„Berlin kommt wieder“ -
Landesarchiv zeigt Bilder und Dokumente aus den ersten beiden Nachkriegsjahren



Trümmerfrauen schaffen im zerbombten Berlin Ordnung. Foto von 1946/47. (Repro: Landesarchiv)

Mit dem Couplet „Berlin kommt wieder, das ist das Lied, das jeder singt, / und das jetzt wieder so schön in ganz Berlin erklingt“ sprach 1946 die Chansonette Brigitte Mira vielen Bewohnern der Viersektorenstadt aus dem Herzen. Im Kabarett der Komiker erstmals gesungen, wurde der Gassenhauer bald überall populär. Doch eine Tonaufnahme konnte bisher nicht gefunden werden. So kann das in einer ehemaligen Waffenfabrik aus der Kaiserzeit untergebrachte Berliner Landesarchiv nur das Notenblatt aus dem Nachlass von Günter Neumann, dem Kopf der „Insulaner“, in einer Ausstellung anlässlich des 60. Jahrestages des Kriegsendes und der Befreiung vom Nationalsozialismus präsentieren. Anhand von Fotos, Briefen, Protokollen, Plakaten, Zeitungen, Wahlzetteln, Lebensmittelkarten und anderen Zeugnissen werden die die ersten beiden Nachkriegsjahre dokumentiert. Für die sehenswerte Schau im Bezirk Reinickendorf dient die Eingangszeile jenes von der Mira interpretierten Couplets als Motto. Es soll sagen, dass die Berliner aus einem tiefen Loch, das der von den Nationalsozialisten angezettelte Krieg gerissen hat, langsam wieder nach oben kommen und für sie eine neue Zeit anbricht.

Die von den Archivaren Volker Viergutz und Adelbert Dreyer ausgewählten Bilder und Dokumente zeigen Berlin als großen Trümmerhaufen, in dem sich langsam Leben zu regen beginnt. Schon zeigen sich die Straßen wie gefegt und ohne Bombentrichter, wie es die Besatzungsmächte verlangten, doch links und rechts stehen die Ruinen. In ihnen haben sich Ausgebombte und Flüchtlinge eingerichtet, im Winter dick angezogen. Für uns heute kaum glaublich ist, dass man nach allem anstehen musste – nach Wasser und Lebensmitteln, nach Kleidungsstücken und Zeitungen, selbst auf dem Schwarzen Markt, der ständig von Polizeirazzien heimgesucht wird. Kohldampf schiebend vergaß man im Kino oder Theater, so sie überhaupt standen, den Alltag. Auch vor diesen notdürftig eingerichteten und im Winter unbeheizten Spielstätten bildeten sich Warteschlangen. Ausgestellt sind Fotos von Flüchtlingen, die keiner aufnehmen will oder kann, und Bilder von Kindern, die auf ausgebrannten Panzern „Krieg“ spielen oder mit Munition hantieren. Man sieht „Magistratskühe“, die in städtischen Anlagen weiden durften, weil man ihre Milch für Bedürftige brauchte und Leute, die mit ein paar Habseligkeiten auf Hamsterfahrt gehen in der Hoffnung, bei den Bauern auf dem Land etwas Essbares einzutauschen. Alliierte Soldaten posieren vor dem Bismarck-Denkmal im Tiergarten. Er zeigt sich ohne Bäume, denn die wurden als Brennholz verheizt. Auf Plakaten verkünden die Siegermächte, was man alles tun soll und was verboten ist, und dann liest man auch, dass „Russengräber“ den Behörden zu melden sind, damit man die Toten ordentlich bestatten kann.

Interesse verdient im Kulturteil der Ausstellung die Entnazifizierungsakte des der Kollaboration mit dem NS-Regime bezichtigten Dirigenten Wilhelm Furtwängler, und gleich nebenan sind Theaterzettel von lange nicht gespielten Stücken wie Lessing „Nathan der Weise“ und Brechts „Dreigroschenoper“ ausgelegt. Ein paar Vitrinen kann man sich in Erstausgaben der damaligen Zeitungen vertiefen. Sie verbreiten Optimismus, was sonst, und rufen auf, jetzt nicht zu verzagen, sondern anzupacken. So setzt die Ausstellung mit einer Folge von alten Fotos auch den vielen Trümmerfrauen ein schönes Denkmal, denn ohne sie hätte es kaum heißen können „Berlin kommt wieder“.

Die Ausstellung wird bis zum 2. September im Landesarchiv Berlin, Eichborndamm 115-121, 13403 Berlin-Reinickendorf, Dienstag bis Donnerstag 9-18 Uhr, Montag und Freitag 9-15 Uhr gezeigt. Der Katalog mit 162 Seiten kostet Euro.

Helmut Caspar

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