lange Zeit nach Marco Polo orientierten sich Fernreisende und Kartographen an seinen Schilderungen, die Tatsächliches mit Märchenhaftem mischen und ausklammern, daß der als freundliche und leutselig geschilderte Mongolenkaiser Kublai Khan, ein Enkel des legendären Dschingis Khan und Arbeitgeber von Marco Polo, sein Riesenreich mit eiserner Faust regierte und jedes Aufbegehren oder jeden Versuch, aus dem Reichsverband auszuscheiden, blutig niederschlug.

Als Marco Polo nach dreijähriger Seefahrt und Wanderung auf dem Landweg im Jahre 1295 wieder in Venedig war, war er ein berühmter Mann, doch konnte er sich seiner Prominenz nicht lange erfreuen. Er geriet als Kommandant einer Galeere in genuesische Gefangenschaft. Für die Mit- und Nachwelt war das ein Glücksfall, denn in der Haft hatte Polo Zeit, eine Erinnerungen an seine Weltreise einem Mitgefangenen, dem Schriftsteller Rustichello in die Feder zu diktieren. Aus der in altfranzösischer Sprache abgefassten Handschrift entstand das vielfach bearbeitete und in viele Sprachen übersetzte Buch „Die Wunder der Welt“, in dem sich auch Informationen über exotische Geldformen aus Papier, Salz und Muscheln finden. Die für Europa, wo man nur Münzen aus Edelmetall kannte, erstaunlichen Schilderungen sind so detailliert, dass die Behauptung von Zeitgenossen und nachfolgenden Generationen, Polo sei gar nicht im Reich der Mitte gewesen, ad absurdum zurückgewiesen werden können. Gestützt wird diese Behauptung übrigens durch die Vermischung von Dingen, die der zeitweilige kaiserliche Statthalter Marco Polo selbst gesehen hat, mit solchen, die er nur vom Hörensagen kannte.

Viereckig und gestempelt
Zunächst beschreibt Polo das Verfahren zur Herstellung von Papiergeld in der kaiserlichen Geldfabrik in Peking. „In der Stadt Kambalu befindet sich eine Münzanstalt des Großkhans, von dem man wirklich sagen kann, daß er das Geheimnis der Alchemisten kennt, da er die Kunst versteht, Geld zu machen. Er lässt nämlich die Schale von den Baumbeerbäumen, deren Blätter den Seidenraupen als Futter dienen, abstreifen und nimmt davon die dünne Innenrinde, die sich zwischen der raueren Borke und dem Holz des Baumes befindet. Diese lässt er einweichen und in einem Mörser zerreiben, bis sie zu Brei geworden ist. Daraus wird das Papier gemacht, das dem aus Baumwolle hergestellten gleicht, aber ganz schwarz ist. Dieses wird nun in Geldstücke von verschiedener Größe geschnitten, die fast quadratisch, aber meistens etwas länger als breit sind. Von diesen gilt als das kleinste einen Pfennig, das nächste zwei Groschen, dann fünf, dann zehn Groschen, wieder größere gelten einen, zwei, drei bis zu zehn goldenen Byzantinen, und all dieses Papier wird aufwendig hergestellt, als sei es lauter echtes Silber und pures Gold“ (zit nach: Marco Polo „Von Venedig nach China, neu herausgegeben und kommentiert von Theodor A. Knust, Rostock 1972, S. 149, alle anderen Zitate ebenda). Interesse verdient die Information, wie die Papierstücke beglaubigt werden. Auf jedes dieser Stücke schreiben dazu besonders befugte Beamte nicht nur ihre Namen, „sondern drücken auch ihre Siegel darauf, und anschließend taucht der oberste Münzmeister das ihm anvertraute Siegel in Zinnober und stempelt damit das Papier; auf diese Weise erhält es volle Kraft als gültige Münze, und wenn jemand es nachmachen wollte, würde er als Kapitalverbrecher bestraft werden.“ Niemand wage es, so der China-Reisende, das in großer Menge hergestellte („geprägte“) Papiergeld, das in allen Provinzen des Großkhans in Umlauf gesetzt wird, als nicht gültig anzunehmen. „Alle Untertanen nehmen es vielmehr ohne Zögern an weil sie, wenn sie wollen, auch wieder Perlen, Juwelen, Gold oder Silber dafür kaufen können“. Sogar der Kaiser zahle mit Papiergeld, „wogegen die Händler nichts einzuwenden haben, da sie es, wie schon bemerkt, für ihre eigenen Einkäufe wieder verwenden können.“ Da Papiergeld weniger haltbar ist als solches aus Metall, könne es in der Münzanstalt mit einem Aufschlag von nur drei Prozent gegen neue Noten eingetauscht werden. „Wenn jemand sich Gold und Silber verschaffen möchte, um es weiterzuverarbeiten, wendet er sich gleichfalls an die Münzanstalt, wo er für sein Papier die benötigten Metallstücke erhält“.

Handel mit Edelmetall reglementiert
Aus der chinesischen Geldgeschichte ist bekannt, daß es Papiergeld bereits einige Jahrhunderte vor dem Aufenthalt des Venezianers in Peking gegeben hat (siehe Albert Pick „Papiergeld-Lexikon“, München 1978, S. 66 ff. und 270 ff.). Gedeckt wurde es mit erst Seide, dann mit Silber, und bedruckt wurden die Scheine erst mit Holz-, dann mit Kupferplatten. Da die Ausgabe von Papiergeld ein staatliches Monopol war, wurde der Handel mit Edelmetallen ebenfalls staatlich reglementiert, wie man auch den Bemerkungen von Polo entnehmen kann. Das nur Auserwählten vorbehaltene Siegeln der Scheine nachzuahmen, war ein Majestätsverbrechen und wurde mit drakonischen Strafen geahndet. Davon allerdings ist in den nach Europa gelangten Informationen nicht die Rede. Sie machen glauben, das Papiergeld erfreue sich allgemeiner Beliebtheit, doch wenn man andere Quellen studiert, wird man erfahren, dass die Ausgabe und Verwendung von Papiergeld, das im Gegensatz zum europäischen Edelmetallgeld an sich wertlos war, durchaus mit Komplikationen verbunden war. Denn da offenbar mehr von diesen Scheinen gedruckt und gesiegelt wurden als man brauchte, stapelte es sich in den Ämtern und bei Privatleuten, so daß es merklich an Ansehen verlor. Reflexionen darüber finden sich nicht bei Marco Polo. Ihm genügte es, seine Zeitgenossen mit dem Phänomen Papiergeld bekannt zu machen.

Salz und Muscheln zum Bezahlen
In der Provinz Kaindu ist Marco Polo goldenem Geld und solchem aus Salz begegnet. „Das Geld, das hier in Umlauf ist, wird auf folgende Weise hergestellt: Es werden Goldstangen gegossen, die, ohne irgendeinen Stempel, nach dem Gewicht gelten. Das ist ihr größeres Geld. Das kleinere ist folgender Art: Es gibt in diesem Lande Salzquellen, aus denen Salz gewonnen wird, indem man das Wasser in kleinen Pfannen siedet. Wenn es eine Stunde lang gekocht hat, wird es eine Art Teig, der zu Kuchen im Wert von zwei Pfennigen verarbeitet wird. Diese Kuchen sind flach an der unteren und hohl an der oberen Seite und werden auf heiße Ziegel gelegt, wo sie trocken und hart werden. Auf die so gewonnene Münze drückt man den Stempel des Kaisers, was aber nur dessen eigene Beamte ausführen dürfen. Achtzig Stück von dieser Münze sind ein Saggio Gold (eine halbe venezianische Unze) wert.“ In anderen Gegenden erhalten Händler für weniger Salzkuchen mehr Gold, „weil die Bevölkerung dieser unwirtlichen Gegenden das Salz zu ihrer Nahrung braucht und es als unumgänglich notwendig für ihre Bedürfnisse betrachtet, während die Einwohner der Städte zu demselben Zweck bloß die zerbrochenen Stücke des Salzkuchens verwenden.“

Die Verwendung von Muscheln zum Bezahlen hat Polo in der Provinz Karaian beobachtet, das unter der Herrschaft eines Enkels des Großkhans stand. Forscher erklären Karaian als mongolischen Namen für Jünnan und Jaci. „Als Geld sind die weißen Porzellanmuscheln, die man im Meere findet, in Umlauf; diese werden auch als Halsschmuck getragen. Achtzig Muscheln dieser Art entsprechen dem Wert zweier venezianischer Groschen. Auch in diesem Land gibt es Salzquellen, aus denen der gesamte Salzbedarf der Bevölkerung gewonnen wird. Die Salzsteuer bringt dem König reiche Einnahmen“.

Helmut Caspar

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