Geldscheine und Scheingelder -
Schon Goethe warnte aus gutem Grunde vor minderwertigen Münzen und Zauberblättern



Bayerische Allegorie aus dem 18. Jahrhundert auf das beliebte, von seinen Gegnern aber als Teufelszeug und unmoralisch bekämpfte Lottospiel. (Repro: Autor)

Im ausgehenden 18. Jahrhundert wurde intensiv über das Für und Wider von Papiergeld gestritten. Man war sich nicht sicher, ob Banknoten ein Segen oder ein Fluch sind. Die Abneigung gegen das hier und dort emittierte, wegen der primitiven Machart des Drucks mit Bleibuchstaben und einigen Ornamenten zunächst nicht fälschungssichere Papiergeld war groß, auch wenn man mit ihm bequemer zahlen konnte als mit Bergen von Silber- oder Goldmünzen.

Bei der Argumentation gegen das Papiergeld wurde ins Feld geführt, daß in Frankreich die unkontrollierte Ausgabe von „Assignaten“ zu Beginn des 18. Jahrhunderts einen Staatsbankrott zur Folge hatte. In der Zeit der französischen Revolution (1789) wurden die Franzosen erneut mit wertlosem Papiergeld geschröpft, und das sorgte für einen Rückschlag bei der historisch unausweichlichen erfolgten Umstellung von Metall- und Papiergeld.

Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe verstand etwas von Geld, und dies nicht nur als Weimarer Minister und als Sammler alter Münzen, sondern auch was seine Wirkung auf Menschen betrifft. Aus seiner eigenen Sammlung kannte er die Gepräge römischer Kaiser und, wie er sagte, Kaiserlinge, die keineswegs als „Musterbilder der Menschheit“ sind und noch die Frechheit besitzen, ihr fratzenhaftes Gesicht auf Geldstücken zu verewigen. Mit Blick auf neuere Zeiten schrieb er in den Venezianischen Epigrammen: „Fürsten prägten so oft auf kaum versilbertes Kupfer / Ihr bedeutendes Bild; lange betrügt sich das Volk. / Schwärmer prägen den Stempel des Geists auf Lügen und Unsinn; / Wem der Probierstein fehlt, hält sie für redliches Gold“. Mit dieser Aussage gab der Dichter seiner Zeit und Nachwelt den Rat, zweifelhafte Dinge und vollmundige Versprechungen stets kritisch zu hinterfragen und wie bei Münzen aus Silber und Gold den Probierstein zu benutzen, um Echtes von Falschem zu trennen.

„Wie feuchten Ton will ich das Gold behandeln, / Denn dies Metall läßt sich in alles wandeln“, lässt er den „Geiz“ im zweiten Teil des „Faust“ sprechen. Was der Dichter von Geldscheinen und Scheingeldern hielt, ist dort ein paar Seiten weiter zu lesen. Höflinge erklären dem Kaiser, was man alles mit wohlfeil hergestellten Banknoten anstellen kann, wie man mit ihnen auf wundersame Weise Rechnung für Rechnung berichtigt (also bezahlt) und die „Wucherklauen“ beschwichtigt. Erfreulich findet man am kaiserlichen Hof auch, wie man mit Hilfe solcher Scheine aller Höllenpein ledig wird, Grundstücke erwerben, den Sold bezahlen und sogar ein ganzes Heer neu verpflichten kann. „Der Landsknecht fühlt sich frisches Blut, / Und Wirt und Dirnen haben’s gut“. Mit diesen „Zauberblättern“ könne man alles machen, sagen die kaiserlichen Ratgeber. Sie öffnen jede Tür, machen Unmögliches möglich, lassen einen üppig schmausen, essen und trinken, verschaffen einem festliche Kleider, und man kann mit ihnen auch Liebe kaufen („Ein Blättchen ist im Busen leicht zu tragen“).

Ungläubig fragt der Kaiser nach den Ursachen dieses Wunders, worauf der alte Kanzler sagt: „So hört und schaut das schicksalsschwere Blatt, / Das alles Weh in Wohl verwandelt hat. / ,Zu wissen sei es jedem, der’s begehrt: / Der Zettel ist hier tausend Kronen wert. / Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand, / Unzahl vergrabnen Guts in Kaiserland. / Nun ist gesorgt, damit der reiche Schatz, / Sogleich gehoben, diene als Ersatz‘“. Mit diesen poetischen Worten spricht Goethe die Edelmetalldeckung des Papiergeldes oder eine andere, durch wirkliche Leistung erbrachte Absicherung an. Wenn es diesen Gegenwert nicht gibt, so lautet die Lehre, sind die mit des Kaisers Unterschrift versehenen und durch „Tausendkünstler“ schnell vertausendfachten Scheine nur Trugbilder und führen den Staat in den Bankrott. Die Warnung des Dichters wurde, wie wir wissen, nicht beachtet, sonst hätte es im 19. und 20. Jahrhundert nicht Inflationen mit verheerenden politischen und wirtschaftlichen Folgen gegeben.

Daß man in Preußen auf diesem Gebiet sehr vorsichtig war, zeigt ein Blick in die Geschichte. Nach dem 1763 siegreich beendeten Siebenjährigen Krieg begann dort die Zeit des „Retablissements“, des Wiederaufbaues. Auf zehn Prozent der Bevölkerung, etwa eine halbe Million Menschen, bezifferte Friedrich II., der Große, in einer Denkschrift die Bevölkerungsverluste seines Landes. Unübersehbar waren die Zerstörungen ganzer Provinzen. Der König mühte sich um die Behebung der Schäden. Der Krieg habe die Finanzen des Staates fast gänzlich erschöpft, Verluste in Millionenhöhe seien eingetreten.

Mit dem Ziel, die Bevölkerung noch intensiver an den Staatsausgaben und der Begleichung von Staatsschulden zu beteiligen, wurde 1763 in Berlin eine Lotterie nach Vorbildern in Genua, Rom, Venedig, Mailand, Neapel, Wien und Brüssel aus der Taufe gehoben. Die Aussicht, durch Ziehung einer bestimmten Zahlenkombination zu unerwartetem Reichtum zu gelangen, hat die Untertanen des Preußenkönigs offenbar so fasziniert, daß sie viel Geld freiwillig zu den Lotterieeinnehmern trugen, wissend, daß die Chance, es durch Fortunas Vermittlung zu vermehren, denkbar gering ist. Nach Friedrichs II. Tod (1786) setzte sein Nachfolger Friedrich Wilhelm II. die Lotterie mit mäßigem Erfolg fort. Dessen Sohn und Thronerbe Friedrich Wilhelm III. war ein großer Moralist, und er hielt von „Spielsucht und Leidenschaften“ wegen „nachtheiliger Einwirkungen auf die Moralität der minderbegüterten Klassen unserer Unterthanen“ wenig. Durch einen Erlass von 1809, mitten in der Krise Preußens nach der Niederlage im Krieg gegen Frankreich, ordnete er die Abschaffung des Lottospiels an. Allerdings hielt die Zurückhaltung nicht lange an, denn die Gewinne wurden zur Bezahlung von Kontributionen und für die Kriegskosten benötigt.

Zu eben jener Zeit hatte Preußen bereits einige Erfahrung mit Banknoten. Im Jahr 1765 hatte Friedrich II. die Gründung der Königlichen Giro- und Lehnbank zu Berlin angeordnet. Er war hier dem Rat seines Lottodirektors Calzabigi gefolgt, bei der Giro- und Zettelbank gegen Hinterlegung von Bargeld, also Gold- und Silbermünzen, gedruckte und vom Staat zertifizierter Quittungen zu erwerben. Vordergründig sollte damit der umständliche Verkehr mit Silber- und Goldmünzen erleichtert werden, in Wirklichkeit aber wollte man Edelmetall in den königlichen Kassen horten. Man wußte ja nie, wann der nächste Krieg beginnt. Die ersten preußischen Noten zu 10, 20, 100, 500 und 1000 Pfund Banco wurden nicht populär, deshalb ging man schon bald auf die vertraute Wertangaben „Thaler“ über. Große Mengen silberner Banco Thaler wurden auf Vorrat geprägt, um den Wert der Kassenscheine abzusichern. Viel Erfolg hatte der Große König mit seinen Banknotenemissionen nicht, vorherrschend blieb das Gold- und Silbergeld mit dem königlichen Kopf und dem preußischen Adler.

Nach Friedrichs II. Tod (1786) dauerte es noch einige Zeit, bis die die preußischen Banknotenpläne Gestalt annahmen. König Friedrich Wilhelm III. (reg. 1797-1840) griff sie auf und orientierte sich an den ab 1772 in Kursachsen zur Begleichung der hohen Kriegsschulden eingeführten „Cassen-Billets“ in Werten zwischen einem und hundert Reichstalern. Er ließ insgeheim in größeren Mengen preußische Tresorscheine herstellen, hoffend, auch damit die von seinem Vater und Vorgänger übernommenen Staatsschulden reduzieren zu können. Eine königliche Kommission beauftragte 1798 den Berliner Buchdrucker, Stahl- und Formschneider Johann Friedrich Unger mit der Anfertigung der Druckstöcke für Scheine im Wert von 1, 5, 50 und 100 Talern. Das aus Schmuckleisten, Arabesken, Monogrammen, Schriftzeilen sowie faksimilierten Unterschriften von Ministern und rückseitig dem großen preußischen Staatswappen gebildete Design war vergleichsweise einfach und daher nicht fälschungssicher, aber immerhin besser als die primitiven Bankozettel aus den Zeiten Friedrichs des Großen. Gedruckt wurde das neue Geld in der Berliner Jägerstraße 43 auf Wasserzeichenpapier aus Spechthausen bei Eberswalde. Die Fabrik der Familie Ebart produzierte auch später Papier für die preußischen und später deutschen Banknotendruckereien.

Die von Unger unter großer Geheimhaltung hergestellten 17 200 Bogen im Wert von 3,05 Millionen Talern wurden im königlichen Tresor verwahrt, unbedrucktes Papier kam in die Depositenkasse. Als die Scheine 1804, vor genau 200 Jahren, wegen der sich abzeichnenden militärischen Konflikte mit Frankreich ausgegeben werden sollten, wurden die Unterschriften moniert. Sie waren nicht mehr aktuell, denn der unterzeichnende Minister von Struensee war verstorben. Seine Stelle nahm der Minister für das Accise-, Zoll-, Fabriken- und Commercial-Departement, der später als preußischer Reformer berühmt gewordene Karl Freiherr vom und zum Stein ein. Daher wurden neue Geldscheine zu 5, 50, 100 und 250 Talern von der Geheimen Oberhofbuchdruckerei unter Verwendung von Bleitypen und Holzschnitt-Einrahmungen hergestellt. Das von Georg Jacob Decker gegründete und später immer nur Deckersche Hofbuchdruckerei genannte Unternehmen fusionierte 1879 mit der Königlich Preußischen Staatsdruckerei zur Reichsdruckerei. Sie übernahm die Herstellung der Reichsbanknoten und weiterer Wertpapiere und ging nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesdruckerei auf.

Die mit Unterschriften der Minister von der Schulenburg und vom Stein sowie fortlaufenden Nummern versehenen Tresorscheine ohne Datumsangabe und Ausgabeort bekunden ihre Gleichwertigkeit und Umtauschbarkeit mit Metallgeld. Auf einem Fünftalerschein lautet der Hinweis so: „Tresor Schein von Fünf Thaler in Courant nach dem Münzfuß von 1764 Geltend in allen Zahlungen für voll“. Der Hinweis aus die „gute alte Zeit“, die Periode Friedrichs des Großen also, sollte offenbar die Akzeptanz der Banknoten in der auf Neuigkeiten dieser Art wenig erpichten Bevölkerung verbessern. Da sich die preußische Regierung bei den ungewohnten Banknoten auf dünnem Eis bewegte, tat sie alles, um die Bevölkerung in der ohnehin schon unsicheren Zeit nicht noch mehr zu verunsichern. Deshalb schlug der Freiherr vom Stein vor, die Scheine nur ganz allmählich in den Geldumlauf zu geben.

Die am 4. Februar 1806, gut ein halbes Jahr vor der preußischen Niederlage von Jena und Auerstedt, veröffentlichte Einführungsverordnung für die Tresorscheine begründet die Emission sehr vorsichtig. Es sei dem König gelungen, die vorgefundenen Staatsschulden zu „berichtigen“. Beträchtliche Summen Bargeld seien im Schatz niedergelegt worden. Dem König seien nicht die nachteiligen Folgen des Papiergeldes in anderen Staaten entgangen. „Wir haben vielmehr die Ursachen dieser nachtheiligen Ereignisse gründlich erforschen lassen, und Uns überzeugt, daß der Nachtheil nicht die Einführung des Papiergeldes selbst, sondern dem, durch Finanzzerrüttung veranlaßten unmäßigen Gebrauch dieses Mittels, zuzuschreiben ist, welcher dadurch, daß das Papiergeld nicht realsierbar war, möglich wurde“. Seinen Untertanen versprach der König, daß sie die Tresorscheine gegen Silbercourant realisieren, also einzuwechseln, können.

Das war ein frommer Wunsch, denn es fehlte in Preußen (und anderswo) an allen Ecken und Enden an Edelmetall, so dass die nach dem verlorenen Krieg gegen Frankreich (1806) und die bedrückenden Bedingungen des Tilsiter Friedens (1807) in arge finanzielle Bedrängnis geratene Regierung zur Aktion „Gold gab ich für Eisen“ aufrufen musste. Der König und seine Familie gingen mit gutem Beispiel voran. Große Mengen des Hofsilbers, sogar goldene Teller und Schüsseln, die nur vom Königspaar benutzt werden durften, wurden zur Gewinnung von Münzmetall eingeschmolzen. Eisen avancierte zum patriotischen Stoff und bescherte der Königlichen Eisengießerei in Berlin großartige Aufträge für Denkmäler, Grabkreuze und filigranen Schmuck.

Die Möglichkeit, Banknoten jederzeit gegen Metallgeld einzutauschen, als sich die Verhältnisse in Preußen, einem der Gewinner der Befreiungskriege gegen das napoleonische Frankreich, wieder konsolidiert hatten, stärkte das Vertrauen in das neue Geld. So konnte die Regierung dazu übergehen, sukzessive große Mengen an Metallgeld durch Kassenscheine zu ersetzen, deren Design immer komplizierter wurde. Die Bequemlichkeit beim Bezahlen mit solchen Noten überwog schließlich das Mißtrauen in der Bevölkerung. Als die alten Tresorscheine abgenutzt waren, wurden sie gegen neue Kassen-Anweisungen umgetauscht und vernichtet. Die erhalten gebliebenen Noten sind begehrte Sammlerstücke. Preußen wurde im Lauf des 19. Jahrhunderts mit der Ausgabe immer fälschungssichererer Scheine einer derjenigen Staaten, der bei dieser Entwicklung vom Metall- zum Papiergeld eine Vorreiterrolle spielte.

Helmut Caspar

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