Heilgott Äskulap wacht an der Luisenstraße -
Aus der ehemaligen Volkskammer wird ein modernes Tagungszentrum mit kaiserzeitlichem Interieur



Weitgehend im Original erhalten ist das aus der Kaiserzeit stammende Treppenhaus. (Foto: Caspar)

Das Haus Luisenstraße 58/59 gegenüber der Charité ist seit einem Jahr eine große Baustelle. Maurer, Maler, Tischler, Glaser, Elektriker und andere Handwerker verwandeln das historische Vereinshaus der Berliner Medizinischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, das von 1950 bis 1976 Sitz der DDR-Volkskammer war, in ein modernes Tagungszentrum. Benannt ist das Langenbeck-Virchow-Haus nach zwei berühmte Ärzten - Bernhard von Langenbeck (1810-1887) sowie Rudolf Virchow (1821-1902), der auch ein bedeutender liberaler Politiker, Altertumsforscher und Mitbegründer des Märkischen Museums war. Das Gebäude wurde 2003 an die ursprünglichen Besitzer und Bauherren, die Berliner Medizinische Gesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, zurückgegeben. Ein Jahr später konnte der Umbau in Angriff genommen werden.

Die Arbeiten in dem 1914/15 nach Plänen des Architekten Hermann Dernburg erbauten Gebäude stehen unter hohem Zeitdruck. Bereits am 1. Oktober 2005 wird das Haus eröffnet, und am 28. Oktober wird dort Bundespräsident Horst Köhler den Robert-Koch-Preis, eine der höchsten deutschen Wissenschaftsauszeichnungen, verleihen. „Wir halten die Termine exakt ein “, versichert der stellvertretende Projektleiter Stephan Herzberg von der IKB Immobilien Management GmbH in Düsseldorf. Da es sich um ein wertvolles Gebäude aus der späten Kaiserzeit handelt, erfolgen Sanierung und Restaurierung nach den strengen Auflagen des Denkmalschutzes.

Finanziert wird die 9,5 Millionen Euro teure Baumaßnahme zu gleichen Teilen von B. Braun/Aesculap, Melsungen/Tuttlingen, und von den beiden Medizin-Gesellschaften, denen das Haus gehört. Das im Medizinproduktebau tätige Unternehmen wird künftig im der Aeskulap Akademie, die im neu gestalteten Dachgeschoß untergebracht ist, angehende und auch schon länger im Beruf stehende Chirurgen in der Handhabung neuester Operationstechnik unterweisen und hofft auf großes Interesse nicht nur bei deutschen Ärzten, sondern auch solchen aus Osteuropa.

„Das Haus soll eine Begegnungsstätte von Medizinern aus aller Welt werden. Da in das Jahr 2005 das hundertste Jubiläum der Verleihung des Medizin-Nobelpreises an Robert Koch fällt, der nebenan in der Luisenstraße 57 geforscht hat, wird dieses Jubiläum im Langenbeck-Virchow-Haus durch ein Symposium festlich begangen“, sagt der Vorsitzende der Berliner Medizinischen Gesellschaft, Helmut Hahn. Herzstück des Gebäudes, dessen Wiedergeburt der Stadt einen neuen interessanten Kultur- und Wissenschaftsstandort beschert, ist der Große Vortragssaal mit 500 Sitzplätzen, in den die neueste Technik integriert wurde. Dass der Saal Tagungsort von Ärzten war und bald wieder sein wird, ist an den 14 Deckenbildern zu erkennen. Sie schildern in antikisierender Manier mythologische Szenen aus der frühen Geschichte der Medizin. Zu erkennen sind der griechische Gott Äskulap und seine Helfer, die stehen Kranken, Verwundeten und Sterbenden zur Seite stehen und das hohe Lied der Heilkunst singen. Sie schauen gleichsam als Wächter auf das Geschehen unter ihnen im Saal, der wie ein antikes Amphitheater gestaltet ist. „Äußerlich haben wir hier wenig verändern müssen. Nicht einmal die alten Volkskammer-Sessel mussten ersetzt werden. Sie wurden nur aufgearbeitet und neu bezogen“, erläutert der für den Umbau zuständige Architekt Juergen Papst.

Da es sich bei dem Langenbeck-Virchow-Haus um ein besonders kostbares und repräsentatives Gebäude aus der späten Kaiserzeit handelt, gewann das Berliner Landesdenkmalamt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz (DSD) für die Unterstützung spezieller Restaurierungsmaßnahmen. Sie ist mit einer Fördersumme von rund 100 000 Euro dabei. Wie Peter Schabe, Leiter der Berliner DSD-Repräsentanz, erklärt, wird das Geld für Tischler- und Glaserarbeiten, die Instandsetzung der originalen Deckenkonstruktion und die Restaurierung der Ausmalungen im Großen Saal aufgewandt. „Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass die ursprünglichen Farbfassungen in der Eingangshalle, den Treppenhäusern und den einzelnen Räumen weitaus reicher waren, als sie sich heute darstellen. An einigen Stellen zeigen von den Restauratoren freigelegte Befundfelder, wie man sich das Haus zur Erbauungszeit vorstellen müsste.“ Aus Kostengründen sei es nicht möglich gewesen, die fein gearbeitete Innendekoration, beispielsweise in der Wandelhalle des ersten Obergeschosses, wiederherzustellen. Das bleibe der Zukunft vorbehalten.

Restauriert wird die reich gegliederte Fassade zur Luisenstraße, wobei Büsten von Langenbeck und Virchow wieder zwischen der ersten und der zweiten Etage eingefügt werden. Der repräsentative Mitteleingang mit kleinem Überdach bleibt als Dokument aus der Volkskammer-Zeit zwar erhalten, wird aber nicht mehr benutzt.

Helmut Caspar

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