Essen und Trinken auf Rädern -
Deutsches Technikmuseum dokumentiert Geschichte des Speisewagens

Seit über 150 Jahren bilden Bahnhöfe und Bahnhofsgaststätten eine Einheit. Reisende konnten vor Ort ihren Hunger und Durst stillen oder bekamen Verpflegungspakete an den Zug gebracht. Um 1880 wurden die Speisewagen erfunden, jene mehr oder weniger luxuriös eingerichteten Restaurants auf Rädern, die zum leiblichen Wohl der Reisenden beitragen und ihnen die Zeit auf angenehme Weise verkürzen. Da man manchmal mehrere Tage unterwegs war, mußte man natürlich auch verpflegt werden. Das geschah je nach Geldbeutel in edel eingerichteten Bordrestaurants oder in einfachen Waggons mit Küchenbetrieb.

Kostbares Porzellan, geschliffene Gläser und Silberbesteck, die ehemals zum Standard von Speisewagen gehörten, gibt es heute nicht mehr. Plastikgeschirr und Wegwerfmesser bestimmen das Bild. Ab und zu kommt jemand mit einem Wägelchen und verkauft Bier, Brause, Würstchen oder Obst. Speisewagen mit dem Komfort vergangener Zeiten bilden die Ausnahme, wie eine neue Dauerausstellung des Deutschen Technikmuseums Berlin erzählt. Sie präsentiert Geschirr, Besteck, Modelle, Fotos, Plakate sowie Speisekarten, Rechnungen und andere Dokumente und zeichnet den Siegeszug der Speisewagen und ihrer Betreiber, darunter der 1916 gegründeten Mitteleuropäischen Schlaf- und Speisewagen AG, besser bekannt als MITROPA, eindrucksvoll nach.

Als das Fahren mit der Eisenbahn noch ein seltenes Vergnügen war, wollten wohlhabende Reisende unterwegs nicht den Standard vermissen, der ihnen zuhause zur Verfügung stand. Sie ließen sich den Spaß einiges kosten, wie an Speisekarten und Menüfolgen demonstriert wird. Mehrgängige Galadiners mußten in kurzer Zeit kunstvoll angerichtet und formvollendet serviert werden. Ausserdem waren die Speisereste unauffällig zu entsorgen, und auch ein großer Abwasch war auf engem Raum zu bewältigen. Zu allem brauchte man viel Personal, und das machte den kulinarischen Abstecher in den Speisewagen zu einem teuren Vergnügen.

Die Ausstellung schildert, daß das Speisen auf Reisen, so ihr Titel, eine regelrechte Kulthandlung war. Sehen und gesehen werden – das war die Parole. Und deshalb zog man auch sein Bestes an, wenn man in den Speisewagen ging. Aber auch dies wird in der sehenswerten Schau geschildert - die schwere Arbeit hinter den Kulissen. Solange man noch keine Kühlschränke und Tiefkühlware kannte, war es schwierig, die Lebensmittel und Getränke frisch und kühl zu halten. Demnach mußte ständig für Nachschub gesorgt werden, weshalb zum Essen und Trinken auf Rädern auch eine ausgeklügelte Logistik gehörte. Erst als man die erforderliche Technik hatte und vorgefertigte Speisen nur noch warm machen mußte, sank auch der ehemals sehr hohe Personalbestand in den Speisewagen der MITROPA und anderer mit der Versorgung der Eisenbahn-Passagiere befaßten Unternehmen.

Die Ausstellung „Speisen auf Rädern“ ist im Deutschen Technikmuseum Berlin, Trebbiner Straße 9, 10963 Berlin-Kreuzberg, Dienstag bis Freitag von 9 bis 17.30 Uhr, am Wochenende von 10 bis 18 Uhr. Das Begleitbuch hat 96 Seiten und über 150 farbige Abbildungen und kostet 10 Euro. Weitere Informationen unter www.dtmb.de.

Helmut Caspar

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