Die Wikinger am Rhein -
Buch zu einer Ausstellung in Bonn und Roskilde



Um das Jahr 880 kam der „Westerklief II“ genannte Schatz in Wieringen in den Boden; rund 1120 Jahre später haben Archäologen diese einzigartige Bodenurkunde wieder ans Tageslicht geholt.
Foto aus dem besprochenen Band

Was hat man den Wikingern nicht alles nachgesagt – Mord-, Rauf- und Sauflust, ungebändigter Expansions- und Eroberungsdrang, Sklavenhandel und Seeräuberei, mitleidloses Abschlachten wehrloser Menschen. Schon allein die Beinamen ihrer Herrscher wie Erik Blutaxt, Ivar der Knochenlose oder Geirmundr Höllenhaut sagen doch eigentlich alles über den geheimnisumwitterten Menschenschlag – oder ist das alles nur Mythos? Historiker und Archäologen halten von solch nicht nachprüfbaren Bildern und Klischees nichts, sie lesen die zeitgenössischen Informationen über das Volk der Wikinger, sammeln und werten ihre materiellen Hinterlassenschaften, setzen sich natürlich auch mit der Frage auseinander, wie aus den Recken mit den Hörnerhelmen, die mit ihren Drachenschiffen über die Meere fuhren und friedliche Städte und verschwiegene Klöster überfielen, dank phantasievoller Geschichtsschreibung und politischer Propaganda wagemutige Seefahrer und clevere Händler gemacht wurden.

Den Legenden auf den Grund zu gehen und darzustellen, wer die aus Skandinavien kommenden Nordmänner wirklich waren und was sie geleistet haben, in welchen Beziehungen sie zu anderen Völkern standen, auf welche Küsten sie ihren Fuß setzten, was von ihrem Vorstoß bis auf den amerikanischen Kontinent lange vor Columbus zu halten ist, schildert der prächtig ausgestattete Begleitband der noch bis 17. Oktober im Rheinischen Landesmuseum Bonn laufenden Ausstellung über die Wikinger am Rhein. Die eindrucksvolle Schau soll zu einem späteren Zeitpunkt auch in Utrecht und Roskilde gezeigt werden. Sie deckt die Leiden auf, die die Rheinregion, aber auch die Bewohner von Köln, Bonn, Aachen, Neuß, Utrecht, Lüttich, ja selbst die Insassen der Abtei Prüm in der Eifel durch die Einfälle der Wikinger auf sich nehmen mußten.

Ausgrabungen haben reichhaltiges Material über die offensichtlich recht innovativen und schlagkräftigen „Genies aus der Kälte“, wie man die Wikinger gelegentlich nannte, zutage gefördert, und einen kleinen Ausschnitt dieser einzigartigen Hinterlassenschaft bietet der vorliegende Band. Es handelt sich um Grabfunde, Schmuck, Waffen, Werkzeuge und Alltagsgegenstände, dazu kommen tausendjährige Schiffswracks und mit geheimnisvollen Zeichen bedeckte Inschriftensteine. Von numismatischem Interesse sind einige in dem Buch vorgestellte Schatzfunde, in denen Gegenstände aus Gold und Silber sowie Münzen vereint sind. Solche Horte hat man in den Siedlungsgebieten der Wikinger entdeckt, nicht aber in jenen Gegenden, in die sie zu ihren Raubzügen einfielen, um dann schnell wieder zu verschwinden. Bis vor wenigen Jahren hat man in der Rheingegend, an Maas und Schelde dergleichen nicht entdeckt. Die Wende kam, so ist zu erfahren, als ein Hobbyarchäologe vor fast zehn Jahren mit Hilfe seines Metalldetektors auf der ehemaligen Insel Wieringen im Norden der Provinz Nordholland fündig wurde. Der aus Silberschmuck, -barren und –münzen bestehende Hort war in einem Tontopf verborgen und wog 1662 Gramm. 1999 und 2001 stieß man nicht weit vom ersten Fundort auf weitere Objekte dieser Art. Die Münzen setzten sich überwiegend aus karolingischen Denaren sowie arabischen Dirhams zusammen, die zum Teil zerschnitten sind, um sie hinsichtlich ihres Gewichts den kleineren Denaren anzupassen. Beachtenswert sind Preisvergleiche. Für ein Gramm Silber bekam man im neunten Jahrhundert zehn Hühner, für zwölf einen Mantel, für 100 und mehr eine Kuh und für 410 Gramm einen Helm. 820 Gramm Silber mußten hingelegt werden, um ein Kettenhemd zu erstehen. Wenn das Buch hier auch noch die Quelle für diese bemerkenswerte Aufstellung mitgeteilt hätte, die etwas über die hohe Wertschätzung von Wehr und Waffen bei den Wikingern aussagt, wäre die Information perfekt gewesen.

Annemarieke Willemsen: Wikinger am Rhein 800-1000. Hrsg. vom Rheinischen Landesmuseum Bonn, dem Centraal Museum Utrecht und dem Wikingerschiffmuseum Roskilde, 192 S., 195 farbige Abb. und Karten, Stuttgart: Konrad Theiss Verlag 2004, Einführungspreis bis 31. 1. 2005: 24,90 Euro, danach 29,90 Euro (ISBN 3-8062-1909-5)

Helmut Caspar

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