Juwel mittelalterlicher Baukunst erwacht aus dem Dornröschenschlaf -
Die restaurierte Heilig-Geist-Kapelle an der Spandauer Straße zeigt sich wieder in den schönsten Farben



Teil der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät ist die an der Spandauer Straße gelegene Heilig-Geist-Kapelle.



Reste der spätmittelalterlichen Ausmalung wurden im Gewölbe zwischen den ziegelrot bemalten Kreuzrippen freigelegt.
(Fotos: Caspar)

Mit einer Feierstunde wurde am 21. Oktober 2005 die über 600 Jahre alte Heiliggeistkapelle in der Spandauer Straße der Öffentlichkeit übergeben. In den vergangenen drei Jahren war Gebäude mit einem prächtigen Kreuzgewölbe, einem zum Teil originalen Fußboden sowie einer eindrucksvollen Dachkonstruktion aus dem späten Mittelalter saniert und restauriert worden. Die Kosten der Renovierung der zum ehemaligen Heilig-Geist-Hospitals gehörenden Kapelle in Höhe von 2,75 Millionen Euro wurden zu mehr als der Hälfte von Sponsoren wie der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, der Berliner Cornelsen Kulturstiftung, der Deutschen Bank und den Ehepaaren Pia und Klaus Krone sowie Andrea und Wulff Plinke getragen. Mit 1,35 Millionen Euro beteiligte sich die Humboldt-Universität, der der einzigartige Sakralbau gehört, an dem nun glücklich zum Abschluss gebrachten Projekt.

Künftig soll die Kapelle, die vor hundert Jahren Dank der Fürsprache geschichtsbewusster Berliner vor dem Abriss bewahrt wurde und sehr geschickt in den Neubau der damaligen Handelshochschule und heutigen Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät integriert wurde, als akademischer Festraum, aber auch für öffentliche Veranstaltungen wie Vorträge und Konzerte genutzt werden. Der Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, Joachim Schwalbach, sprach gestern allen Bauleuten und Restauratoren sowie den Sponsoren seine Hochachtung für ihr Engagement aus. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass das Bauwerk, das noch vor ein paar Jahren als Mensa genutzt wurde und sich in einem ziemlich desolaten Zustand befand, in alter Schönheit wieder erstrahlen würde.

Betritt man die Kapelle, so ergibt sich ein prächtiger Anblick, vor allem wenn die Sonne durch die spitzbogigen Fenster scheint. Die Farbe der Bodenplatten korrespondiert mit dem „brillanten Ziegelrot“ der Kreuzrippen, aus denen das Gewölbe gebildet wird, wie Restaurator Jörg Breitenfeldt sagt. Dieser Farbton aus der Zeit um 1520 wurde nach Entfernung dicker Farbschichten nachgewiesen und neu aufgetragen. Nur noch in Resten haben Breitenfeldt und seine Kollegen Ausmalungen zwischen den Kreuzrippen der Decke gefunden. Bis zu zwölf Lagen dicker Tünche mussten Millimeter für Millimeter abgetragen werden, mal mit feuchten Kompressen, mal mit dem Skalpell oder auch - wie beim Zahnarzt - mit feinen Ultraschallgeräten. „Die zutage getretene Himmelswiese mit Blumen, Blüten und Blättern sucht in Berlin ihresgleichen. Die Ornamente lassen ahnen, wie farbenfreudig und vielgestaltig der Raum vor einem halben Jahrtausend ausgemalt war“, sagt Breitenfeld. Manch einer würde es gern sehen, wenn diese Reste bunt nachgemalt und phantasievoll ergänzt würden, doch würde das denkmalpflegerischen Grundregeln widersprechen. Eine andere Kostbarkeit sind die spätgotischen Konsolen, auf denen die Kreuzrippen ruhen. Diese Auflagen aus gebranntem Ton stellen Gottvater, Maria, Jesus Christus und die Apostel dar und belegen die hohe Kunstfertigkeit und Dekorationsfreude, die man bei der Ausgestaltung der Kapelle an den Tag legte. Und noch eine Attraktion ist zu sehen. Dafür aber muss man ins zweite Obergeschoss der aus der Kaiserzeit stammenden und heute von den Wirtschaftswissenschaftlern genutzten Handelshochschule gehen. Hier sind in eine Wand zwei Fenster eingelassen. Durch sie schaut man auf den weitgehend noch original erhaltenen Dachstuhl der Heiliggeistkapelle. Für die Architektin Ursula Hüffer grenzt es an ein Wunder, dass die komplizierte Holzkonstruktion, deren Bestandteile nach einem dendrochronologischen Verfahren exakt auf das Jahr 1476 datiert werden kann, alle Stürme der Zeit überstanden hat.

Geschichte, bauarchäologische Forschungen und Wiederherstellung der Kapelle werden in einem neuen, von der Humboldt-Universität und dem Berliner Landesdenkmalamt herausgegebenen Buch dargestellt, das im Michael Imhof Verlag Petersberg erschienen ist (221 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 29,80 Euro).

Helmut Caspar

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